22.07.2020, 23:57
Der Alte war unfassbar drollig. Saß grummelig auf seinem Platz und funkelte zu ihm hinauf, als wäre er sein allzeit geliebter Erzfeind. Wartete auf ein paar Hansel inmitten einer viel zu gut betuchten Wohngegend und gönnte sich einen Schluck aus seinem Flachmann, der die Fahne seines Atems nur noch gräuseliger machte, als sie womöglich schon war. Und kaum, dass er endlich mit den Informationen heraus rückte, für die sie hier waren, verschwand er in einem Tempo, das Ceallagh durchaus beeindruckte. Der Alte konnte laufen wie ein junges Reh. Bemerkenswert. Für die deutlichen Anspielungen des „Bettlers“ hatte Ceallagh nicht mehr als ein amüsiertes Schmunzeln übrig gehabt. War ja nicht so, dass er es nicht – natürlich nur seiner Scharade wegen – darauf angelegt hatte.
Dass Lucien endlich wieder neben ihm stand, beruhigte ihn zwar nur bedingt, stellte dafür aber die leisen Stimme in seinem Hinterkopf ab, die sich alsbald penetrant an seiner Schädeldecke bemerkbar gemacht hätten. Er vertraute dem Jüngeren, wenngleich es zu viele Jahre zwischen jetzt und damals gab, in der dieses Urvertrauen keine Berechtigung mehr besaß. Doch dieser Söldner der mit ihnen reiste, war eine Konstante, die er lieber gern im Blick behielt. Nicht nur, weil er redete wie ein Wasserfall und diese Art Humor verstand, die Ceallagh gern pflegte.
“Bist du dir da ganz sicher?“, mit einem amüsierten Zucken in den Mundwinkeln, glitten die blaugrünen Augen auf den dunklen Haarschopf, der etwas später als sein alter Freund zu ihnen hinüber gehuscht war.
Allein in dieser Konstellation gäbe es eine seltsame Person, die dem Alten durchaus Konkurrenz machen würde. Und im Gegensatz zu Rym dachte er dabei ganz sicher nicht zwingen nur an Trevor. Was der Ältere dann jedoch hinzufügte, entlockte ihm ein Zungenschnalzen sondergleichen. Musterten die blaugrünen Zairym für einige Sekunden spitzbübisch, schwenkte der Blick des Hayes wenig später auf Lucien zurück. Mit einem vielsagenden Funkeln in den Augen und einem Grinsen, das mehr als nur Belustigung versprühte.
“Jetzt hast du wohl seine offizielle Erlaubnis.“
Sicherlich ging er nicht davon aus, dass Lucien es in Erwägung zog. Nicht jetzt. Aber für den Fall der Fälle ließe sich ein womöglich schlechtes Gewissen mit dieser Aussage ganz sicher bereinigen. Täte es zumindest bei ihm, wenn die Situation außer Kontrolle geriet und der Rauschebart jeden seiner Joker bereits verspielt hatte.
Die viel wichtigere Sache war jedoch das, was der Alte ihnen erzählt hatte. Es war nicht sonderlich viel. Weitaus weniger, als er ehrlich gesagt gehofft hatte, wo diese ganze Aktion doch dermaßen geheimnisvoll und wichtig wirkte. Wenn die Tarlenn mit derart wenigen Informationen heraus rückten, war es fraglich, wie gut ihre Chancen waren, dort unbemerkt und ohne Kollateralschäden wieder heraus zu kommen. Doch das war nichts, womit sich ein mächtiger Auftraggeber wie dieser herumschlug. Menschen wie sie, gab es wie Sand am Meer. Und dort wo es Leichen im Keller gab, gab es auch etliche Schulden, die es zu begleichen galt. Ob freiwillig oder gezwungen – sie bekämen diese Sache noch über die Bühne. Ganz egal ob mit oder ohne ihr Zutun.
„Wie überaus freundlich, mir dein hübsches Sonntagskleid auszuleihen Zairym.“
Auch wenn Ceallagh den Kopf nicht zu ihm herum wandte und stattdessen den Zaun und dahinter liegenden Garten in Augenschein nahm, entging ihm der intensive Blick des Söldners in seinem Augenwinkel nicht. Für den Versuch hatte er dennoch ein kleines Schmunzeln übrig, wohlwissend, dass er bezaubernd aussah. Ganz egal was er trug. Daran konnte auch der Bärtige nichts ändern, der sicherlich mehr als nur eine Ladung Bienenwachs brauchte, um sein prächtiges Bärenfell von seinem Körper zu entfernen. Wenn er so darüber nachdachte, hatte der Dunkelhaarige schon etwas von einem Lycanthropen.
“Mir wäre ein Flurplan vom Gebäude irgendwie lieber gewesen.“, glitt es ernst und nachdenklich über seine Lippen.
Es gab so viele Faktoren, die diesen Plan zum Scheitern bringen würden. Faktoren über die er sich jetzt, bevor er mit Lucien da hinein stürmte, Gedanken machte, als unvorhergesehen in sie hinein zu rennen und nicht zu wissen, was er tun sollte. Letztlich würde es wieder darauf hinaus laufen, das wusste er. So war es schon immer gewesen. Aber zumindest fühlte es sich besser an, halbwegs einen Plan zu haben, den man bewusst ignorieren konnte, als vollkommen blind auf pures Glück zu vertrauen.
“Aber eine Ablenkung da drin zu haben erscheint mir wirklich sinnvoll.“
Dahingehend stimmte er Zairym zu, auch wenn er eine etwas weniger kostümierte Variante in Erwägung zog. Für eine Hand voll Bediensteter waren sie zu wenig, das Haus womöglich zu eng und verwinkelt. Keiner kannte ihre Aufgaben und Zeitpläne, ihre üblichen Laufwege oder die blinden Flecken dieses Hauses wie Vorratsräumen und Besenkammern.
[Im Villenviertel | mit Lucien, Trevor und Zairym]