13.07.2020, 23:43
Nathan hatte sich eine sehr günstige Gelegenheit durch die Lappen gehen lassen. Aber es half ja nichts, dieser hinterher zu trauern. Wenn ihn Flint bei dieser Gruppe erwischt hätte, so hätte Nathan auch schlechte Karten gehabt. Seine neuen „Freunde“ hätten ihm nicht helfen können. Oder auch nur wollen... Schade, aber so galt es, die Beine in die Hand zu nehmen und die nächste Gelegenheit beim Schopfe zu ergreifen. Das Misstrauen der drei Piraten hatte fast greifbar in der Luft gelegen, und das, was Nathan nun am wenigsten brauchen konnte, war, dass er eine neue Gruppe hatte, die ihn jagte. Vielleicht war es also gut so. Denn der Schwindel wäre recht bald aufgeflogen, spätestens dann, wenn die Dunkelhaarige die Augen verdreht hätte, ohnmächtig wurde, und die beiden Begleiter nach einem Doktor verlangten. Spätestens dann wäre herausgekommen, dass Nathan keinen Schimmer hatte, wo in der Stadt was zu finden war.
Er bog um die nächste Ecke, und versuchte sich einzuprägen, in welcher Richtung er unterwegs war. Erst einmal musste er raus aus dem Kern der Stadt. Vielleicht konnte er sich auf ein Schiff schmuggeln und als blinder Passagier weiterreisen. Natürlich hätte er bleiben und untertauchen können. Doch Flint erschien ihm gut betucht im wahrsten Sinne und einflussreich. Wer würde ihm Unterschlupf gewähren und damit den Zorn des Patriarchen riskieren? Weiterhin richtete er seine Schritte gen Südwest, allerdings brachte ihn das zu einem für seinen Geschmack zu vollen Teil der Stadt. Hier hatte er keinerlei Überblick, und würde sich auch nicht unbedingt rechtzeitig verstecken können. Ohne Hast bahnte er sich einen Weg durch die Menge und verschwand dann in einer einsamen Gasse, in der er sich von Berufs wegen schon sicherer fühlte.
Er bog um die nächste Ecke und stieß gegen etwas Weiches. „Verzeih…“, begann Nathan automatisch, als sich sein Blick und die seines Gegenübers begegneten und sie sich fast gleichzeitig erkannten. Nathan rutschte das Herz in die Hose, dann begann es wie wild in der Brust zu schlagen. Halb stolpernd wandte er sich um, um die Gasse zurückzulaufen, aber da kam der zweite Kleiderschrank auf ihn zu. "Verfluchte Sch..."
„Na, wen haben wir denn da?“
Hinter ihm war auch der Lockenkopf aufgetaucht, der ihm eben noch die Handtasche abgenommen hatte. Gehörte er zu Flints Männern?! Aber nein...Auch hier schienen die Leute sich aus irgendeinem Grund zu kennen und zu fürchten. Jedenfalls sah man in den Augen des Blonden, dass er gerade nicht sehr rosige Zeiten erwartete. Während sich Nathan mit wildem Blick nach einer Fluchtmöglichkeit umsah und er sich gleichzeitig versuchte, einen Reim auf die Anwesenheit des Lockenkopfes zu machen, tauchte eine weitere Gestalt vor ihnen auf. Nathan stöhnte halblaut auf. Es war Travis Flint selbst. Vor Schreck explodierte Nathans Herz förmlich und alle Farbe war dem Dieb aus dem Gesicht gewichen. Okay, das hier lief gar nicht gut. Gar nicht gut.
„Sieh an, sieh an. Wie die Ratten zieht es das Gesindel zusammen. Begleitet mich doch ein Stück, dann können wir noch einmal über alles reden.“
Das Lachen Flints war grausam und freudlos. Er war auf Rache aus, das wurde jedem noch so Begriffsstutzigen bewusst. Zwar verzichtete er darauf, Nathan gleich über den Haufen zu schießen, aber das, was er vohatte, war sicherlich lang und schmerzvoll. „Travis?“, begann Nate in vollendeter Verwunderung und schlug dem Mann mit einem freundschaftlichen Lächeln auf die Schulter. „Was macht ihr denn hier? Wie schön, dich zu sehen! Ich wollte gerade für unsere Gwenn…“
Man hätte Flints wuchtigem Körper diese Schnelligkeit gar nicht zugetraut, wie der zu Nathan herumwirbelte, ihm den Ellbogen ins Gesicht rammte, dass Nates Nase hörbar knackte und ihm das Blut aus dem Gesicht schoss. Nathan ging zu Boden und Flint setzte ihm mit glühenden Augen nach. „DU nimmst den Namen meiner Tochter nie wieder in deinen dreckigen Mund, Avery!“, zischte er unbeherrscht, drehte sich erneut um, und überließ es seinem Leibwächter, Nathan wieder auf die Füße zu lupfen. Nathan fühlte sich am Kragen gepackt, wie ein Kind in die Höhe gehoben und unsanft auf die Füße gestellt, hielt sich seine pochende Nase und sah ein, dass er verloren hatte, wenigstens für den Moment. Hoffentlich thematisierte sein blonder Leidgenosse nicht, dass er sich auch hier mit einem falschen Namen vorgestellt hatte. Es blieb Nathan nichts anderes übrig, als mit dem blonden Kerl neben ihm (warum war DER hier?!), Flint und seinen Männern zu folgen. An Flucht war zunächst nicht zu denken.
Nein, das hier lief gar nicht gut.
{ anfangs Liam, Flint und seinen beiden Leibwächtern in einer Gasse einige Straßen entfernt, dann ins Ungewisse geführt }