05.07.2020, 17:51
Die Reaktion kam unerwartet, obwohl sie eigentlich absehbar gewesen wäre. Aus der Hocke heraus hob er den Blick hinauf zu der Brünetten. Ein Blick, der deutlich zeigte, dass er ihren plötzlich übertrieben Mutterinstinkt ziemlich unnötig fand. Sah er aus wie jemand, der einem Kind etwas zu leide tat und zudem auch noch dumm genug war, das in Mitten einer Gruppe aus Menschen zu machen, die gerade zufällig auf der Suche nach einem gewalttätigen Mörder – oder zumindest einem guten Sündenbock – waren? Der Dunkelhaarige schnaubte leise und ließ seinen Gesichtsausdruck für sich sprechen, ehe er den Blick wieder auf den Jungen auf Augenhöhe richtete und seine Züge sanfter wurden. Ein langsames Nicken folgte auf die zögerliche aber bereitwillige Antwort Maryns, doch bevor er antworten konnte, brach hinter ihm abermals jemand in Hysterie aus. Für einen Sekundenbruchteil kniff Alex die Augen zusammen, während sich seine Brauen genervt zusammenschoben. Allmählich bereitete ihm dieses Geplärre Kopfschmerzen. Aus den Augenwinkeln heraus nahm er den Schreck des Jungen wahr, kurz bevor er den Kopf drehte und über seine Schulter hinweg zu den Beteiligten sah. Dieses Mal mischte er sich nicht ein. Bercker schien es durchaus im Griff zu haben. Als die Dunkelhaarige den Moment nutzte, um den Jungen zurück zu seinen Freunden zu schicken, schenkte er ihm noch kurzes Zwinkern und erhob sich mit einer langsamen Drehung, um zu beobachten, wie Lilly abermals versuchte, John die Augen auszukratzen.
Ein weiteres, kurzes Auflachen wurde in einem Räuspern erstickt. Alex verschränkte die Arme erneut und amüsierte sich still über die Annahme, dass eine Verlobung einen Mann davon abhielt, eine andere Frau nebenbei zu haben, wenn er es wollte. Manchmal waren Frauen tatsächlich erfrischend naiv und romantisch veranlagt. Ohne den Kopf zu bewegen schielte er zum toten Nhoj hinab. Er konnte nicht beurteilen, ob er so ein Mann gewesen war und Nhoj selbst würde diesbezüglich wohl auf ewig schweigen. Interessanter wurde es allerdings, als Bercker einen weiteren Umstand einwarf, der fast schon prädestiniert dafür war, eine weitere Schreitirade heraufzubeschwören. Voller Erwartung ruhte sein Blick nun abermals auf Lilly. Nicht nur hysterisch, sondern auch ein bisschen fanatisch, wie es schien. Eine Frau, die sich so sehr auf einen Mann eingeschossen hatte, dass sie sich einbildete, tatsächlich mit ihm verbandelt zu sein? Himmel, sie schien eine ganze Liste an Problemen zu haben. Statt einer Antwort von Lilly, mischte sich allerdings wieder eine andere Stimme in seinem Rücken ins Gewirr. Alex wandte den Kopf herum und trat zur Seite, um der blonden Kapitänin den Weg freizumachen. Eigentlich war es ziemlich niedlich, dass Bercker sich so sehr daran versucht hatte, das zu umschreiben, was die Blonde freiheraus in den Raum warf. Und abermals folgte ein Zwischenruf, mit dem er nicht gerechnet hatte.„Aber du, oder wie?“, brummte er leise und mehr für sich selbst – weiter, als bis zu seinen direkten Umstehenden, kam seine Bemerkung also nicht.Was Olen dann aber vor hatte, konnte Alex beim besten Willen nicht sagen – und er würde es auch nicht erfahren, wie es schien. Die Blonde zückte ohne Zögern ihr Messer und erstickte Was-Auch-Immer im Keim. Der Lockenkopf musterte sie kurz, ehe sein Blick zur Klinge ihres Messers glitt und letztlich auf dem hässlichen Gesicht Olens zum Stehen kam. Alex verzog die Lippen zu einem freudlosen Grinsen und machte demonstrativ einen Schritt zurück, als würde er um alles in der Welt nicht im Schussfeld stehen wollen. Auf Anhieb hätte er nämlich nicht die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass der hitzköpfige Jungspund sich von einer Frau oder einem Messer davon abhalten ließ, etwas zu tun, was er wollte – Drohung hin oder her. Und schließlich folgte eine weitere Planänderung, die zwar zumindest mehr Erfolg als das Chaos gerade versprach, ihn aber trotzdem nicht wirklich begeisterte. Was hatte er nur verbrochen, dass er nicht einfach seiner Arbeit nachgehen konnte? Für sich und in Ruhe? Gerade erschien ihm der Gedanke unheimlich verlockend, wieder aufzubrechen und Silvestre hinter sich zu lassen.Er ließ den Kopf im Nacken kreisen, bis sein Blick auf SKadi zum Ruhen kam. Unter anderem Umständen hätte er sich vermutlich gern von ihr ausfragen lassen, aber gerade hätte er ihre Aufgabe lieber selbst übernommen und John alleine ausgefragt. Ein Vorschlag, der eher weniger Anklang finden würde, weshalb er ihn für sich behielt.