17.06.2020, 09:19
Der leicht verschobene Zweitakt kündige Shanaya lange an, bevor sie um die Ecke trat. Sie sagte nichts, hielt nichtmal inne, als sie sich ihnen näherte, die Tasche ergriff und weiter ging. Stur, entschlossen. Shanaya halt.
Eine bestohlene Shanaya noch dazu. Josiah war nicht überrascht. Er würde ihr wahrscheinlich sogar weiter folgen: besser als Laufen zu gehen war das hier alle mal. In der letzten halben Stunde war gefühlt mehr passiert als in den gesamten Tagen seit sie ihr waren. Eine Tatsache, die Josiah freudig entgegen nahm. Etwas, was man ihm wahrscheinlich nicht abnehmen würde, hätte er es jemanden erzählt. Sein Blick lag immer noch misstrauisch auf den Taschen-Retter. Misstrauisch und Ablehnend. Doch dass Josiahs Blick nicht immer dem entsprach, was in ihm vorging, sollte sich keinen Augenschlag später erneut beweisen.
Denn dem Taschen-Retter schienen schier die Züge zu entgleiten, als er Shanaya erblickte. Josiah hätte fast laut aufgelacht: Sein Gesicht sprach Bände, und Josiah ertappte sich bei dem Gedanken, ob sie ihm einfach Shanaya vorsetzen müssten um herauszufinden, ob er tatsächlich die Wahrheit sagte. Denn der gute Mann vor ihnen schien fast schon nur noch mit einem kleinen Teil seines Kopfes zu denken. Aber immerhin bekam er noch genug mit, um sich von einen warnenden Blick davon abhalten zu lassen, auf Shanaya zuzugehen.
Stattdessen blieb er stehen, mit dem Blick sie aber nicht in Ruhe lassend. Und sehr erfolgreich eben die Worte aussprechend, die bei Shanaya wahrscheinlich die gänzlich falschen Knöpfe drückten. Diesmal ließ Josiah das leichte Grinsen in seinem Mundwinkeln zu.
Shanaya humpelte weiter, und der Mann schien nachzudenken. Dann, als wäre ihr Auftreten selber nicht deutlich genug gewesen, und die zwar stumme, aber doch nicht so unauffällige fehlende Reaktion Liam und seinerseits nicht existent, war er Sekunden später auch schon bei ihr. Begleitet von einen nicht unbedingt unauffälligen „wir“.
Wenn auch Josiah amüsiert war, verkniff er es sich, seine Haltung zu lockern oder die Hand von seiner Seite zu entfernen, knapp über seinen Messern. Auf Liams Grinsen zog er nur vielsagen die Augenbrauen hoch.
„Er kann die Lehrstunde vertragen.“
Seiner Stimme war anzuhören, was er von der Lage hielt, dennoch blieb er nicht weniger wachsam.
Der Kerl war offensichtlich noch leichtsinniger als gedacht, denn als wäre sein Gehabe nicht genug verlieh er seiner Stimme auch noch einen spöttischen Tonfall. Jedenfalls für ein paar Worte, bis nach einer kleinen, angedeuteten Verbeugung die Informationen nur so aus ihm hervor sprudelten.
Was so eine Frau nicht alles ausrichten konnte.
Die Freude hielt nur so lange, bis er im nächsten Moment seinen Fehler erkannte. Schlagartig war Josiahs Lockerheit wieder hinter einer angespannten Konzentration verschwunden.
Der Mann hatte sich in seinem Versuch, Shanaya zu folgen, weiter von ihnen entfernt. Die Entfernung wiederum ließ die Details seiner Mimik verschwimmen. Josiah fluchte innerlich auf, während er die Augen zusammen kniff und nach vorne treten wollte, aber es war ohnehin vergebens. Der Abstand zwischen ihn und dem Mann war schlicht und ergreifend zu groß. Verärgert ließ Josiah seinen Blick raumgreifender über ihn gleiten, suchte nach weiteren Anzeichend dafür, dass der Mann vor ihnen log.
Er stellte sich als Matthew Flint vor, Sohn von Travis Flint, und rechtfertigte sie mit Monogrammen. Eine Geschichte, die Josiah weder widerlegen noch bestätigen konnte. Die Tuch- und Stoffgesellschaft hatte dann doch zu den Dingen gehört, die ihn hier am wenigsten interessiert hatten. Seine Kleidung und sein Gehabe sprachen natürlich dafür, dass er nicht aus armen Verhältnissen kam, aber seine vorherige Beobachtung hatte Josiah noch nicht vergessen.
Josiah wäre fast gewillt gewesen, dem Mann Glauben zu schenken. Zwar zweifelnd, und aus reiner Sicherheit immer noch misstrauisch, aber dennoch hätte er es weniger angezweifelt, dass er vielleicht doch die Wahrheit sprach. Bis er ihnen anbot, Leute auf den Dieb anzusetzen.
Der kleine Faden der Sicherheit zerriss kaum dass er gespannt worden war. Er schien von Shanaya angetan zu sein, und wäre sie alleine gewesen, wäre es vielleicht auch etwas sinniger gewesen, aber das hier… war etwas zu viel der Gastfreundlichkeit. Wenigstens für Josiahs Ermessen.
Josiah ließ seine Hand etwas weiter nach oben gleiten bis sie schließlich so ruhten, dass die Messer nur ein kleines Zucken seiner Finger entfernt waren. Der Mann verstummte endlich, trat einen Schritt zurück und sah hilfesuchend zu ihnen hinüber. Josiah erwiderte den Blick abweisend.
Liam erhob keinen Augenblick später die Stimme, und erleichtert stellte Josiah fest, dass der andere diesem Flint ebenfalls nicht traute und das Offensichtliche aussprach: Das hier war wahrscheinlich kein zufälliges „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“.
Das hier schrie viel zu sehr nach Falle. Nach „ich bin so nett, hilfsbereit und dazu nicht arm, lass mich dein Retter sein und dich noch etwas begleiten“, dessen Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit in dem Moment enden würde, wo er Zugriff auf eine größere Beute hatte, kaum dass man ihm den Rücken zuwandte. Wer würde es jemanden von Status auch zutrauen, eine Tat zu verhindern nur um eine andere zu begehen.
Der Mann hatte noch eine weitere Lektion, die er lernen durfte.
{bei Liam & Shanaya & Nathan | Seitengasse }