10.06.2020, 20:55
Farley ließ es sich äußerlich nicht anmerken, doch er war durchaus erleichtert, dass Elian sich dagegen entschied, der Schwarzhaarigen und ihren Kumpanen zu folgen. Ein bisschen Weisheit schien doch in dem jungen Burschen zu stecken, na immerhin. Das ersparte ihm einen miesepetrigen Tag – jedenfalls von dieser Seite aus. Der junge Dieb hob die Hand und klopfte dem anderen zufrieden auf die Schulter, bevor er mit einigem Abstand zu den anderen den Weg aus dem Bordell hinaus antrat, Elian im Schlepptau. Der Braunhaarige war sich zwar nicht ganz sicher, ob der junge Montrose verstanden hatte, dass er das mit dem Stehlen in diesem Fall ausnahmsweise nicht ernst gemeint hatte. Doch darüber musste er in diesem Moment nicht nachdenken. Wenn sie erst einmal aus dieser Hütte heraus waren und irgendetwas taten – irgendetwas – konnte er seinen jungen Freund noch immer darüber aufklären, dass er keineswegs vor hatte ihn zu einem unehrlichen Halunken zu machen, wie er selbst einer war.
Ohne ein Wort des weiteren Abschieds bogen die beiden Braunschopfe draußen in eine andere Richtung ab und überließen die anderen ihren kaputten Beinen und ihren Launen. Nur kurz nachdem das Bordell und die anderen außer Sicht waren, kam Farley die Luft sehr viel frischer vor. Er hatte kaum gemerkt, wie stickig ihm das Innere des Etablissements vorgekommen war. Befreit sog er hörbar die Luft durch die Nase ein und atmete genüsslich und lautstark durch den Mund wieder aus, bevor er einen zufriedenen Seufzer hinterherschickte.
„Ah, schon viel besser, nicht wahr?“
Nicht, dass er eine Antwort von Elian erwartete. Farley schob erneut die Hände in die Taschen seiner Leinenhose, bevor er sich umsah – nicht, ohne den jungen Mann neben sich hin und wieder verstohlen zu mustern. Der Montrose ließ sich kaum anmerken, wie es in seinem Inneren aussah. Vielleicht fiel es ihm sogar schwer das selbst zu sagen. Immerhin was das Erstere anging war er seinem Bruder nicht unähnlich. In jedem Fall aber ließ sich sagen, dass er grübelte – worüber konnte Farley sich durchaus denken. Allerdings würde er einen Teufel tun und Elian darauf ansprechen. Er durfte von selbst reden, wenn er das Bedürfnis verspürte. Wenn nicht – nun, der junge Dieb war wohl der Letzte, der sich über mangelndes Vertrauen ihm gegenüber beschweren würde oder könnte. Er war ein Dieb, ein Halunke und seit ihrer Kindheit waren viele Jahre vergangen. Wie viele wurde klar, als sein Gegenüber plötzlich aufblickte und ihn nach seinen Fingerfertigkeiten fragte. Farley blickte sich kurz um, bevor er antwortete und versicherte sich, dass die Menschen, die an ihnen vorbeigingen, auch ja mit anderen Sachen beschäftigt waren. Lauschende Ohren würden sie nur in Schwierigkeiten bringen.
„Irgendwie muss ein Mann seinen Unterhalt ja zusammen bekommen. Holz und ich, das war ja nie die große Liebe, wie du vielleicht weißt. Und wer auf sein Geld nicht aufpasst, hat es meist auch nicht anders verdient.“
Der junge Kleinkriminelle zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich kam das dem jungen Burschen falsch und unaufrichtig vor. War es wahrscheinlich auch. Aber natürlich war das nicht Farleys einzige... nun, Einkommensquelle. Leider waren seine etwas ehrenhafteren Handelsgeschäfte seit seiner Verhaftung zum Erliegen gekommen. Aber davon würde er Elian beizeiten noch erzählen – wenn sich der ganze Trubel ein wenig gelegt hatte.
"Abgesehen von deinen medizinischen Kenntnissen, die ja nun mehr oder weniger gewürdigt werden... wie hast du vor, deinen auf dem Schiff zu leisten?“
Der Braunhaarige hatte zumindest von den beiden Kapitänen nicht das Gefühl vermittelt bekommen, dass man unbedingt etwas von ihm erwartete. Dass er die Schulden für seine Rettung mit Geld beglichen hatte, war eher seinem eigenen Empfinden zu verdanken. Er stand nicht gern bei anderen in der Kreide. Bei anderen jedoch hatte er durchaus den Eindruck, dass sie es nicht duldeten, wenn man seinen Teil schuldig blieb. Die Schwarzhaarige war nur eine davon.
[In den Straßen - bei Elian]