29.05.2020, 17:36
Die beiden Fremden waren ein seltsames Gespann. Der eine, der auf ihn zeigte, wie ein Kind es getan hätte, der andere sehr darum bemüht, ganz der Adlige zu sein, der dumpf über die Straße blöckte wie ein Schaf. Gesindel. Pah! Gesindel waren sie doch selbst, die beiden Möchtegern-Piraten, die sie hoffentlich waren. Aik lehnte sich zurück und beobachtete, wie der Mann mit dem Bart zu ihm herüber kam. Er überlegte, ob er ihm in den Weg spucken sollte, so als Begrüßung. Um ihn Willkommen zu heißen natürlich.
Aber Aik tat es nicht. Es wäre dumm, sich mit den Piraten anzulegen - generell war es dumm, sich mit irgendwem anzulegen, nur weil ihm sein Gesicht nicht passte. Der Bettler war kein großer Kämpfer und noch dazu nicht betrunken genug, um seinen Frust über die Worte des Bärtigen deutlich zu machen. Weshalb hatte der es überhaupt darauf abgesehen, ihn zu beleidigen?
Natürlich war Aik das Schauspiel bewusst, dass die beiden eher schlecht als recht versuchten. Nicht verstehen tat er, dass die Worte des Piraten ebenso dazugehören könnten wie sein gerader Gang und die hinter den Rücken geklemmte Hand. Stattdessen empfand er das, was er sagte, als Meinung des Bärtigen selbst, und fühlte sich entsprechend angegriffen. Er sah die Arroganz des Piraten, nicht aber die Andeutung eines Lächelns, und setzte seinerseits eine grimmige Miene auf. Wenn diese Männer seine Hilfe nicht wertzuschätzen wussten, dann würde er ihnen eben nicht helfen. Wobei - nein, das ging auch nicht. Die Tarlenn waren im Spiel, und er hatte einen Auftrag bekommen, den er unbedingt erledigen musste.
"Man hat es schon versucht", knurrte Aik schließlich als Antwort, "aber Unkraut kommt immer wieder."
Der andere Typ war umso verwirrender. Er ... Er fragte, ob Aik Tee trank? Hatte der Mann nur Seewasser im Kopf? Der Bettler verstand nicht ganz, ob er sich über ihn lustig machte, oder das als ernste Frage gedacht war. Aber dieser Kerl strahlte eine Hemmungslosigkeit aus, die dem Bettler sympathisch war. Seine Frage nach dem Inhalt des Flachmanns beantwortete er trotzdem nicht.
Seine Laune hob sich, als dieser bartlosere Typ ihm eine Münze reichte. Endlich mal eine eindeutige Geste! Besonders, als Aiks Blick auf dessen Arm fiel. Oder genauer gesagt, auf das Tattoo, dass ihn so sicher als Tarlenn auswies wie eine offizielle Erklärung es getan hätte. Schön! Ja, ganz wundervoll sogar. Aik klaubte die Münze aus seiner Hand und biss darauf, um sich zu vergewissern, dass sie real war.
"Hrmpf", brummte er dann, "Das hier ist kein guter Ort, um zu warten." So groß waren seine Bedenken noch nicht, denn die Bewohner der umliegenden Häuser schliefen für gewöhnlich noch eine ganze Weile, und auch das Mädchen von eben würde nicht allzu bald zurückkehren. Aber es war definitiv keine gute Idee, hier lange herum zu trödeln.
Die Aussicht darauf, dass generell noch weitere Unterstützung kam, befand Aik hingegen als sehr gut. Und den Plan, einfach zu läuten, als sehr sehr dämlich. Der Bettler starrte den Tarlenn erschrocken an.
"Auf keinen Fall!", blaffte er, während er nach dem Arm des Mannes langte, um ihn von Dummheiten abzuhalten. Auf halbem Weg entschied er sich jedoch wieder um zuckte stattdessen zurück. Sicherlich würde der Pirat ihm die Hand abschneiden, wenn er ihn einfach berührte.
Die ganze Sache wurde Aik immer suspekter. Ein mieser Kerl und einer, der leichtfertiger nicht sein könnte. Seine Aufgabe war es doch nur, sicher zu gehen, dass diese Piraten dem Hausherren einen Besuch abstatteten, nicht wahr? Er blickte von einem der Männer zum anderen, während er die Münze in seinem Mantel verschwinden ließ.
"Wenn wir Freunde sind, dann erzähle ich euch gern eine kleine Geschichte. Über die ... Teeparty." Aik ging davon aus, dass das ein Tarnwort war, mit dem die Piraten ihr Vorhaben beschrieben. Je zügiger sie hier voran kamen, desto schneller konnte er sich seinem Flachmann widmen. Und jetzt, da er sich sicher war, welche Gesinnung die Beiden hatten, gab es keine Zeit mehr zu verlieren.