30.04.2020, 13:52
Liam lauschte auf, als Shanaya ihn auf eine Tatsache aufmerksam machte, die ihm auch jetzt nicht wirklich bewusst gewesen war. Ein wenig verdutzt blinzelte er sie an, während er angestrengt versuchte, sich daran zu erinnern, weshalb ihm diese Aussage so bekannt vorkam – nicht, weil ihn irgendjemand irgendwann einmal darauf angesprochen hatte, sondern weil die Erinnerung sich so frisch anfühlte, als wäre es erst in den letzten Tagen – oder eher Wochen – gewesen. Letztlich blieb aber nur ein Schluss über, denn außer Skadi gegenüber, hatte er nie einen Grund gehabt, darüber zu reden. Es war nicht so, dass er das Thema absichtlich mied, wirklich nicht. Umso überraschter war er, dass es dem ein oder anderen so vorkam. Und Shanya wusste nicht, dass er genügend Gründe gehabt hätte, nicht darüber zu reden, wenn er denn gewollt hätte. Der Lockenkopf zuckte unschlüssig mit der Schulter und lächelte wieder, nachdem der Ausdruck auf seinen Zügen zeitweise etwas nachdenklicher geworden war.
„Naja, weshalb auch?“, fragte er. „Auf der Sphinx rennt sonst auch niemand herum, um von seiner Mutter zu erzählen. Also… Abgesehen von Trevor nachdem wir Milúi verlassen hatten.“
Insgesamt hielt sich das persönliche Interesse der meisten auf der Sphinx ohnehin im Hintergrund. Ein zusammengewürfelter Haufen eben, der zum Teil aus recht schwierigen Persönlichkeiten bestand, die sich – an dieser Stelle dachte er an Josiah – recht schwer mit der Sozialkompetenz taten. Entweder, weil sie es nie gelernt hatten (der Apfel fiel eben doch nicht immer weit vom Stamm) oder es hartnäckig verlernen wollten. Die Gespräche mit denen, die ihm näher standen, waren oftmals eine erfrischende Abwechslung zu all den schweigenden Arbeiten, die nebeneinander stattfanden. Auch, wenn er gerne mal seine Ruhe genoss und seinen Gedanken nachhing – er war und blieb eher der gesellige Typ Mensch. Abgesehen von Ausnahmesituationen – so wie die letzten Tage.
„Könnte ich.“, schmunzelte er der Dunkelhaarigen entgegen. „Ich fürchte allerdings, das habe ich mir ganz alleine zuzuschreiben. Aber solange ihr mich nicht fesselt und knebelt, ist es ja keine Entscheidung fürs Leben.“
Er wirkte nicht unzufrieden mit seiner Situation und er rechnete damit, dass Shanaya durchaus wusste, dass er ansonsten längst wieder seinen eigenen Weg eingeschlagen hätte. Was sie nicht ahnte, war, dass das möglicherweise inzwischen ausgesetzte Kopfgeld auf sie seine Pläne ein bisschen beeinträchtigte. Vermutlich machte sie sich darüber nicht einmal Gedanken. Vielleicht war sie sogar ein bisschen stolz darauf, dass man sie für Geld suchen ließ und somit überall von ihren Taten berichtet wurde. Liam war da anders. Vermutlich anders als ein Großteil der Crew, für die so etwas wie ‚Kopfgeld‘ nichts neues mehr war. Was die Dunkelhaarige dann berichtete, glaubte Liam ihr ohne zu zögern.
„Bestens aufs Leben vorbereitet also.“, urteilte er nach kurzem Schweigen. „Warst du schon mal in einer von ihnen? Deine Eltern haben doch sicherlich Kontakte in allerlei Winkel dieser Erde. Und Yvenes liegt doch eigentlich recht günstig für einen kurzen Ausflug in die zweite Welt.“