18.04.2020, 14:13
Elian hob lediglich die Augenbrauen, als Shanaya ihm versicherte, sie habe schon Schlimmeres durchgemacht als ein Bein zu verlieren. Er wusste zu wenig über ihren Hintergrund, um das felsenfest anzuzweifeln und zu viel über den Schmerz von Verlusten, um zu denken, dass körperliche Versehrtheit die einzige Form von Schmerz war, die man erleben konnte.
"Es ist dein Bein und dein Leben."
Für ihn war die Diskussion damit beendet. Wenn sie aus lauter Ungeduld riskieren wollte, dass ihre Verletzung sich wieder verschlimmerte, sollte es ihm recht sein. Würde er ihr im Nachhinein helfen, sollte sie sich - Göttin behüte - eine so schlimme Entzündung zuziehen, dass es amputiert werden musste, oder sie Gregorys Anfängertum und damit ziemlich sicher dem Tod überantworten?
Ein kleiner Teil von ihm wollte diese Frage beantworten mit 'das kommt darauf an, wie viele dumme Sprüche sie noch raushaut', aber das stimmte nicht. Elian musste sich nur das enttäuschte Gesicht von Taranis vorstellen um zu wissen, dass er - egal wie wütend er noch wurde - es nie zulassen würde, ein so schlechter Mensch zu werden. Taranis, wo auch immer er jetzt war, würde es wissen. Aspen würde es wissen. Sie beide erwarteten Besseres von ihm, und er schuldete ihnen genug, um nach einem gewissen Kodex zu leben.
Er zögerte. Wollte er ihr wirklich dabei zusehen, wie sie ihre gerade erst auf dem Weg der Besserung befindliche Gesundheit ruinierte?
Vermutlich war es besser wenn er es tat. Im Zweifelsfall wäre er direkt zur Stelle. Auch wenn die Aussicht auf womöglich einen ganzen Tag mit Shanaya jetzt schon schmerzhaft klang... vermutlich hatte Liam recht. Ein Tapetenwechsel... nichts konnte schlimmer sein als nur hier herum zu hocken und Däumchen zu drehen. Er nickte Liam also knapp zu, um die Einladung anzunehmen, und öffnete die Tür. Ein lauter Knall, und dann mehrere Flüche tönten ihm von der anderen Seite entgegen. Ehe Elian jedoch besorgt nach draußen spitzen konnte, wen er da erwischt hatte, schob sich schon Shanaya an ihm vorbei. Elian ging geistig durch, welche Knochensäge und wie viel Nahtzeug, Alkohol und Kräuter er noch besorgen musste, ehe sie wieder in See stechen würden, und ließ sie passieren.
Elian trat nun seinerseits auf den Flur, erkannte den unglücklichen Josiah und kurz dahinter Farley, der sich mit einer Frage an ihn wandte.
"Keine Ahnung wo sie hin will, und nicht das Gefühl, dass meine Meinung sie auch nur ansatzweise interessiert. Mein Vorschlag wäre, in Sichtweite einer Tischlerei zu bleiben, falls wir spontan ein Holzbein brauchen," antwortete er trocken.
"Bei dir alles in Ordnung?"
Er wandte sich damit an Josiah, von dem er außer einem Knall und Flüchen noch nichts gehört hatte.
"Hat ja einen ordentlichen Schlag getan..."
[Mit Shanny, Liam, Josiah und Farley vor Shannys Zimmer im Bordell]