09.04.2020, 19:57
Es war so die Eigenart von Bordellen, dass sie schier nie zur Ruhe zu kamen. Die teureren Preise, den diese Frauen hier erhielten, schien daran nichts zu ändern: denn auch die Menschen, die sich dies leisten konnten, schienen sich von den späten Uhrzeiten kaum beeindrucken zu lassen: immer wieder waren Nachts Türen gegangen, Menschen den Gang entlang gelaufen – manche lauter, manche leiser -, und auch die typischen Geräusche, den Menschen beim Beischlaf so von sich gaben, hatten die Wände nicht ganz verschlucken können.
Wäre es nur der Beischlaf gewesen, hätte Josiah das ganze kaum als „störend“ betrachtet. Die Geräusche konnte er gut ignorieren. Auch die Lautstärke war egal – wann hatte man in den jetzigen Zeiten schon den Luxus, tatsächlich in Ruhe und Stille einzuschlafen?
Aber die Schritte. Die Schritte, die ständig an seiner Tür vorbei gingen. So harmlos - soweit man einen Besuch in einem Bordell als harmlos betrachten konnte – und ungefährlich.
Und doch schafften sie es, Josiah jedesmal aus seinem ohnehin schon leichten Schlaf zu reißen, kaum war er eingenickt.
In der Nacht des zweiten Tages hatte er schließlich aufgegeben und war am Mittag in die Stadt gezogen um mit einem Buch zurück zu kommen. Die Angestellten des Bordells waren zwar etwas verwundert über seine Nachfrage nach mehr Öl für die Lampe gewesen, hatten es dann aber doch bereitwillig herausgegeben. Zu dem Buch hatte sich schnell eine Pfeife gesellt und seitdem machte es sich Josiah jeden Abend, wenn der Schlaf nicht kommen wollte in einen Stuhl am Fenster bequem und las, bis ihm die Augen von selber zufielen. Als ihn ein unruhiger Schlaf diese Nacht endlich übermannt hatte war die Sonne schon kurz davor gewesen, über den Horizont zu treten.
Jetzt stand Josiah am Fenster, genoss den noch frischen Wind und rieb sich seinen schmerzenden Nacken – die Kosten für seine aktuellen Schlafgewohnheiten. Obwohl sein Schlaf so kurz gewesen war, fühlte er sich wach und ausgeruht. Bereit, für einen aktiven Tag.
Nur, dass der Tag – so wie auch die anderen zuvor – nicht versprach, Arbeit oder Abwechslung zu bieten. Josiah seufzte innerlich als er sich abwandte, das Fenster schloss und auf den Weg nach draußen seine Messer einsammelte. Er war selber überrascht, wie wenig er sich hier tatsächlich entspannen konnte. Wie er einerseits gelangweilt war, und sein routiniertes Aufmerksamsein in dieser doch sehr friedlichen Umgebung anfing, nach Gespenstern zu suchen. Nicht, dass die anderen davon etwas mitbekamen: nach außen hin war er ruhig wie eh und je. Ruhig, entspannt und gefasst. Mit kurzen Griffen versicherte er sich noch, dass sein Zimmer verriegelt war, ehe er sich abwandte und seine Reise antrat.
Obwohl es so früh war, waren aus dem ein oder anderen Raum, den er passierte, Stimmen zu hören. Josiah legte einen Schritt zu, während er sie ausblendete. Und dann, weil er ja ohnehin schon zügig unterwegs war, legte er noch etwas mehr an Tempo drauf, bis er, wenn er noch schneller gehen wollte, unweigerlich hätte anfangen müssen, zu laufen.
Das aber war sein Ziel für draußen. Laufen gehen, wie jeden morgen. Seine Ausdauer weiterhin auf Trab halten. Das war einer der Vorzüge vom Landgang: ein gezieltes Training war bedeutend einfacher zu bewerkstelligen, wenn man nicht auf den Raum eines Bootes begrenzt war. Wäre da nicht…
Die Tür, die plötzlich vor Josiah auftauchte, machte seinen Gedanken ein jähes Ende. Noch versuchte er, ihr auszuweichen, doch sein eigener Schwung machte ihm ein Strich durch die Rechnung: mit einem deutlich hörbaren Wumms machte sein Körper Bekanntschaft mit der Tür. Josiah fluchte auf. Intuitiv war seine Hand zur Seite geschossen, um die Tür daran zu hindern, in das Gesicht des anderen zu fliegen, der ja dahinter stehen musste, hatte dabei aber vor allem unsanft Bekanntschaft mit der Unterseite des Griffes gemacht. Für einen kurzen Moment war sich Josiah nicht sicher, ob ihn sein Kopf oder seine Hand mehr schmerzte.
Erneut fluchte er, sich gedanklich selber verspottend: Soviel zum ‚routinierten Aufmerksamsein‘, Trottel.
{ Bordell | hinter der Tür bei Elian, Liam und Shanaya }