06.04.2020, 12:38
Greo lief brav in seiner kleinen Herde mit, hielt den Mund und beobachtete ruhig, was um ihn herum passierte. Er war froh, zur Werft gehen zu können und Abstand zwischen sich und dieses komische Bordell zu bekommen. Zugegeben, es schlief sich gut auf dem gepolsterten Boden und es gab vernünftiges Essen, aber das war auch schon alles, womit er was anfangen konnte. Er fühlte sich festgesetzt und das missfiel ihm. Er wollte weiter zur nächsten Insel. Die Passivität widerte ihn an. Passivität war gefährlich, in mehrfacher Hinsicht.
Umso gespannter war er, was für Fortschritte die Sphinx machte und was noch anstand. So marschierte er auf ihr gemeinsames Ziel zu, in Erwartung, endlich positive Nachrichten zu bekommen. Er hielt sich dabei lieber hinter der Gruppe und in einem Sicherheitsabstand zu Enrique, der nicht weit genug war, um als unhöflich deklariert zu werden, aber genügte, um Greo das Gefühl zu geben, die für ihn noch sichtbare Aura von Marine nicht zu berühren.
Kaum betraten sie die Werft, rieselte Geschäftigkeit auf sie ein. Das mochte er. Zufrieden streifte sein Blick über die verschiedensten Gerätschaften und er spürte ein Prickeln in den Fingerspitzen, die am liebsten nach dem nächstbesten Hobel gegriffen und sich eine Holzleiste vorgenommen hätten. Soweit sollte es aber nicht kommen. Er war so abgelenkt, dass er nicht wirklich erfasste, was vor ihm passierte. Lediglich ein Kribbeln streifte seinen Nacken, als Skadis Hand seine Schulter berührte und er winkelte die Arme an, als sei er im Begriff, zu einem Schlag mit dem Ellbogen anzusetzen. Er sah sie kurz an, dann wurde sein Blick weich. Er wusste ja, dass das keine Absicht war. Aber unerwartete Berührungen lösten seit dem Überfall auf die Sphinx eine noch größere innere Unruhe aus, als das vorher schon oft der Fall gewesen war. Eine konfuse Panik schien in seiner Brust zu keimen, die nachts wieder und wieder von abstrusen Träumen gespeist wurde. Er musste sich bewusst zurechtrufen, dass das verworrene Erinnerungen waren, die ihm einen Streich spielten. Das war nicht real. Nicht real. Nicht real.
Er fokussierte auf die Ereignisse um die weinerliche Tante, weitete überrascht die Augen ob des Handgemenges und wurde starr, als er die Person am Boden liegen sah. Der Anblick weckte unangenehme Assoziationen. Hatte er sich eben nicht noch gesagt, dass das alles nicht real war? Diese Szenerie schien ihm aber nur allzu vertraut. Unwillkürlich hatte er ein flaues Übelkeitsgefühl im Hals stecken, was nichts mit dem Blut zu tun hatte. Kurz darauf merkte er jedoch, wie sich innerlich etwas distanzierte. Er kappte die Emotionen plötzlich ab, als hätte er sie mit Gewalt in eine Truhe gezwungen und diese abgeschlossen. Wahrscheinlich war das nichts anderes als ein Schutzmechanismus. Greo verfolgte die Ereignisse mit stiller Zurückhaltung, guckte dann aber Enrique, der die Hysterische zu beruhigen versuchte, mit höchst interessiert hochgezogenen Brauen an.
Wir kümmern uns? Wer war denn jetzt wir? Er hatte eigentlich kein sonderliches Verlangen danach, sich in anderer Leute Mord und Totschlag einzumischen. Er wollte nur das Schiff zurückhaben und wieder seiner Tätigkeit nachgehen. Fast beruhigt registrierte er, dass auch Skadi eher unbeteiligt und unwillig schien, groß in Aktion zu treten. Greos Blick fiel schließlich nach Hilfe fragend auf Talin, die ja letztlich als Kapitänin zu entscheiden hatte, ob sie sich diesen Klotz noch zusätzlich ans Bein banden oder eben nicht.
„Hat der an der Sphinx gearbeitet?“,
fragte er Richtung Werftinhaber und nickte zu dem Toten runter. Sollte der nichts mit ihrem Schiff zu schaffen haben, ging es sie doch ohnehin nichts an.
[Werft | Talin, Enrique, Skadi, Jonah und Alex]