19.06.2016, 08:32
Normale Menschen hätten sich nun furchtbar aufgeregt, dass sie so mit Kerzen um sich trat. Hätten ihr vielleicht eine Moralpredigt gehalten. Aber dieser Kerl mit dem Hut, über den er nun wieder die Hände schlug, schien... nicht normal zu sein. Die Kerze traf genau ihr Ziel – und die Reaktion... blieb aus. Er zuckte nicht. Kein böser Blick, kein Tadel. Er blieb die Ruhe selbst und hatte damit eindeutig einen Test bestanden, dem er gerade unterzogen worden war. Tiefenentspannt. Und der Fremde schien da auch nicht viel zu sagen zu haben. Sollte ihr Recht sein, sie warf Greo nur ein kurzes Grinsen zu. Der Fremde mit der Maske sprach wieder und die hellblauen Augen richteten sich auf ihn, eine Augenbraue leicht angehoben. So. Er suchte also die Crew. Die, mit der Frau als Captain. Er sprach die Gerüchte an und Shanaya konnte sich ein Lächeln damit nicht verkneifen. Greo antwortete dem Dunkelhaarigen, der inzwischen sein Gesicht enthüllt hatte. Eine Narbe, ein nicht intaktes Auge. Immerhin schien da jemand Kampferfahrung zu haben. Oder war zu langsam zum wegrennen.
„Die Gerüchte stimmen und wie der Große mit dem Hut sagt, sind wir gerade auf dem Weg zu besagter Frau.“
Viel weiter kam sie nicht, da ein Blondschopf in ihr Blickfeld trat, der ein tiefes Seufzen über ihre Lippen dringen ließ. Aspen hatte etwas von einer Glucke. Überbehütend. Vielleicht ein Beschützerinstinkt, den er jahrelang unterdrückt hatte, weil Bäume schwer zu beschützen waren? Dafür aber vermutlich pflegeleichter als die zwei Frauen, mit denen er sich herumschlagen musste.
Aber was der Blonde sagte, weckte tatsächlich ihre Aufmerksamkeit. Besagten Captain hatte er gerade bestohlen? Prüfend glitt der blaue Blick zum Hinterausgang, Aspens blondem Kopf folgte aber kein zweiter. Mehr sagte Aspen dazu jedoch nicht. Und das wunderte die Schwarzhaarige nicht. Das konnte ja möglicherweise zu einer kleinen Diskussion führen. Oder noch schlimmer – zu Blutvergießen. Und wenn es nicht um seinen Vater ging, tat das verwöhnte Montrose-Söhnchen sich ja ein wenig schwer. Das wusste sie ja bereits. Aspen wandte sich auch schon an sie, seine Worte ließen sie kurz grinsen, aber mit einem kurzen Blick zu Greo – der weiterhin unglücklich aussah, was sicher Nichts mit der Kerze zu tun hatte – trat die Schwarzhaarige vor, sprach ohne Aspen anzublicken.
„Talin habe ich vermisst. Bei dir... dich hätte ich fast vergessen. Tut mir Leid.“
Das hatte sie sich bei solch einer Vorlage nicht verkneifen können. Was spielte er ihr den Ball auch immer so gut zu? Gerade hatte Shanaya mit einem weiteren Schritt die Tischkante erreicht, gab Greo einen Satz von sich, den sie nicht verstand – aber er schien Aspen zu kennen.
„Ihr kennt euch, dann könnt ihr ja zusammen zu Talin gehen. Und ich kläre das hier.“
Die ganze Zeit hatten die blauen Augen auf dem Fremden geruht. Hatte ihn nach Waffen abgesucht, nach Talins Besitz. Das musste ihm jetzt natürlich furchtbar unangenehm sein. Die Schwarzhaarige machte einen kleinen Satz, sprang vom Tisch und stand mit einem weiteren Schritt direkt vor Aspen. Die Arme hingen locker hinab, waren jedoch auf alles gefasst. Auf einen Angriff, darauf, dass er versuchen würde, auch sie zu bestehlen. Eine Hand in der Nähe ihrer Tasche und er musste sich nach etwas anderem als einer Hand umsehen. Direkt vor dem Fremden blieb sie stehen, das Lächeln wirkte inzwischen ein wenig kühl. Greos flehender Blick entging ihr dabei jedoch, auch wenn sie seine... hoffnungsvollen Worte wahrnahm. Auch zu Sineca blickte sie nicht zurück. Inzwischen galt ihre Aufmerksamkeit ganz dem Narbenauge.
„Das ist jetzt natürlich Pech, dass du einen Captain bestiehlst, bei dem du eigentlich anscheinend anheuern willst. Nicht dein Tag, hm? Ich bin so gut und gebe dir ein paar Möglichkeiten. Du gibst mir das Gold, und ich wäre großherzig bereit, das vielleicht irgendwie zu vergessen. Ich kann mir das, was du ihr gestohlen hast, aber auch gern selbst zurück holen. Wähle weise, eine zweite Chance hast du nicht.“
Der herausfordernde, blaue Blick ruhte unablässig auf dem Dunkelhaarigen. Sie fand es beinahe amüsant. Jemanden zu suchen, den man gerade bestohlen hatte... da schien jemand schlechtes Karma zu haben.
[Schenke - Ryan, Greo, Aspen]