09.03.2020, 22:28
Liam hatte offensichtlich Probleme damit ihr verstecktes Kompliment anzunehmen. Faselte irgendetwas von „fehlgeleiteter Intuition“ und einer vollkommen gegensätzlichen Realität der Dinge. Doch Skadi zuckte daraufhin nur mit den Schultern. Es lag nicht an ihr, ihn eines besseren zu belehren und ihn davon zu überzeugen, dass seine verklärte Sicht vielleicht so einige hasenfüßige Frauenherzen gebrochen hatte. Letztlich konnte er tun und denken was er wollte. Umhin war ihre Zeit auf der Sphinx befristet. Was brachte es ihr also, über seine Vergangenheit zu philosophieren. „Naaaaaah... ich weiß schon ganz gut, wo meine Komplimente hingehören.“ Rügte sie ihn liebevoll und setzte einen ausladenden Sprung in den hellen Sand hinab, dessen Schimmer bereits Minutenlang durch vereinzelte Lücken im Dickicht zu sehen gewesen war. „Ähm... hast du eigentlich irgendwo ein Beiboot versteckt oder müssen wir auf Nachzügler warten?“ Erneut wandte sich der schmale Körper der Nordskov herum. Taumelte. Tänzelte dann verspielt durch den Sand und ließ sich der Länge nach auf den Rücken fallen. „Puuuuh... hatte für einen Moment vollkommen vergessen, dass wir ja an keinem Hafen stehen.“
„Und ich soll entwaffnend sein.“, lachte er, kaum dass er aufgebend die Handflächen gehoben hatte, um Skadis Entschlossenheit anzuerkennen, während sie die letzten Wurzelausläufer überwand und vom Pfad aus in den warmen Sand des Strandes sprang. Er selbst hielt an einem der letzten Bäume inne, streifte sich die Schuhe von den Füßen und befestigte sie mit den Schnürsenkeln an seinem Gürtel, ehe er mit der Rechten einen tiefhängenden Ast aus dem Weg schob und hinaus unter freien Himmel trat. Er hatte ihre Frage durchaus vernommen, genoss aber erst einen flüchtigen Moment die angenehme Briese, die sie erfasste, bis ihn ein dumpfes Geräusch Ausschau nach Skadi halten ließ, die sich mittlerweile in den Sand fallen gelassen hatte. Ein entspanntes Lächeln galt ihr, während er kurz den Kopf im Nacken kreisen ließ und schließlich in ihre Richtung trat. „Jep. Wir müssen es nur finden.“ Langsam wanderte sein Blick wieder von ihrer Gestalt hinauf über den Strand. Seine Stirn legte sich kurz in Falten, während er zu eruieren versuchte, wo genau er das Beiboot in die Büsche gezogen hatte. Und während er eben vermutlich so geklungen hatte, als wäre es etwas Selbstverständliches, dass er sich eines der Boote zur Sicherheit selbst zur Seite geschafft hatte, war er innerlich ganz froh, dass er ausgerechnet heute daran gedacht hatte, wo er nicht alleine zu Sphinx zurückkehrte. Das Problem war nun nur, dass besonders nachts sämtliche Büsche recht gleich aussahen. Aber er glaubte, einen der Felsen wiederzuerkennen, dessen Schatten sich markant in einiger Entfernung aus dem hellen Sand erhob.
Dort irgendwo würden sie schon fündig werden. Und selbst wenn nicht, würde er es ziemlich gelassen nehmen. Mit einem tiefen Atemzug kam er neben Skadi zum Stehen und gönnte sich einen ausgiebigen Blick über das ruhige Meer, in dessen Oberfläche sich funkelnd Sterne und Mond spiegelten. „Ich fürchte, auf den Luxus, im Hafen anzulegen, müssen wir erstmal eine Zeit lang verzichten. Aber ein Spaziergang hat bislang noch niemandem geschadet. Vor allem nicht an so einem Abend.“ Und zudem war es ganz praktisch, ein bisschen des Alkohols abzubauen, bevor man sich wieder auf ein schwankendes Schiff begab. „Und bei so einer Gesellschaft…“, fügte er bedeutungsschwer an und schenkte der Frau an seiner Seite ein vielsagendes Grinsen. Ob sie erkannte, dass er lediglich auf ihr fraglich passendes Kompliment anspielte?
Wenigstens einer von ihnen hatte an ein Überfahrt taugliches Gefährt gedacht. Vorausgesetzt man glaubte, dass die Nordskov in dieser Nacht überhaupt hatte zurückkehren wollen. Ohne den Musiker wäre das wohl bis zum nächsten Morgengrauen Wunschdenken geblieben. Musste sie ihm daher dankbar sein, dass er sie abgelenkt hatte? Dass er den Grund ihres Ausflugs in den Hintergrund gerückt hatte? Mmh, vielleicht. „So viel Optimismus.“ Seine Worte brachten sie zum Schmunzeln. Nicht, dass es etwas schlechtes war. Jemand mit positiver Grundeinstellung hielt die Laune des Teams gern mal aufrecht. Doch ob ein Spaziergang jetzt das Gelbe vom Ei war? Ihre Beine weigerten sich zumindest für den Moment, weshalb sie sich lediglich in einem Schneidersitzt aufrichtete und mit erhobenem Blick zum Lockenkopf hinauf sah. Amüsiert schnaubte, kaum dass er fortfuhr und die dunklen Augen aufs Meer richtete.
„Stimmt... bei so einer Gesellschaft ist nen Spaziergang von Vorteil.“ Um sie sich vom Hals zu halten, versteht sich. Gab sie ihm mit einem Augenzwinkern zu verstehen, ehe sich der schmale Körper voraus kippen ließ und mit einem leichten Schwindel hinter der braun gebrannten Stirn aufrichtete. „So...“ Geräuschvoll klopfte Skadi die Hände gegeneinander, um sie von hellen Sandkörnern zu befreien. „Wo ankert dein treues Gefährt?“
Dem Sarkasmus in ihrer Stimme begegnete er unbeeindruckt und zuckte gut gelaunt mit der Schulter. Er jedenfalls genoss derartige Spaziergänge, unabhängig von Ziel oder Begleitung. Es gab kaum etwas, was einen benebelten Verstand wieder in kontrolliertere Bahnen lenkte, die Euphorie dabei allerdings aufrecht erhielt. Indes schien sich die Nordskov von ihrem kleinen Spaziergang durch den Wald erholt zu haben und war bereit, auch den Rest des Weges hinter sich zu bringen. „Dort hinten bei den Felsen. Wenn keiner der anderen zufällig darüber gestolpert ist und sich im Rausch über die plötzliche Fahrkarte zur Sphinx gefreut hat.“ Möglich war alles und er hätte niemandem eine böse Absicht unterstellt. Vermutlich hätte er sich ebenso über ein unverhofftes Boot gefreut, wenn ihm sonst nur die Nacht unter freiem Himmel geblieben wäre. „Was ist eigentlich mit dir? Hattest du überhaupt vor, zurück zu gehen oder wie wolltest du zurück zum Schiff?“, kam ihm plötzlich der Gedanke. Und die hätte ihn alles glauben lassen können, was sie wollte. Liam legte nicht sonderlich viel wert darauf, die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Missbrauchst du mich auch nur als Fahrkarte zurück zum Schiff?“
„Das wäre ungünstig, aber kein Weltuntergang.“ Nicht das Liam das behauptet hätte, doch wollte sie es zumindest einmal ausgesprochen haben. Daran ändern ließe sich ohnehin nichts. Und je weiter sie durch den Sand stapfte und die Arme für mehr Balance zur Seite streckte, desto weiter entfernte sich das angepriesene Versteck. Alkohol war schon eine verrückte Sache. Zurück zum Schiff. Nein. Das war ihr wahrlich nicht in den Sinn gekommen. Doch würde sie ihm das wohl kaum unter die Nase reiben – nachher begann er noch unangenehme Fragen zu stellen, für die sie ihn höchst wahrscheinlich niederringen musste. Seine letzte Frage hinterließ allerdings ein zuckersüßes Grinsen auf ihren Lippen. Wandte die dunklen Augen funkelnd zu ihm herum und fast schien es, als heckte sie etwas Unausstehliches in ihrem Kopf aus. „Missbrauchen? Auch?“ Dann durchdrang amüsiertes Gelächter die Stille und zwang die Nordskov regelrecht sich mit einer Hand an Liams Schulter abzustützen. „Pf… Also erstmal… wenn ich dich missbrauchen wollte, dann nicht für eine Überfahrt aufs Schiff.” Grinsend stieß sie sich von ihm ab, tänzelte mit erhöhtem Tempo voraus und wandte sich in einer flinken Drehung auf den Zehenspitzen herum. Mit direktem Blick in das lockige Antlitz des Älteren. „Und außerdem… was heißt auch? Wurde unserem Romeo etwa bereits das Herz von einer holden Maid gebrochen, die ihn nur für ein lustige Schifffahrt ausgenutzt hat?“ Skeptisch schnippte eine der dichten Augenbrauen hinauf.
Ihre Ansicht der Dinge gefiel ihm. Anders hätte er es womöglich auch nicht beschrieben, ganz davon abgesehen, dass er seine Bereitschaft, unter freiem Himmel zu schlafen, bereits ausgesprochen hatte. Die Möglichkeit, dass sie sich tatsächlich nach einer anderen Unterkunft umsehen mussten, bestand allerdings weiterhin, denn so interessiert Skadi auch bei ihrer Frage gewirkt hatte, so belanglos nahm sie seine Antwort zur Kenntnis und schlenderte gut gelaunt durch den Sand in die andere Richtung. Und Liam – nicht minder im Bann des Alkohols – folgte ihr, ohne sich auch nur eine Sekunde über den Pfad zu wundern. Der warme Sand schmiegte sich angenehm an seine blanken Füße und die salze Briese verwischte den Geruch von Alkohol und Urin, der die Straßen Miluis mancherorts erfüllt hatte. Er genoss das Rauschen der Wellen und gleichsam auch den Anblick der Frau, die leichtfüßig über den dunklen Strand tänzelte und seine beiläufige Frage mit einem schelmischen Funkeln erwiderte, dass er in der Dunkelheit zwar nicht sehen, aber erahnen konnte. Ein amüsiertes Schnauben untermalte seine Überraschung darüber, dass sie offensichtlich besser auf seine Worte achtete, als er es selbst tat, ehe sich seine Augenbrauen überrascht in die Höhe zogen. Sie ließ Platz für Interpretation, doch der Schelm auf ihren feinen Gesichtszügen zeigte eine recht klare Richtung. „Sondern für ein Tänzchen unter’m Sternenhimmel, das hatten wir ja schon.“, erwiderte er dennoch möglichst ahnungslos und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
So, wie Skadi sich gerade gab, fiel es ihm schwer, zu glauben, dass sie die gleiche wie auf dem Schiff war. Doch ob es nun allein die Wirkung des Alkohols war oder mehr dahinter steckte – darüber konnte er sich auch noch einen anderen Tag Gedanken machen, wenn es eine Rolle spielte. Als die junge Frau fortfuhr, lächelte der Lockenkopf ihr selbstzufrieden entgegen und tat ihre Vermutung mit einem kurzen Laut ab, der keine klare Antwort vermuten ließ. „So interessiert daran?“, fragte er stattdessen und schlenderte schweigend weiter voraus. „Glaub mir, dazu würde mehr gehören als bloßer Egoismus. Immerhin müssen wir doch alle sehen, wo wir bleiben. Außerdem trennten sich meine Wege bislang meistens am nächsten Hafen wieder von einem Schiff. Vermutlich bin ich also derjenige, der die Leute für eine Überfahrt missbraucht.“ Liam lachte und wandte sich herum, um Skadi abermals in Augenschein zu nehmen, bis seine Füße schließlich das kühle Meerwasser zu spüren bekamen. Er liebte es, im nassen Sand zu spazieren.
Touché. Ein Tänzchen hatte sie tatsächlich von ihm verlangt. Oder doch vielmehr dazu hinreißen lassen? Seit wann drehte sich die Welt plötzlich so leichtfüßig vor ihrer Nase? Das war doch bis vor wenigen Augenblicken noch nicht so gewesen. Aber was der Lockenkopf sagte, ergab in ihren wirren Gedanken genug Sinn, dass sie mit einem lauten „AHA!“ darauf reagierte und ihm vollkommen ungeniert mit der flachen Hand gegen die Brust schlug. Oder es zumindest versuchte. „Also bist du hier derjenige, der MICH für eine gute Gesellschaft missbraucht.“ Es klang so lächerlich in ihren Ohren, dass sie zu glucksen begann und ob der plötzlichen Nässe an ihren Füßen hibbelig zur Seite sprang. Wo kam denn das auf einmal her? „Ich glaub wir sind hier falsch.“
Unvorbereitet wie er war, ließ der triumphierende Schlag der Nordskov die Luft aus seinen Lungen entweichen. Liam brauchte einen Augenblick, bis er dem folgen konnte, was sie herausgefunden glaubte, aber zum Glück half ihm die Dunkelhaarige dabei ziemlich rasch auf die Sprünge. Liams Stirn legte sich kurz in Falten, doch ihre Argumentation machte Sinn. Sie gluckste und das Grinsen auf den Zügen des Musikers wurde wieder einen Hauch breiter. „… Na, du siehst jedenfalls nicht unglücklich darüber aus, dass ich dich ob deiner Gesellschaft ‚missbrauche‘.“, schloss er gutmütig und lachte, als sie überrascht zur Seite sprang. „Ich nicht.“ Liam machte noch einige Schritte rückwärts am Saum der Wellen entlang, ehe er sich herumwandte und der Linie folgte, die das Meer in den Sand malte.
Wenn sich missbrauchen immer so anfühlen würde, könnte sie sich daran gewöhnen. Und sie kannte sehr wohl die andere Seite. Ihr Lächeln ebbte jäh zu einem sanften Schmunzeln ab, verschwand sogar, kaum dass sie zur Seite gesprungen war. Etwas verdattert blickte sie dem Lockenkopf hinterher, der vollkommen unbeeindruckt voran schritt und die kleinen glitzernden Wellen ignorierte, die gegen seine Knöchel schwappten. „Ts.“ War ja klar, dass er das sagte. Schmollend verzogen sich ihre vollen Lippen. Und erst als sich ein tiefer Atemzug durch ihre Lungen ergoss, lösten sich die Zehen allmählich schmatzend aus dem nassen Sand, in den sie gesunken waren. Schweigend lief die Nordskov nun neben dem Musiker her, starrte dann und wann in den Nachthimmel oder dessen Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Die Hände dichter hinter der Hüfte verschränkt und leichtfüßigem Schritt.
Er hätte sich nie aus freien Stücken heraus Gedanken darüber gemacht, wie einfach man mit diesem kleinen Wort Wunden aufreißen konnte. Besonders jetzt nicht, wo der Alkohol und all die Endophine seinen Geist berauschten und jegliche Böswilligkeiten von ihm fern hielt, als existierten sie nicht. Vielleicht schätzte er Feste aus diesem Grund so sehr – weil sie einen glauben ließen, dass die Welt gar nicht so furchterregend war, wie sie sich so oft zeigte. Wobei – es war nicht die Welt selbst, die sich von ihrer schlechten Seite zeigte. Es waren Menschen, die nach Macht und Geld gierten und dafür rücksichtslos und unbarmherzig gegen all diejenigen vorgingen, die ihnen nicht in den Kram passten. Für den Moment genoss er die Stille, die Geräusche der Nacht und wandte nur für einen Sekundenbruchteil den Kopf herum, als die Jüngere zu ihm aufschloss, um ihn schweigend auf ihrem Weg zu begleiten. Der Felsen und das Schilf, in dem er das Beiboot versteckt hatte, war längst wieder vergessen. Die Sphinx ruhte sanft auf den Wellen und wies ihnen mit einem kleinen Licht am Bug die Richtung. „Kaum zu glauben, dass nur ein paar hundert Meter entfernt ein ganzes Dorf am Feiern ist, was? Bei dieser Ruhe.“, beendete er das Schweigen schließlich mit ruhiger Stimme. „Also, Skadi. Wie vertreibst du dir die Zeit? Du bist eine begnadete Tänzerin und eine Kämpferin, die ich lieber bei statt gegen mich weiß. Aber was tust du, wenn es keine Schlachten zu schlagen gibt. Keine betrunkenen Offiziere zurechtzuweisen.“ Neugierig spähte er von der Seite in ihr Gesicht. Es gab keinen Hintergedanken. Aber es war angenehm, mal wieder jemanden gegenüber zu haben, der nicht bissig abblockte, sobald ein Gespräch die Oberflächlichkeit verließ.
Skadi brummte in leichter Zustimmung. War nicht wirklich bei der Sache, als Liam den Gesprächsfaden erneut aufnahm und ihr eine Frage stellte, die sie erst dumpf in ihrem Hinterkopf widerhallten hörte, ehe sie realisierte, dass er womöglich eine Antwort darauf erwartete. Was sie sonst so trieb, wenn sie nicht gerade die Peitsche auspackte und den Männern den Kopf zu Recht rückte? „Ich gehe jagen.“ Kaum, dass sie es aussprach, fühlte sie sich jäh wie ein dicklicher Dummkopf, der wirr mit dem Kopf nickte und stumpfsinnig vor sich hin brabbelte. „Und wenn ich das nicht kann…“ Versuchte sie ihre Gedanken vom Treibenlassen abzuhalten. Alles war besser als in die tiefen Abgründe zurück zu kehren, die sich auftaten, wenn sie Zeit zum Nachdenken bekam. Wenn sie mit ihren Gedanken allein war. „… nun… ich versuche denen etwas zurück zu geben, die Hilfe brauchen.“ Es war nicht einmal eine Lüge – wenn auch nicht ganze Wahrheit. Doch die würde sie dem Lockenkopf ohnehin nicht auftischen.
Skadi überraschte abermals mit einer Antwort, mit der er nicht gerechnet hatte. Klar, er hatte ihren Bogen längst an Bord der Sphinx zu Gesicht bekommen und jetzt, wo er so darüber nachdachte, dämmerte es ihm auch wieder, dass sie – oder Kaladar in diesem Fall – auf der letzten Insel für ein wenig Fleisch gesorgt hatte. Und trotzdem war ‚Jagd‘ nicht unbedingt das erste, was man mit einer Frau in Verbindung brachte. Aber dass die Nordskov zu überraschen wusste, hatte sie in den vergangenen Stunden bereits öfters bewiesen. Ebenso, dass sie ganz gewiss alles andere als ein typischer Vertreter ihres Geschlechts war. Liam genoss die Abwechslung. Er ließ sie ausreden und ein sanftes Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel. Kurz senkte er den Kopf, beobachtete, wie die Wellen seine nackten Füße umspülten und überlegte, wie er das, was ihm durch den Kopf ging, am besten zum Ausdruck brachte. „Nun, ein bisschen Nächstenliebe hat noch niemandem geschadet.“ Seine Stimme zeigte deutlich, dass er diesen Fakt durchaus als etwas Positives wertete, doch er blieb vorsichtig mit seiner Einschätzung. „Etwas ähnliches versuche ich auch mit der Musik. Etwas Freude schenken, Ablenken. Die Welt ein bisschen bunter malen.“ Das Lächeln auf seinen Zügen wuchs, weil er Spaß an dem hatte, was er tat, doch kaum zwei Herzschläge später verblasste es auch schon wieder, als er bemerkte, wie dämlich es eigentlich klingen musste. Gerade dann, wenn man unter einer Piratenflagge segelte und andere Schiffe in die Luft jagte. „Naja, wie auch immer…“
Er wirkte nachdenklich. Versteckte sein Gesicht hinter dicken Locken und verlor nach und nach den glitzernden Ausdruck in seinen Augen. Skadi glaubte sogar, dass sein nachfolgender Blick den ihren mied. Sicherlich hätte es genauso gut Einbildung sein können. Oder aber ihr weiblicher Instinkt versuchte sie auf etwas Wesentliches aufmerksam zu machen. „Auch das ist nichts… schlechtes?“ Sie wollte es nicht wie eine Frage klingen lassen und hatte doch keinen Plan B parat, um die dunklen Wolken über seinem Kopf zu vertreiben. Wahrscheinlich war das ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit und so wie Liam dreinblickte, hätte nicht einmal ein Bad im Meer geholfen. „Oder siehst du das etwa anders?“ Wenn man ein Problem nicht umschiffen konnte, blieb einem nur noch die Möglichkeit direkt hinein zu fahren. Ungebremst.
Etwas Schlechtes? Gewiss nicht. Immerhin gab er etwas, meist ohne dafür einen Lohn zu verlangen. Weil er selbst Spaß daran hatte. Und doch konnten sich die Menschen danach nichts leisten, was sie nicht vorher auch schon gehabt hatten. Keine Nahrung, kein Vieh. Er verbesserte lediglich einen Augenblick und keine Lebenslage. Aber alles war besser als die Gegenseite, nicht wahr? „Nein, das nicht.“, entgegnete er auf die offene Frage seines Gegenübers hin und schüttelte flüchtig den Kopf. „Aber was kaufen können sie sich davon auch nicht.“ Eigentlich beschrieb es sein Dilemma ganz gut und das, obwohl er nicht einmal wusste, wie Skadi ihre Aussage eigentlich gemeint hatte. Denen etwas zurückgeben, die Hilfe benötigten – die meisten in dieser Welt beriefen sich auf Materielles. Und er hatte bislang keinen Grund zur Annahme, dass es bei Skadi anders war. Vielleicht war er einfach mittlerweile gewohnt, dass seine antimaterielle Weltanschauung meist eher belächelt wurde. Vielleicht verteufelte er deshalb die lockere Zunge, die ihm der Alkohol verliehen hatte. Daher vermied er es auch, näher auf das einzugehen, was die ehemalige Marinesoldatin wohl mit ihrer Aussage gemeint hatte – ihre Art von ‚Hilfe‘. Dass es besser für ihn war, ahnte er nicht einmal im Entferntesten. „Hast du dank der Marine mit der Jagd angefangen? “ Viel sicherer schien es ihm, auf den vorherigen Punkt einzugehen. Vielleicht war ‚Jagd‘ ja das gehobene Hobby der Marineleute. Wobei er dabei eher bezweifelt hätte, dass es um die Nahrung ging, die dabei erzeugt wurde. Die Marine hatte wohl von alledem genug.
Skadi schnalzte mit der Zunge und spürte, wie ihr Kopf zur Seite kippte. Der Himmel zog für einen Augenblick schlieren über seinem Kopf, dort wo gerade noch schöne punktförmige Sterne gewesen waren. „Geld löst aber am Ende auch keine Probleme.“ Es klang vielleicht wie ein Klischee, doch der Ausdruck in ihren Augen verriet, dass sie tatsächlich fest daran glaubte. „Meistens ist das doch die Wurzel allen Übels.“ Fast schon belehrend erhob die Nordskov ihren Zeigefinger und ignorierte dabei den erneuten Anfall von Schwindel. Wurde sie mit jedem Meter, den sie im Sand voraus setzte betrunkener? Liams Frage hinterließ einen beinahe entrüsteten Ausdruck auf ihren Zügen. DAS hatte er sie doch jetzt nicht wirklich… „Pah… diese Vollidioten können doch nur mit ihrer Pistole herum fuchteln und einen auf Gesetzeshüter machen.“ Und nicht einmal letzteres war etwas, von dem sie überzeugt war. Eher im Gegenteil. Ihre Vergangenheit war Beweise genug dafür. „DIE sind der Grund, weshalb ich über 4 Jahre keinen Bogen mehr in der Hand halten konnte.“ Der ihres Vaters ausgenommen, den Enrique – hatte sie sich jemals dafür bedankt? – aus dem Salzwasser gefischt und mit an Board der Sphinx genommen hatte.