08.02.2020, 20:19
Gregory reagierte nicht auf Trevors Einwurf, auch wenn er dessen Reaktion, samt beißenden Spott, durchaus mitbekam.
Nein. Er musste sagen, was er zu sagen hatte. Denn dass, was er sagte, das war die reine Wahrheit, wenn auch eine, die Trevor nicht hören wollte. Und Trevor wusste—
Nein.
Das stimmte nicht. Das hatte er beendet, hatte das blinde Vertrauen untergraben, was zwischen ihnen geherrscht hatte und dieses Wissen ließ alles, was er sagte, bitter schmecken. Das Einzige, was er tun konnte, war weiterhin ehrlich zu ihm zu sein und hoffen, irgendetwas davon zu retten oder mit der Zeit flicken zu können.
Denn jetzt drang er nicht wirklich zu ihm durch. Aber er baute darauf, dass sein Bruder sich später an seine Worte erinnern würde.
Dabei verdichtete sich der Knoten in seinem Magen mehr und mehr.
'Feigling', ertönte seine innere Stimme wieder und wieder in seinem Hinterkopf.
'Hör auf!'
Er wollte es nicht mehr hören, wusste es längst, doch sie ließ ihn nicht in Frieden.
'Feigling.'
'Ich sagte: Hör auf!'
Nein. So leicht würde sie nicht aufhören. Da würde noch viel Zeit vergehen müssen.
Dann war alles hinaus.
Trevors erste Reaktion glich einer Abfuhr, in die seine innere Unruhe mit einstimmte:
'Ja. Hör auf zu schwafeln!'
'Ich schwafel nicht!'
'Doch. Tust du.'
'Halte einfach die Klappe!'
Prompt schwieg sie. Allerdings brauchte sie auch nichts mehr sagen, denn Trevor sprach das aus, was sie ihm, was er sich selbst, schon so oft vorgehalten hatte.
'Zu lange.'
Viel zu lange hatte er sich von seiner Angst beherrschen lassen, nichts gesagt, seinem Bruder nicht genug vertraut. Und der würde nicht verstehen, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt für den Schiffsarzt nur noch schlimmer geworden war, konnte es einfach nicht verstehen, weil sein Bruder einfach war, wie er war.
'Hör auf zu schwafeln', echote Trevors Stimme in seinem Kopf.
Greg schwieg, nickte bloß.
Was hätte er denn auch anderes als "Ja" sagen können? Weitere Entschuldigungen? Was hätte das gebracht?
Stattdessen glitt seine Hand über die versteckte Brusttasche und das Papier darin.
Gründlich überlegte er seine Worte, während er den ausgesprochenen Gedankengängen des jüngeren Scovells folgte.
'Hör auf zu schwafeln, Feigling!', kicherte seine innere Stimme, doch sie meinte nicht den Jüngeren.
Nein. Greg beschloß, er würde nicht schwafeln. Aber er würde ihm Rede und Antwort stehen. Trotzig hielt er Trevors Blick und der drohenden Faust stand.
"Trevor ...", kam es leise, wohl zu leise, als das sein Bruder darauf reagierte.
Der wandte sich schließlich ab und stapfte davon.
Da ballte er ebenfalls die Fäuste und stieß sich ab, fest entschlossen, dieses Gespräch jetzt auch zu Ende zu bringen. Er war lange genug ein Feigling gewesen. Damit war ab sofort Schluss! Ab Heute würde er sich nicht mehr ins Boxhorn jagen lassen, sondern sich stellen. Allem.
Gregory wusste, dass es verdammt schwer werden würde, doch jede Alternative wäre weit schlimmer. Mit wenigen Schritten schloss er zur wichtigsten Person seines Lebens auf, packte mit der Linken deren Oberarm und riss sie zu sich herum, hielt sie fest und stützte sie zugleich.
"Das ist nicht meine verdammte Einstellung!", fuhr er Trevor aufgewühlt an.
"Was glaubst du denn, warum ich dir das alles sage?? Ich versuche gerade meinen Fehltritt wieder gut zu machen, verdammt!"
Seine Rechte löste sich, griff durch den Ausschnitt in sein Hemd, holte beide Texte hervor, den Neuen, sowie den in gewachstes Leder geschlagenen Alten, und drückte sie Trevor gegen die Brust.
"Hier! Nimm sie! Mach damit, was du willst."
Er hatte es nicht verdient, sie weiterhin zu verwahren, außer sein Bruder gäbe sie ihm zurück. Außerdem brauchte er sie nicht. Er kannte sie eh auswendig.