08.02.2020, 20:16
Er wandte sich abrupt ab. Oh, selbstverständlich, als würde sich das je ändern: Er schlug zu und Greg landete in einer Pfütze seines eigenen Selbstmitleids. Trevor hasste es, mit ihm zu streiten.
„Ja“, schnaubte er und starrte den Stein vor sich an, als würde der davon in Stücke springen, „weil ich ja so pessimistisch bin. Ich hätte mich bestimmt direkt über Bord geworfen.“
Er wandte sich kurz zu seinem Bruder um und legte die Hände theatralisch auf die Brust.
„Wie gut, dass du mich davor bewahrt hast.“
Was für ein Schwachsinn! Erwartete Greg wirklich, dass er ihm das abkaufte?! Aber das schien ihn gar nicht zu interessieren, anstatt Trevors Frage zu beantworten, schwafelte er nur weiter seine Rechtfertigungen vor sich hin. Trevor stöhnte auf, verschränkte die Arme, entschränkte sie wieder, zerrte an dem Loch in seinem Hemd, stapfte ein paar Schritte hin und her, ihm war nach Rennen zumute, aber sein Knöchel nervte ihn, verflucht war das ätzend, warum konnte er sich nicht ein einziges Mal nur auf eine Sache, auf Greg konzentrieren?! In seinem Kopf drehte sich alles. Außerdem war der blöde Stein immer noch nicht explodiert, eine Explosion wäre jetzt wirklich passend gewesen.
Da, endlich, Greg kam zum Punkt, nachdem er sich an seinem Felsen hochgehievt hatte, als hätte Trevor ihm jeden Kochen einzeln zermalmt. So eine Mimose. Fehlte nur noch, dass er anfing zu weinen.
„Okay, okay, hör auf zu schwafeln, ja?! Du hattest –“ Er hielt inne, um zu verarbeiten, was Gregory da gerade gesagt hatte. Die Hände, die er zum wütendem Gestikulieren erhoben hatte, sanken plötzlich kraftlos herab. „– du hattest fünf Monate dafür Zeit.“
Er starrte seinen Bruder ungläubig an.
„Fü– fünf Monate?! Fünf Monate?! Greg, das ist – das ist fast ein halbes Jahr!“ Für einen Moment war er nicht einmal mehr sauer, sondern, ja, was? Überrascht? Nein. Erschrocken – erschüttert.
„Du hast es heute Morgen gewusst.“ Er erinnerte sich, wie euphorisch er beim Frühstück gewesen war, weil sie heute auf das Fest gehen würden. „Du hast es gestern gewusst – vorgestern – letzte Woche – letzten Monat. Du hast es gewusst und nichts gesagt, als du fast abgekratzt wärst wegen dieser hässlichen Wunde. Als wir auf die Sphinx gewechselt sind, weil wir mit der Sirène nichts –“
Er stockte, hob die Hände, lies sie wieder fallen.
„Sogar an meinem Geburtstag, Greg? An meinem Geburtstag. Und davor –“
Er brach endgültig ab. Starrte auf den blutigen Sand zu seinen Füßen, schloss alles aus, was Greg an Entschuldigungen und weiteren Ausreden hervorblubberte, wenn er das denn tat. Plötzlich lachte er bitter auf.
„Und du willst mir erzählen, dass du jeden gefragt hast?! Es haben alle gewusst? Albert, Finnion, Rayon, Shanny, Greo, Talin und – und niemand hat mir etwas gesagt?!“
Er schüttelte den Kopf, den Blick voller Verachtung.
„Als ob, Greg. Und weißt du was, selbst wenn, verdammt, du hättest es mir sagen müssen, ich dachte wir wären, keine Ahnung, ein Team?! Nicht, dass du den einzigen Hinweis in Jahren unter deinen dreckigen Teppich kehrst, nur damit du weiter in denselben ‚sicheren‘ Gewässern rumdümpeln kannst!“
Seine Stimme überschlug sich bei den letzten Worten fast, sein Körper bebte, die Hände, mit denen er gestikulierte, hatten sich längst wieder zu Fäusten geballt. Einen Moment wirkte er, als würde er erneut zu schlagen wollen. Er atmete durch die zusammengebissenen Zähne, zwei Mal ein, zwei Mal aus, dann machte er abrupt einen Schritt zurück.
„Okay. Schön. Nur zu. Wenn das deine Einstellung ist, behalt ihn doch ruhig noch ein paar Monate, oh, wieso nicht gleich Jahre für dich, ich hab ja jetzt meinen ‚eigenen‘ Brief.“
Er betonte das in einer Weise, die deutlich machte, dass er nie so gedacht hätte. Nicht bis heute zumindest. Er schüttelte den Kopf, zögerte einen Herzschlag und wandte sich dann doch um und marschierte, okay humpelte, aber verdammt entschlossen, auf das nächste Fischerboot zu.
„Ich mache auch gerne alleine weiter, weißt du.“