05.06.2016, 19:12
Für sie war die Situation eigentlich bereinigt. Sie wollte nicht mehr darüber reden, wie sie gerade reagiert oder was Aspen getan hatte. Deshalb hatte sie sich auch Liam zugewandt. Und hatte einen abschätzenden Blick auf den bewusstlosen Mann am Boden geworfen. Bisher hatte sich niemand in seine Nähe gewagt, was bedeutete, er hatte noch all seinen Besitz bei sich.
Doch während sie noch nachdachte wählte Aspen diesen Moment, um ihr zu verdeutlichen, dass er noch nicht mit ihrem Gespräch fertig war. Seine Reaktion verwunderte sie und machte sie für einen Moment sprachlos. So ganz schien er nicht verstanden zu haben, wer sie für ihn war. In diesem Augenblick wäre ein diplomatisches Vorgehen vermutlich sinnvoller gewesen. Immerhin wollte sie ja nicht eines der wenigen festen Mitglieder ihrer Crew vergraulen. Doch sein Gehabe brachte sie nun langsam wirklich auf die Palme und ganz so ruhig konnte sie da nicht mehr bleiben. Egal, ob Liam, als potentielles neues Mitglied, dabei zusah.
„Ich glaube du verstehst da etwas grundlegend falsch.“ Ihre Stimme ähnelte einem Zischen, weil sie sich in diesem Moment sehr zusammenreißen musste, um nicht zu schreien. „Ja, ich habe dich um Hilfe gebeten. Aber nicht um meinen zierlichen, deiner Meinung nach schutzbedürftigen Arsch, aus so einer Situation heraus zu 'retten'. Ich bin dein Captain! Also behandle mich nicht wie ein kleines Mädchen, dass du beschützen musst. Haben wir uns verstanden?“
Mit einer Handbewegung gab sie ihm zu verstehen, dass das Thema vielleicht noch nicht vom Tisch war, aber sie lieber nicht weiter darüber diskutieren würden. Außerdem war sie einfach zu wütend in diesem Moment, um klar zu denken. Er mochte recht haben, wenn er meinte, sie könne es sich nicht leisten, ihn zu vergraulen. Doch sie hasste es ebenfalls, dass er ihr den Rang des Captain mit seinem Verhalten aberkannte. Für den Augenblick beließ sie es aber dabei und schluckte jedes weitere Wort hinunter. Stattdessen wandte sie sich kurz von den beiden Männern ab und dem Bewusstlosen am Boden zu. Neben ihm ging sie in die Hocke und tastete ihn mit schnellen Fingern auf der Suche nach etwas Wertvollem ab. Es war doch sicher ein Wink des Schicksals, dass er so praktisch vor ihnen gelandet war. Wenn sie so darüber nachdachte, bräuchte sie wirklich jedes bisschen Geld, um für die Reparatur des Schiffes noch Materialien und Arbeitskräfte bezahlen zu können. Als sie einen kleinen, prall gefüllten Beutel ertastete, stieß sie ein zufriedenes Brummen aus, machte es schnell ab und steckte es in ihre innere Rocktasche, damit es nicht so schnell wieder den Besitzer wechselte. Erst dann folgte sie Liam, der sich einen Weg zur Hintertür bahnte, raschen Schrittes, wobei sie Aspen keines Blickes mehr würdigte. Dort angekommen, blieb sie kurz stehen, spürte die frischere Luft auf ihrer Haut, bevor sie mit einem Lächeln an Liam hinaus trat.
„Danke dir.“
Zu mehr kam sie leider nicht, denn im nächsten Moment wäre sie beinahe schon mit jemandem zusammen gestoßen. Abrupt blieb sie stehen, wodurch sie allerdings Aspen den Weg nach draußen versperrte, musterte ihren Gegenüber und grinste dann leicht.
„Wenn du noch an der Schlägerei teilnehmen willst, dann solltest du lieber vorne rum rein.“
[Erst in der Schenke, dann draußen | Aspen, Liam und Ryan]