27.08.2019, 12:22
Für jemanden, der wusste, dass diese Karte kein Geheimnis barg, musste dieses Bild hier wirklich unheimlich amüsant sein. Eine angedeutete Karte und ein Haufen Menschen, die verzweifelt versuchten, herauszufinden, was ihnen ein leeres Stück Papier sagen wollte. Aber ebenso wie Shanaya glaubte der Lockenkopf nicht daran, dass sich jemand mit etwas derart Magischem einen Spaß erlaubte. Und auch Lucien klang nun ganz und gar überzeugt davon, dass es mehr gab, als sie sehen konnten. Liam schnaubte belustigt, ehe er sich zur Seite wandte und Talin den Platz hinter ihrem Bruder überließ, um sich selbst von der Eigenartigkeit der Karte zu überzeugen. Woher er sie hatte, brachte sie allerdings nicht wirklich weiter auf der Suche nach ihrem Geheimnis. Nachdem er der Blonden geantwortet hatte, lehnte er sich rücklings an den Schreibtisch, um den sie sich versammelt hatten, senkte den Blick und lauschte nur beiläufig den Antworten der Captains auf die Frage ihrer Navigatorin hin. Talins Erwähnung ließen ihn kurz nachdenklich die Stirn runzeln. Er versuchte, sich daran zu erinnern, ob ihm damals als Kind irgendetwas ähnliches bei einem der Händler aufgefallen war, die aus der anderen Welt gekommen waren, doch da war nichts. Nichts, was er mit dieser Karte in Verbindung bringen konnte.
„Wenn wir mit Wärme nicht weiter kommen, vielleicht brauchen wir einfach das Gegenteil.“
Im Grunde sprach er nur seine Gedanken laut aus, doch kaum, dass sich seine Miene mit diesem Vorschlag erhellt hatte, legte sich seine Stirn schon wieder skeptisch in Falten.
„Wobei das Papier eigentlich kalt genug ist, sollte die Tinte auf Kälte reagieren.“
Erst jetzt hob er wieder den Blick und sah in die kleine Runde. Selbst, wenn sie es versuchen wollten, erwies es sich weitaus schwieriger, irgendwo etwas aufzutreiben, was Kälte ausstrahlte, als einfach eine Kerze darunter zu halten. Es bedeutete, dass sie entweder wirklich bis in die zweite Welt segeln mussten, oder mindestens mal bis nach Yvenes, sobald der Winter angebrochen war. Für einen Herzschlag verlor sich sein Blick auf Shanaya, doch noch bevor Liam weiter darüber nachdenken konnte, Yvenes nach all den Jahren wieder zu betreten, vertagte er den Gedanken einfach. Shanaya wäre sicherlich auch nicht sonderlich erpicht darauf gewesen, einen kleinen Heimatbesuch einzulegen.
„Oder meinst du, dass sie ihr Geheimnis von alleine preisgibt, sobald wir zufällig an ihren Bestimmungsort kommen?“
Mit einem ungläubigen Schmunzeln wandte er sich wieder an Talin, selbst wenn er nicht gänzlich abgeneigt klang. Nichts, was einem wirklich realistisch erschien, aber jeder Seemannsgarn hatte immerhin einen Hauch von Wahrheit.