02.06.2016, 19:21
Vielleicht täuschte er sich ja, aber Aspen schien nicht unbedingt unglaublich glücklich mit seiner Situation zu sein. Es konnte an dem Tumult und dem leichten Hauch von Gefahr liegen, der sich mittlerweile um sie herum gebildet hatte, doch eigentlich hatte er von Anfang an eher einen gezwungenen und minder optimistischen Eindruck gemacht. Allmählich durchschaute er die Bindungen zwischen den drei Leuten, weil er das Konstrukt in seinen Gedanken nachbildete und überlegte, wie es am besten zusammenpasste. Aus Talin, Shanaya und Aspen wurden dabei zwar gesichtslose, fiktive Gestalten, doch diese Gedankenwelt war es, in der er sich zurechtfand und seine unsensible Art übergehen konnte. Es machte seine Eindrücke greifbarer und schuf gleichzeitig unheimlich viele neue Möglichkeiten für einen neuen Roman oder Kurzgeschichte. Ach, wie er diese Welt doch liebte. Und da er sich genau dort befand und nicht in der Realität, entging ihm auch, dass die durchaus als herablassend verstehbaren Worte Aspens ihm galten und nicht irgendeinem namenlosen Statisten in einer seiner Bücher. Und die Spannung, die hätte aufkommen können, hatte sich auch schon einen Moment später vollkommen in der stickigen, nach Schweiß, Rauch und ungepflegten Kerlen riechenden Luft aufgelöst, als der Rückzug geplant wurde.
„Ja. Allerdings sind da noch zwielichtigere Gestalten.“, setzte er Prinz Eisenherz ungerührt in Kenntnis und wartete darauf, dass sich seine Wachhundader meldete, die er ihm zuschrieb.
Dieser hatte sich auch schon an Talin gewandt, um sie offenbar etwas unsanft in das Gefüge seines Plans zu schubsen. Die Blonde schien davon allerdings nur minder begeistert und der Wachhund erhielt einen Anpfiff, den auch er offenbar verstand. Liam blinzelte, selbst wenn er das Gespräch der beiden nicht belauschen konnte (und auch nicht wollte), doch Talin wirkte alles andere als den ja eigentlich ehrenwerten Zug Aspens als solchen ansehen zu wollen. Selbst war die Frau, wie es schien, was den fiktiven Charaktern in seinem Kopf einen weiteren, eindeutigen Charakterzug verpasste und es ihm erleichtern würde, mit seinen Gegenübern umzugehen. Ein leichtes Schmunzeln konnte er sich dann aber doch nicht verkneifen, glücklicherweise geschah das aber hinter dem Rücken des Blondschopfes. Kaum sprach Talin wieder laut, lächelte Liam wieder offen und munter und zwinkerte kurz.
„Ich glaub', morgen hättest du nicht mal so schlechte Karten; hast ja jetzt 'nen ganz guten Einblick bekommen.“, entgegnete er und nickte schließlich, ehe er zu Aspen sah. „Das Kätzchen kommt auch allein zurecht, wir sollten tatsächlich hinten raus.“
Mit einem kurzen Nicken des Kopfes wies er in die Richtung des Einganges, an dem nun ein stämmiger Seemann die Sache in die Hand zu nehmen schien. Eine Traube hatte sich gebildet und Liam konnte nicht wirklich erkennen, was dort passierte – er sah nur, dass der Weg nach hinten der einfachere, schlauere Weg war.
„Es sei denn, du stehst auf Tuchfühlung.“
Aber so schätzte er ihn nicht wirklich ein. Deshalb schlug er der kleinen Gruppe voraus den Weg zum Hinterausgang ein, der sich neben der Tavernentheke befand und in eine dunkle Gasse führte. An einem Ende konnte man das Licht der 'Hauptstaße' erkennen. Dorthin trieb es auch die anderen, die diesen Weg gewählt hatten. Die frische Luft schlug ihm angenehm ins Gesicht, sodass er nicht umhin kam, einen tiefen Atemzug zu nehmen, als er ins Freie trat und die Tür hinter sich über den Kopf der Blonden offen hielt, damit sie durchgehen konnte.
„Alle unversehrt?“, fragte er mit einem Lächeln. Nicht, dass er vermutete, dass einer ein Blessürchen davongetragen hatte. Aber dazu war seine Stimme sowieso zu locker und beiläufig.