23.04.2019, 14:36
„Tja.“, erwiderte er mit wissendem Ton und möglichst ernst, als würde er ihr gerade ein wahres Handwerk erklären. „Das kommt ganz auf die Fertigkeiten des Anwenders an.“
Das Schmunzeln, welches danach seine Züge erhellte, wirkte fast wie das eines kleinen Jungen, der besonders Stolz auf irgendetwas war, was er gerade vollbracht hatte. Und trotzdem zuckte die Selbstironie in seinen Mundwinkeln. Vermutlich sah er einfach nur vertrauenserweckend aus und unter Musikern war man ohnehin eine Familie, wenn man gemeinsam musizierte. Da probierte jeder mal das Instrument des anderen aus und vollendete die Symphonie auf seine eigene Art und Weise. Man vertraute sich einfach gegenseitig, auch ohne sich zu kennen und niemandem kam in den Sinn, diese kleine Vorschrift zu brechen. Man traf sich, um gemeinsam Spaß zu haben, die Gegenwart zu vergessen und danach wieder getrennter Wege seinem Alltag nachzugehen. Die Sorgen also, die seine willkürliche Wortwahl in der Jägerin geweckt hatten, hatte er gar nicht. Es mochte stimmen, dass er materiell nicht viel besaß, aber das brauchte und wollte er auch gar nicht. Auf Reisen hinderte Besitz nur und davon abgesehen arbeitete er ja auch nicht wie andere Menschen, die sich ihr kleines Leben aufzubauen versuchten. Natürlich verkaufte er hier und da mal ein Buch oder eine Zeichnung, aber gerade Bücher benötigten in ihrer Herstellung eben Zeit und Ideen. Der Erlös ging also meist direkt wieder in Nahrung oder in Bestechungsgeld, um doch noch irgendwo an Board eines Schiffes einen Platz zu bekommen, wenn angebotene Arbeitskraft nicht ausreichte. Sein Augenmerk hatte auf der hölzernen Geige gelegen, von der er Skadi – zugegeben – ein wenig vorgeschwärmt hatte. Ihre Frage irritierte ihn im ersten Moment dennoch, selbst wenn er sich nicht auf Anhieb etwas dabei dachte. Erst, als ihm wieder bewusst wurde, dass er gerade mit einer Meute Piraten segelte, weckte es ein wenig Skepsis in ihm. Skepsis, die man ihm offenbar direkt ansah und der die junge Frau direkt entgegensteuerte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu glauben. Dementsprechend stieß er überlegend die Luft aus, betrachtete das Instrument aus der Ferne und wog nachdenklich den Kopf.
„Allein das Holz ist unheimlich wertvoll, weil es nicht überall wächst. Und für Instrumentenholz braucht man beste Qualität. Ich kann nur raten. Aber schätzungsweise durchaus Achter im vierstelligen Bereich.“
Als Skadi ihren Gedankengang ausführte, kam er noch immer nicht hinter ihren Plan. Es war undenkbar für ihn, dass irgendjemand auf die Idee kommen konnte, für einen fast Fremden eine derartige Menge an Gold auszugeben. Davon abgesehen, dass er sowieso nur recht schwer schätzen konnte, wie wohlhabend die Leute um ihn herum waren, wenn ihnen nicht gerade ‚adlig‘ auf die Stirn geschrieben stand. Davon abgesehen hatte Gold bei ihm schlicht keine Bedeutung, auf die er wert legte. Man brauchte es zum Überleben, aber sein Reichtum maß sich in Abenteuern, Erinnerungen und Erlebnissen. Trotzdem entlockte sie ihm ein amüsiertes Schmunzeln bei dem Gedanken. Ja. Manchmal war es nicht angenehm, auf einem Schiff zu leben. Aber ein aufgeregter Trevor, der die ganze Nacht ‚Ich sehe was, was du nicht siehst!‘ spielen wollte, war auch nicht das Gelbe vom Ei.
„Ja, das hätte definitiv was für sich.“, nickte er. „Irgendwann vielleicht, wenn wir die erste Truhe voll Gold gefunden haben. So lange musst du dich wohl mit Gestöhne zufriedengeben. Aber ich kann’s dir mit Trommeln untermalen, wenn’s das besser macht.“
Demonstrativ klopfte er mit den Handflächen rhythmisch auf seine Oberschenkel, um ihr eine kurze Kostprobe zu spendieren, nachdem er seinen Humpen neben ihr auf dem Brunnenrand abgestellt hatte.
„Das klingt so, als hättest du dich entschieden, vorerst auf der Sphinx zu bleiben?“, schlussfolgerte er nach einer kurzen Pause und sah ihr interessiert entgegen, während er wieder nach dem Bier griff und den Humpen um einen weiteren Schluck brachte. ‚Bei uns‘ zu sagen, hätte sich für ihn nicht ganz richtig angefühlt, immerhin fühlte er sich noch immer eher wie der Passagier, den sie gnädiger Weise mitnahmen.