22.04.2019, 20:43
Ein Instrument, das beherrscht werden wollte. Sehr poetische Worte für einen Gegenstand, mit dem die Nordskov leise und schnell das Leben eines Fremden beenden konnte. Doch Recht hatte der Musiker allemal. Genauso wie es ein Talent war seiner Geige die lieblichen Klänge zu entlocken, zu denen sie irgendwann einmal gern tanzen würde, war auch der Umgang mit ihrem Bogen ein Pfad der Disziplin und des Feingefühls. Nicht jeder war dafür geschaffen.
Wohl auch kein „armer Straßenköter“, wie er sich selbst bezeichnete und Skadi schlagartig zum Lachen brachte. Selbstironie war etwas sehr angenehmes – darauf verstanden sich leider viel zu wenige.
“Und ich dachte, der funktioniert nur bei WohltäterINNEN.“
Mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen, genehmigte sich Skadi einen tiefen Zug aus ihrem Humpen und verdeckte somit das schelmische Funkeln in den Augen. Mochte durchaus sein, dass sie da ein wenig aus den eigenen Vorlieben schöpfte – zumindest empfand sie bei frisch gepuderten Aristokraten immer ein Gefühl von akuter Austrocknung… unten herum.
Und augenscheinlich hatte Liam wohl wirklich mehr mit einem Straßenköter gemein, als ihr bewusst gewesen wäre. Ganz sicher war niemand auf der Sphinx wohlhabend – darauf kam es sicherlich auch nicht an, wenn man auf einem Piratenschiff anheuerte. Oder vielmehr war es eben das Bestreben nach Gold, das einige dorthin lockte. Doch dass es nicht einmal mehr für Essen gereicht hatte, verdunkelte ihre Miene kurzweilig. Ganz gleich wie hart ihre Kindheit gewesen war – Hunger hatte sie nie leiden müssen.
“Wenn wir von kostbar reden… wie viel genau?“ Ihr Seitenblick blieb so neutral wie möglich während dieser Frage, die so viel mehr implizierte, als beabsichtigt. Natürlich hatte sie den kurzen Gedanken gehabt, ihm bei Gelegenheit solch ein Schmuckstück zu besorgen – egal wie. Doch war sie weder eine Freundin noch irgendjemand, der familiär mit ihm verbandelt war. Skadi erschien es nur in jenem Moment irgendwie wichtig, dass er zurück bekam, was er für seine Familie geopfert hatte. Selbst wenn es ‚nur‘ eine Geige war. Manchmal stecken in den kleinsten Dingen, die wertvollsten Schätze.
“Keine Angst… ich will sie Egbert nicht stehlen. Mich interessiert es einfach nur.“
Beschwichtigend zauberte Skadi ein entspanntes Lächeln auf ihre Züge und schenkte Liam einen sanften Knuff mit dem Ellenbogen.
“Aber ich fände es schön, wenn nach all der harten Arbeit auf dem Schiff ein paar schöne Klänge über das Wasser schweben würden. Dieses männliche Rumgestöhne kann sich kein Mensch mehr mit anhören.“ Und ja… manchmal klangen die Herrschaften leider wie alte Säcke, deren Knochen binnen der nächsten Tage in tausend Einzelteile zerbrachen. Vielleicht würde Liams Geigenspiel auch das laute Geschnarche übertönen, das sie dann und wann wach hielt.