12.05.2016, 12:29
Huch, wie poetisch die Dame war, die das Sprechen der anderen hauptsächlich übernommen hatte. Liam schmunzelte ob ihrer Worte und musste sich unweigerlich vorstellen, wie einer dieser saufnasigen, stinkenden Seemänner lallend zu philosophieren begann. Der Abend nahm tatsächlich eine etwas andere Wendung als die letzten. Seiner Gedanken wegen begann er kurz zu glucksen. Man sah ihm an, dass er ein wenig abgeschweift war – nicht zuletzt, weil sein Blick sich irgendwo auf dem Tisch verlor. Das kurze Hin- und her zwischen dem anderen Mädchen und Sineca entging ihm deswegen auch und er wirkte ein wenig ertappt, als die Blonde wieder zu sprechen und zu erklären begann. Glücklicher Weise gelang es ihm, den Bogen zurückzuspannen, bevor sie geendet hatte und zumindest zu verstehen, was sie ausgesagt hatte, wenn er auch nicht den genauen Wortlaut hätte wiedergeben können. Aber der interessierte ja sowieso niemanden. Indes mischte sich auch die Dunkelhaarige ein und begann, die kleine, eigenartige Gruppe vorzustellen. Liam nickte freundlich.
„Ich bin Liam. Und die Fellkröte hört auf den Namen Sineca. … Öhm. Oder eben nicht, ne?“, feixte er und schnippte der Ginsterkatze kurz gegen das Ohr. „Ihr sucht eine Crew und jemanden, der euer Schiff repariert? Und wo ist die Crew, die's kaputt gemacht hat?“
Eine ganz logische Frage für ihn. Drei Leute waren zu wenig, um ein Schiff zu steuern – jedenfalls dann, wenn es groß genug war, dass sie nun eine Crew suchten. Vielleicht wollten sie aber ja auch einfach erstmals ihren Traum verwirklichen, ebenfalls auf See zu stechen. Zugegeben – ein merkwürdiger Traum, denn unter den Seeleuten waren Frauen mehr als selten.
„Die See ist rau. Nicht unbedingt der Ort, wo man sich Frauen vorstellt.“, überlegte er laut und gab damit auch preis, dass er am Überlegen war. Allerdings keineswegs abwertend. „Aber ihr wisst, worauf ihr euch einlasst, nehme ich an?“
Zumindest wirkte sie durchdacht. Auch, als sie die anderen beiden losschicken wollte. Offenbar hatte sie das Kommando in ihrer kleinen Gruppe. Doch bevor er sich überlegen konnte, ob er sich darüber weiter Gedanken machen wollte, kam die Unruhe, die in ihrem Rücken geherrscht hatte, plötzlich auch zu ihnen. Er zog den Kopf ein und auch Sineca war augenblicklich wieder in der Menge verschwunden. Einen Moment später zerschlug ein Krug nur knapp neben Prinz Eisenherz und fiel klirrend und in Einzelteilen zu Boden. Huch. Ein bisschen Schade ums Bier war es, wie er fand. Doch statt den edlen Tropfen weiter zu bedauern, ging er ein wenig aus der Bahn, nur um gleich darauf wieder etwas entrüstet und überrascht stehen zu bleiben und den Mann anzustarren, der den anderen soeben zu Boden gebracht hatte. Etwas unglücklich bedachte ihn, während er sich wieder in die Menge warf. Die übrigen hatten wohl mehr Augenmerk für den Bewusstlosen.
„Hey, die hatte er gestern noch nicht dabei. Sonst hätte ich die ganzen Tage auf ihn gesetzt. … Ich wäre reich!“, maulte er zu sich selbst und vergrub das Gesicht kurz bedauernd in den Händen.
Auf nichts war mehr Verlass! Nicht einmal darauf, dass die Leute in Kneipenschlägereien wirklich gewinnen wollten! Indes hatte sich Shanaya offenbar gen Tür begeben und als sie die Kneipe verließ, sah er, wie ein geringelter Schwanz ebenfalls durch die Tür nach draußen verwand. Mit den Gedanken wieder an Ort und Stelle bekam er auch die geknurrten Worte Eisenherz' mit und verzog die Lippen.
„Für 'nett' ist das hier meist der falsche Ort. Wir werden jeden Abend Wetten veranstaltet, wer wem was antut.“, erklärte er beiläufig das Spiel derer, die nicht ganz bis zur Besinnungslosigkeit am Saufen waren.
Den Vorschlag des Blonden nickte er nur entgegen, denn so langsam wurde es wirklich unangenehm. Spätestens, wenn die ersten Kugeln statt Krüge durch die Gegend flogen. Die Stimmlage des anderen Mannes entging ihm gänzlich – man musste ihn nicht bitten, jetzt lieber zu verschwinden, statt sich töricht in den Kampf zu werfen, in dem es nichts zu gewinnen gab. Er wartete, bis auch die Dame aufgestanden war und entschloss sich von hinten etwas Deckung zu geben.
Sineca hatte sich mittlerweile in den Regen geflüchtet. Sie hatte die Bierfässer erklommen, die in einer kleinen Seitengasse unweit des Eingangs gestapelt waren um mit funkelnden Augen zum Eingang hinunter zu starren und zu warten.