01.04.2019, 21:52
Kaladar – wenn das überhaupt sein richtiger Name war – gefror beinahe in seiner Betrachtung des Ruinenfeldes. Der Blick aus dunklen Augen ging stoisch geradeaus und doch ahnte Lucien, der jede Regung der weichen Züge genau beobachtete, wie es hinter der jungen Stirn arbeitete. Es musste ein Versehen gewesen sein. Im stürmischen Eifer überschäumender Emotionen ausgesprochen. Ohne darüber nachzudenken, was diese Worte bei dem jungen Captain für eine Reaktion hervorrufen würden. Der bezweifelte ganz ernsthaft, dass dieser Moment geplant gewesen war.
Schließlich wandte sein Gegenüber den Kopf zu ihm herum und der Ausdruck in den dunklen Augen kam einer trotzigen Kampfansage gleich. Egal, wie er reagierte – sie würde es nehmen, wie es kam. Ja. Sie. Die letzte Überlebende.
Also doch. Milde Verblüffung verdrängte das anfängliche Misstrauen, was sich so wohl auch auf seinen Zügen abzeichnete. Dennoch wahrte er gedanklich einen gewissen, geradezu bedächtigen Abstand, lauschte der Erklärung, die ihm zwischenzeitlich ein kurzes Schmunzeln auf die Lippen lockte und wartete schweigend ab, welche Überraschungen hier gleich noch ihren Weg ans Tageslicht finden würden. Mit dem, was darauf folgte, rechnete er allerdings beileibe nicht.
Der ehemalige Sergeant sprang mit einer eleganten Bewegung von dem Felsen, der ihm – oder ihr – als Aussichtspunkt gedient hatte, stellte den Bogen ab und wandte sich wieder ganz an ihn. Im nächsten Moment huschte Luciens Blick nach unten, gelenkt von der Bewegung ihrer Hände, die den Saum ihrer Bluse fassten und den Stoff nach oben zogen. Er entblößte helle Haut, von der ein oder anderen Narbe gezeichnet, und dann, etwa auf Höhe ihres Solarplexus, Bahn um Bahn eines eng anliegenden Verbandes. Straff um ihren Oberkörper gewickelt verbarg er weibliche Rundungen so geschickt, dass sie unter einem Uniformhemd verbogen nicht anders aussahen, als die gut bemuskelte Brust eines Soldaten.
Falls es bis dahin noch Zweifel gegeben hatte, so räumte sie sie damit gänzlich aus und Lucien, für diesen kurzen Moment ganz leicht aus dem Konzept gebracht, stieß ein halb verblüfftes Lachen aus, schüttelte leicht den Kopf und verschränkte die Arme vor dem Oberkörper.
„Ich habe geahnt, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt.“, meinte der junge Captain schließlich mit einem amüsierten Funkeln in den grünen Augen. „Aber ich dachte, du passt einfach nur nicht richtig auf dieses Marineschiff.. Mir war nicht klar, wie sehr du dort nicht hin passt.“
Wie zum Teufel hatte sie es geschafft, dieses Geheimnis so lange zu wahren? Vor ihm? Gut und schön. Sie hatten sich nur ein, zwei Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden. Doch die Männer auf der Morgenwind? Ihr einstiger Kapitän?
„Und Enrique? Weiß er Bescheid?“