14.02.2019, 14:41
Liam legte wenig Wert auf solche Gemeinsamkeiten. Die Herkunft brachte Menschen nicht zusammen, immerhin machte es nur einen Bruchteil der eigenen Entwicklung aus. Eine Insel, eine Stadt brachte ebenso brillante Köpfe hervor wie auch besagte Idioten. Und bloß, weil man irgendwo auf der Welt jemanden traf, der die gleichen Wurzeln besaß, zwang einen das nicht direkt dazu, den anderen zu mögen. Manch anderer wäre Shanaya wohl um den Hals gefallen, bloß weil er von der gleichen Insel stammte und sie das ja irgendwie verband. Aber dem Lockenkopf selbst – abgesehen davon, dass er eher die Reise als seine Heimat sah als irgendeinen Ort – bedeutete so etwas herzlich wenig.
„Immerhin hast du’s länger ausgehalten als ich.“, rechnete er ihr an und schmunzelte ihr kurz entgegen. „Ich war fünf, als wir von dort fort sind.“
Glück für ihn wie es schien, wobei er Yvenes ganz sicher nicht so negativ in Erinnerung hatte wie Shanaya. Allerdings war er auch ganz sicher noch nicht in der Lage gewesen, in seiner Kinderwelt mehr wahrzunehmen, als das, was ihn direkt betraf. Politik, Rechtsstreite, Habgier – all das hatte ihn als Kind nicht betroffen und auch jetzt noch öffnete er die Augen lieber für die magische, romantische und abenteuerbeherbergende Seite des Lebens als für die niederen Triebe nach Macht des Adels. Ein weiterer Vorteil, der daraus für ihn entstand: Er hatte keinerlei Grund, sich über irgendetwas zu ärgern, woran er ohnehin nichts ändern konnte. Eigentlich eine beneidenswerte Einstellung.
Mit einem „Was?“ wandte er sich ruckartig um, als Shanaya verlauten ließ, sie hätte etwas gefunden. Im ersten Moment wollte er diesem Glück gar nicht glauben, doch tatsächlich: Zwischen ihren Fingern baumelte der Lederriemen mit den drei kleineren Amethysten, die ihn seither begleiteten. „Das ist es!“
Mit einer fließenden Bewegung nahm er der Schwarzhaarigen das Band aus der Hand, drückte ihr einen lockeren, dankbaren Kuss auf die Stirn und hielt das Band in einen Lichtstrahl, der durch das dichte Blätterdach des Urwaldes brach.
„Schätze, das Leder hat ein wenig gelitten. Wird Zeit, es mal wieder etwas aufzubereiten.“, murmelte er mehr zu sich selbst, ehe er sich nach einem kurzen Moment wieder zu Shanaya umdrehte. „Danke jedenfalls für deine Hilfe. Wer weiß, wie lange ich ohne dich noch hier herumgegeistert wäre.“
Der Ausdruck auf seinen Zügen zeugte mit einem Mal kein bisschen mehr von der Sorge, die zuvor noch darin gelegen hatte. Jetzt ruhte wieder die gute Laune in seinem Gesicht, wie man ihn eben kannte.
„Hast du noch zwei Hände, um ein paar Lianen mit zurück zum Strand zu nehmen oder ruft dich bereits ein neues Abenteuer?“