Morgen des 23 .März 1822
Liam Casey & Shanaya Árashi
Ein neuer Tag – und wieder wagte Shanaya sich in die Untiefen des Dschungels. Sie brauchte noch ein paar Daten über diese Insel, also wollte sie möglichst viel Zeit vom Tag nutzen. Die Luft war genauso drückend wie die letzten Tage, und wenn sie durch die Wipfel der Bäume genug sehen konnte, gab es heute einen nicht ganz so blauen Himmel. Mehr verschiedene Grautöne. Aber auch von Regen ließ die junge Frau sich nicht aufhalten, lief nun in eine andere Richtung, wo es noch keinen Weg gab. Wieder schlug sie sich den Weg mit dem Degen frei, ließ den Blick dabei aufmerksam zu beiden Seiten schweifen.
Lange Zeit fiel ihr Nichts ungewöhnliches auf, bis sich in ihrem Augenwinkel etwas bewegte. Aufmerksam wandte die Schwarzhaarige den Kopf herum, schob nun den Farn, der ihr sonst im Weg hing, mit der Klinge zur Seite. Kein wildes Tier – zumindest erblickte sie eben dieses auf den ersten Blick nicht.. Dafür aber Liam, der irgendwie... er wirkte, als hätte er etwas verloren. Shanaya schmunzelte, baute sich dann zu voller Größe auf und räusperte sich so, dass der Dunkelhaarige sie kaum überhören konnte. Wenn er nicht gerade Moos in den Ohren hatte.
Verdammt, warum hatte er das Loch in seinem Lederbeutel nicht früher bemerkt? Dieser Umstand machte seine Lage nur noch verzwickter. An sich war er ja kein materieller Mensch – ließe sich auf Wanderschaft auch wirklich nur schwer umsetzen – aber das, was er verloren hatte, gehörte dann doch zu den wenigen Dingen, die ihm etwas bedeuteten. Umso motivierter war er nun allerdings bei der Suche nach seinem Verlust. Ursprünglich war er losgezogen, um noch ein paar Lianen zu sammeln und die Taue provisorisch zu flicken. Er hatte im Endeffekt doch mehr fasriges Tau gefunden als erwartet und jetzt gerade bot sich eine gute Möglichkeit, zumindest etwas vorzusorgen. Ein kleiner Haufen Dschungellianen deutete jedenfalls noch auf den ursprünglichen Plan des Lockenkopfs hin, der nun eifrig mit Augen und Händen den Boden absuchte. Er war so vertieft in seine Suche, dass er nicht einmal die nötige Vorsicht aufbrachte, als es im Gebüsch in seiner Nähe zu rascheln begann. Vor einem wilden Tier fürchtete er sich nicht wirklich, denn er hatte längst die Erfahrung gemacht, dass das meiste ihn mehr fürchtete als er es im Gegenzug. Somit kam es auch nicht überraschend, als eine Stimme die Stille des Regenwaldes durchschnitt, nachdem das Rascheln näher gekommen war.
„Ich wünschte, es wäre so.“, antwortete er ein wenig leidlich ohne aufzusehen.
Die wenigen Münzen, die vereinzelt in einer kleinen Spur auf dem Boden lagen, schienen ihn hierbei gar nicht mal groß zu interessieren.
„Mein Lederbeutel muss irgendwo unterwegs aufgerissen sein. Du hast nicht zufällig ‘n Lederband gefunden mit drei kleineren lila Steinen dran?“
Ihm lag wirklich etwas daran, auch wenn man es ihm nicht direkt anhörte. Liam wandte sich um und kratze sich kurz am Hinterkopf, während er hoffnungsvoll zu Shanaya aufblickte.
Liam reagierte nicht wirklich auf sie, zumindest wandte er nicht einmal den Kopf herum. Den Moment nutzte Shanaya also selbst, um den Blick kurz schweifen zu lassen, sich nach Sineca umzusehen. Aber die kleine Katze zeigte sich nicht, inzwischen zeigte der Lockenkopf jedoch eine Reaktion, womit die junge Frau sich wieder zu ihm herum wandte. Nach seinen Worten fiel ihr heller Blick automatisch auf den Boden, den er akribisch absuchte. Wenn nicht Sineca – was dann? Vielleicht die Münzen, die vor ihren Füßen zwischen den Blättern lagen? Liam klärte sie auf, und Shanaya hob leicht eine Augenbraue. Ein Lederband mit lilanen Steinen? Den Blick noch auf das Geld gerichtet mussste die Dunkelhaarige ein wenig schmunzeln. Er hatte seine Münzen verloren – sorgte sich aber mehr um ein einfaches Lederband. Als der Mann sich ihr schließlich zuwandte, hob auch Shanaya den Blick wieder an, musterte ihr Gegenüber mit einer munteren Miene.
„Leider nicht, ich habe aber auch nicht wirklich auf den Boden geachtet.“
Mit diesen Worten verstaute sie ihren Degen wieder in seiner Scheide, ließ den Blick noch einmal schweifen. Hm.
„Bist du schon den Weg zurück gegangen, den du gekommen bist?“
Da sie nun beide Hände frei hatte, beugte die Schwarzhaarige sich nach unten, sammelte die vereinzelten Münzen auf und achtete dabei auch auf den restlichen Boden. Das war ein bisschen wie die Nadel im Heuhaufen.
Anfangs hatte er es nicht direkt gemerkt, doch allmählich machte sich ein wenig Erleichterung in ihm breit, dass Shanaya aufgetaucht war. Das war zwar keine Garantie dafür, dass sie nun wirklich fündig wurden, aber vier Augen sahen schon mal mehr als zwei. Und er war optimistisch – zusammen mussten sie Erfolg haben. Dass sie bisher nichts gefunden hatte, war allerdings kein guter Anfang. Naja, er wusste aber auch nicht sicher, wann sein Beutel nun wirklich aufgerissen war. Vielleicht war es ja auch erst viel später passiert? Als er sich sicher war, das Armband hier nicht finden zu können, lies er die übrigen Münzen auf und ließ sie in seine Tasche gleiten. Sie alle hätten ihm gestohlen bleiben können, hätte er dafür doch bloß dieses dämliche Band wieder!
„Ich wollte es erstmal in der anderen Richtung versuchen. Ich weiß nicht, wann genau sich mein Beutel dazu entschieden hat, meine Habseligkeiten auf dem Boden zu verstreuen.“ Er schmunzelte kurz, wenn auch eher gequält. „Wenn du gerade nichts Besseres zu tun hast, wär‘ ich dir echt dankbar, wenn du die Augen offen halten würdest. Klingt dumm, aber mir liegt ein bisschen was dran.“
Er seufzte und zum ersten Mal, seit sie sich kannten, klang er dabei vielleicht ein wenig gestresst.
„Ich war gerade unterwegs, um noch ein paar Lianen zu holen und die Taue und Netze zu flicken.“ Er wies mit der Hand in die Richtung, aus der er gekommen war, nachdem er sich auf den Rückweg gemacht hatte. Wieder flog sein Blick über den überwuchterten Boden, ehe er die Stirn runzelte und dann der Schwarzhaarigen entgegenblickte. „Aber… Was machst du hier überhaupt so alleine?“
Einen Sekundenbruchteil erwartete er fast, dass Lucien sich gleich hinter ihr durchs Dickicht schlagen würde, doch es blieb erstaunlicher Weise still.
Liam wirkte... anders als sonst. Und alleine das machte die junge Frau aufmerksam. Ihm schien wirklich etwas an dem kleinen Ding zu liegen, wenn er durch dessen Verlust so... gehetzt wurde. Die Schwarzhaarige überlegte, konnte sich aber nicht erinnern, irgendetwas außergewöhnliches auf dem Weg hierher gesehen zu haben. Sie hatte mehr mit den Pflanzen zu tun gehabt, die ihr ins Gesicht hatten schlagen wollen. Aber für den Moment – oder zumindest für diesen Ort – gab der Lockenkopf die Suche auf, sammelte die unwichtigen Münzen auf und wandte sich dann wieder an sie. Sein Schmunzeln erwiderte sie mit einem munteren und optimistischen Grinsen. Allein schon ihr persönlicher Ehrgeiz ließ sie wissen, dass sie das kleine Schätzchen wiederfinden würden.
„Was kriege ich dafür?“ Ihr Grinsen wurde ein wenig breiter, aber ausnahmsweise meinte sie diese Worte nicht ernst, winkte also nur ab. „Wäre doch gelacht, wenn wir das Band nicht finden. Und glaub mir, würde ich meinen Kompass verlieren, würdet ihr mich nicht zurück aufs Schiff bekommen, bevor ich ihn gefunden habe.“
Und das ließ sich wunderbar mit ihrem Plan, die Insel zu erkunden, unter einen Hut bringen. Auch wenn sie nicht geplant hatte, den Boden zu inspizieren. Aber sie würde die Augen offen halten.
„Dann gehen wir Mal deinen Weg zurück. Vielleicht sehen wir irgendwo einen Ast, der deinen Beutel aufgerissen haben könnte.“
Damit wollte sie sich eigentlich umdrehen, den Weg gehen, den er gekommen war, als sie von seinen nächsten Worten noch einmal aufgehalten wurde. Shanaya hob leicht eine Augenbraue, schmunzelte dann, mit einem fragenden Ausdruck in den Augen.
„Ich weiß nicht, ob deine Betonung auf dem 'was ich hier mache' oder auf dem 'alleine' liegt... Aber ich will mir von jeder Insel ein Bild machen, so genau es geht. Und das geht am besten, wenn einem nicht die ganze Zeit jemand hinterher läuft. Wenn man von jeder Insel eine selbstgezeichnete Karte haben will, muss man sehr genau sein.“
Auch, wenn Shanaya gut war in solchen Dingen – Liam hörte den Spaß aus ihrer Stimme heraus. Vielleicht, weil er sich nicht von ihr provoziert fühlte und sie sah wie jeden anderen Menschen auch. Damit gehörte er offenbar zwar zu einer recht kleinen Gruppe, aber er störte sich nicht daran, ein ‚Sonderling‘ zu sein. Die Dunkelhaarige gehörte ohnehin eher zu den Menschen, die man nicht gegen sich haben wollte. Ein warnender Blick galt Shanaya also – wenn man das bei Liam so nennen konnte – dem man aber auch die fehlende Ernsthaftigkeit ansah.
„Sineca. Einen ganzen Abend lang. Ohne, dass sie beißen darf.“ Für solche Antworten war er sich dann doch trotz seiner misslichen Lage nicht zu schade. „Ich hoffe, dass du Recht hast. Sonst muss ich hier wohl warten, bis ich es gefunden habe und ihr mich irgendwann wieder abholt.“
Gerade überlegte er wirklich, so weit zu gehen, hoffte aber, dass er gar nicht in die Situation kam, das entscheiden zu müssen, weil sie das Armband tatsächlich wiederfanden.
„Normalerweise liebe ich Urwälder. Aber gerade hasse ich ihn dafür, dass er so uneinsichtig ist.“
Mit einem Seufzen wandte er sich um und musterte kurz den Haufen Lianen, den er gesammelt hatte, entschied sich aber dazu, ihn später einzusacken, wenn sie wieder hier waren – und wenn nicht, war auch nicht schlimm. Hier wimmelte es nur so von den natürlichen Seilen. Als Shanaya Einspruch erhob, warf er ihr lediglich einen Blick über die Schulter zu, ehe er den Boden weiter absuchte und den Pfad verfolgte, den er sich früher am Tag in den Dschungel geschlagen hatte.
„Dass mich ein ‚alleine‘ bei dir weder wundert noch besorgt, sollte dir doch mittlerweile klar sein.“, entgegnete er aufklärend. Ihren eigentlicher Plan aber bewunderte er tatsächlich – das hörte man ihm auch an. „Da hast du dich aber einer großen Aufgabe angenommen. Die Idee gefällt mir aber. Einfach nur für dich?“
Liams Antwort entlockte der jungen Frau ein munteres Auflachen – auch wenn ihr die Idee durchaus gefiel. Wobei die Katze sich bisher ja mit etwas Leckerem dazu hatte verführen lassen, nicht zu beißen. Trotzdem nickte sie auf die Worte des Lockenkopfes hin. Sie hätte ihm auch so geholfen, immerhin war Liam einer der wenigen, die... normal waren. Wobei dieser Begriff bei ihr eine deutlich andere Bedeutung hatte. Er war einer von den Guten, um es mit Rayons Worten zu sagen.
„Natürlich habe ich Recht.“
Es konnte doch nicht so schwer sein, es zu finden. Und wer wusste schon, wann man von dieser Insel wieder weg kam, wenn man hier zurück gelassen wurde. Sie wusste, wo es Wasser und Früchte gab, also hatte man es hier wohl irgendwie noch gut.. aber wie lange? Ein Gedanke, den sie mit einer kurzen Kopfbewegung verwarf, den hellen Blick wieder zu Liam herum wandte, der über ihre Umgebung schimpfte.
„Böser Urwald. Du solltest ihm die Meinung sagen.“
Sie warf dem Dunkelhaarigen ein versucht aufmunterndes Lächeln zu, tat es ihm dann jedoch gleich und folgte dem Weg, den er ging. Es war nicht leicht, Äste und Boden im Blick zu haben, aber machbar. Seine Worte klärten sie nicht wirklich auf, also verengte sie nur leicht die hellen Augen und warf dem Mann einen skeptischen Blick zu, grinste dabei jedoch.
„Das musst du mir jetzt wirklich genauer erklären, wie du DAS meinst.“
Nur ein Moment, ehe ihre Augen sich wieder aufmerksam zu den Ästen und dem Boden wandten. Seine nächsten Worte ließen ihr Lächeln dann jedoch eine Spur wärmer werden. Eine große Aufgabe. Seine Frage dazu führte zu einem leisen, nachdenklichen Brummen der jungen Frau. Nur für sie...
„Hauptsächlich. Und... auch wenn ich eine Insel unzählige Male gezeichnet habe, steckt da immernoch zu viel von mir drin, als dass ich sie einfach verkaufen könnte. Also vermutlich nur für mich, ja. Wer nach meinen Karten segeln darf, der kann sich auch auf die Schulter klopfen.“
Blieb zu hoffen, dass Shanayas Selbsteinschätzung am Ende richtig lag und ihr Optimismus bei dieser Suche noch auf ihn überging. Normalerweise war er es, der mit unerschütterlichem Frohsinn die Dinge anpackte aber gerade war ihm wirklich ganz und gar nicht danach. Die Aussicht auf Hilfe aber steigerte seine Chancen tatsächlich und er beschloss, erst aufzugeben, wenn sie tatsächlich die möglichen Stellen abgesucht hätten. Vorher lohnte es sich nicht. Das wusste er, aber es fiel ihm schwer, sich daran zu halten. Ein hoffnungsvolles Lächeln galt seiner Crewkameradin, ehe er ihr die Strecke zeigte, die er vorhin genommen hatte. Noch zweifelte er ein wenig an der Ernsthaftigkeit der Schwarzhaarigen, doch selbst ihre Anwesenheit war ihm in seiner Situation genug. Vielleicht stolperte sie ja ausversehen wirklich darüber, oder lenkte ihn zumindest ausreichend ab, um nicht direkt den Mut zu verlieren. Bisher hatte es ja gut geklappt.
„Meinst du, er rückt’s dann von selbst wieder raus?“, entgegnete er mit fragend gehobener Augenbraue und warf einen kurzen Blick über die Schulter.
Jetzt aber stellte sie sich wirklich schwerer von Begriff als sie eigentlich war. Liam runzelte kurz die Stirn und überlegte, ob er sich wirklich so kompliziert ausgedrückt hatte. Letztendlich kam er aber zu dem Schluss, dass Shanaya einfach Shanaya war. Sie wollte es hören. Klar, deutlich, als Futter für ihr viel zu großgewachsenes Ego. Liam konnte es ihr nicht verübeln und hatte auch kein Problem damit. Anders, als ziemlich viele andere Menschen auf der Sphinx.
„Du bist ein Freigeist, der kein Problem damit hat, sich alleine zu beschäftigen. Und jeder, der den Versuch wagen würde, dich zu überfallen, hätte wohl den letzten Versuch gewagt.“
Er zuckte mit den Schultern, während sein Blick weiter über den Boden und die hüfthohen Sträucher wanderte.
„Dann hatte Talin damals Glück, auf dich getroffen zu sein, hm? Wie viele Inseln hast du denn schon? Wann hast du damit angefangen?“
Shanaya überlegte angestrengt, ob sie solch ein Lederband schon einmal an Liam gesehen hatte. Aber sie erinnerte sich nicht, hatte kein Bild von den Steinen im Kopf. Sie achtete zwar auf Details, nur prägte sie sich Schmuck nicht sonderlich ein – einfach weil Schmuck nicht zu dem zählte, was für die wichtig war. Hm, sie musste also doch ihre Phantasie spielen lassen, um sich das kleine Band vorzustellen, wie es an irgendeinem Ast hing. Oder sich unter einem Blatt versteckte. Liam Blick und seine Worte kommentierte die junge Frau mit einem munteren Auflachen, ehe sie ein wenig skeptisch mit den Schultern zuckte.
„Ich bin mit nicht sicher, ich glaube, er lässt sich nicht so gern etwas sagen. Aber... versuch es doch.“
Auch, wenn sie da wirkliche Zweifel hatte. Aber hey, so hatten sie ein kleines Abenteuer und konnten einen Schatz suchen. Fast so, als wären sie waschechte Piraten... ein Gedanke, der die Schwarzhaarige noch ein wenig breiter schmunzeln ließ, ehe sie bei der nächsten Antwort des Lockenkopfes ein wenig belustigt schnaubte.
„Gut, dann habe ich es so verstanden, wie du es meintest... ich wollte nur sicher gehen.“
Man wusste ja nie, was ihm vielleicht durch den Kopf ging... Aber wenn es nicht mehr war... Damit zog sie jedoch wieder den Degen, wischte mit der Spitze ein wenig über den Boden, um die Blätter zur Seite zu schieben. Liam antwortete sie, ohne aufzublicken.
„In mehr als einer Ansicht, absolut!“ Sie lächelte. „Wirklich gezeichnete Karten habe ich leider noch nicht viele. Ich habe zu unzähligen Daten aufgeschrieben, aber die Inseln, die ich bereist habe, bevor ich auf die Sphinx kam, konnte ich leider nicht SO erkunden, wie ich wollte, mir fehlen also wichtige Notizen dazu. Dafür habe ich mehr als genug Karten von Yvenes...“
Sie wusste wirklich nicht, wie oft sie ihre Heimatinsel erkundet und gezeichnet hatte.
Unter anderen Umständen hätte er den Spaß wohl weitergesponnen, doch gerade erlebte Shanaya den Lockenkopf tatsächlich in einer seiner seltenen, eher unentspannten Phasen. Seine Lippen verzogen sich dennoch zu einem kurzen Schmunzeln, als sie dazu anhielt, es doch einfach zu versuchen. Statt eines ernsten Wörtchens aber bekam der nächste Busch aus Gestrüpp einen gezielten Hieb mit seiner eigenen Machete ab, die bis eben noch an seinem Gürtel befestigt gewesen war. Mit Machete in der Hand hätten sich die Lianen nur schwer tragen lassen – und auf dem Rückweg hatte er ja eigentlich einen geschlagenen Pfad gehabt, so wie auch jetzt. Gerade aber hatte es tatsächlich etwas von Genugtuung, selbst wenn es ihn keinen Schritt weiterbrachte. Metaphorisch. Buchstäblich tat es das nämlich schon. Indes hatte er es wohl geschafft, sich bezüglich seiner Aussage aus der Gefahrensituation zu bringen. Fragend runzelte er die Stirn, während er überlegte, wie genau die Dunkelhaarige seine Worte verstanden hatte, ehe er sich kurzerhand mit der Frage an sie wandte – sie wusste es immerhin am besten.
„Was hast du denn geglaubt?“
Tatsächlich hätte er Shanaya nicht so eingeschätzt, dass sie zeichnete – in ihrem eigenen Interesse. Sie wirkte mehr wie jemand, der Dinge tat, von denen er danach etwas Handfestes hatte. Was auch immer, jedenfalls mehr als ein Blatt Papier oder ein Buch. Umso interessanter war diese Art an ihr, denn sie passte in seinen Augen so gar nicht zu dem vorlauten Mädchen, dass sie sonst so gern und mit so viel Leidenschaft verkörperte.
„Yvenes, mh?“, wiederholte er ihre Worte, suchte aber lieber weiter, statt sich zu ihr umzuwenden. „Hat sich die Insel so sehr verändert? Ich war… ewig nicht mehr dort.“
Ewig traf es wohl gut. 20 Jahre? Himmel, er hatte sie wirklich nicht mehr lang gesehen, aber viel verband er mit seiner Heimat auch nicht. Dazu war er inzwischen viel zu sehr daran gewohnt, stets unterwegs zu sein.