26.04.2016, 22:12
Der Regen kam ihm gerade recht und musste mal wieder dafür herhalten das lang ersehnte heiße Bad zu ersetzen. Die ausnüchternde Wirkung gehörte zu den eher unerfreulichen Aspekten. Dem ließe sich leicht abhelfen, wenn er nicht gerade die erbärmlichen Reste an Kleingeld an den Docks auf einem umgedrehten Fass verzockt hätte. Theoretisch praktisch gesehen auch noch die Taschenuhr seines Großvaters, aber wenn es eins gab, was Asher wirklich verdammt gut konnte, dann war das die Beine in die Hand zu nehmen. Und sollte ihm jemand in Tokara ernsthaft mit Ehrenschulden kommen – guter Witz, der sich mit ner gebrochenen Nase würdig beantworten ließ.
Sich jetzt in eine dunkle Ecke zu verziehen, wie ein räudiger Köter in der Gosse zu übernachten und das Ganze auszusitzen, war keine Option. Erst recht nicht mit sinkendem Alkoholpegel. Nass bis auf die Knochen und nach Luft schnappend, wie nur Raucherlungen einen dramatischen Auftritt vervollständigen konnten, kam er vor irgendeiner dreckigen Kaschemme zum Stehen. Ein paar Monate hätten reichen zu müssen, um sie alle zu kennen, aber nicht, wenn man die Hälfte der Zeit im Delirium verbrachte. Und selbst so ging ihm die Stadt aus irgendeinem Grund schon wieder mächtig auf die Nerven. Eigentlich gab es hier alles, was er für ein Rundum-Wohlfühlpaket brauchte: billigen Rum, in ranzigem Fett gebackenes … Etwas, von dem er nicht wusste woraus es bestand, aber es schmeckte irgendwie Fleischig und war mehr als genießbar, redselige Huren … brachte alles nichts ohne das nötige Kleingeld. Davon schienen ein paar glückliche Mistkerle hier einfach zu viel zu haben. Wahrscheinlich war es Neid. Und wahrscheinlich war er bald der einzige Idiot, der noch nicht auf die Idee gekommen war auf irgendeinem schäbigen Kahn anzuheuern, um sich sein Stück vom Kuchen zu holen. Nunja, vielleicht bis auf den Kerl, der wie bestellt und nicht abgeholt vor der Taverne rumstand. Der hatte vielleicht größere Probleme. Der Gedanke war irgendwie tröstlich. Und noch viel besser, die gedämpfte Geräuschkulisse aus berstenden Stühlen und klirrendem Glas.
„Eh du … nicht, dass ich nicht gern auf Ärsche glotzen würde, aber du stehst im Weg.“
Asher packte den Fremden beherzt an der Schulter und schob sich vorbei. Der Versuch seiner Tante ihm damals beizubringen, dass man gefälligst Entschuldigung und Danke in seinen Wortschatz aufnimmt, wenn man sich in Menschenmassen bewegt und sich im Theater auf gar keinen Fall kommentarlos mit dem Hintern zu ihren Gesichtern an Leuten vorbeischiebt, egal wie verbissen man vorher gegen den Sekundenschlaf ankämpfen musste, war genauso früchtetragend gewesen wie das eckige Rad. Die ständigen Ermahnungen nicht rumzubrüllen wie ein angestochenes Schwein noch viel weniger.
„OY! Wenn ihr hier fertig seid: SCHULTERN EINRENKEN FÜR ZWEI, NÄHEN FÜR DREI GOLDMÜNZEN!“
Er zog kurz den Kopf wieder zurück um eventuell fliegenden Bierkrügen ausweichen und setze dann beherzt nach:
„AMPUTATIONEN FÜR FÜNF!“
Man konnte schließlich nie wissen, ob irgendeinem der armen Bastarde da drin, die sich mit Sicherheit keinen richtigen Arzt leisten konnten, nicht schon seit Wochen was wegfaulte. Asher sackte draußen in den Dreck und kramte nach seinen Zigaretten. Sollten die Muskelberge ruhig zum Propheten kommen. Die offene Büchse hielt er anbietend hoch, in Richtung des verlorenen Schäfchens.
„Hast du da drin n Gespenst gesehen, Kleiner?“