26.03.2020, 23:19
Tarón entging die Unruhe nicht, die bei seinem Pfiff nach Calwah durch die ihn begleitenden Piraten glitt, wie eine stürmische Welle – doch zu seinem Glück schlug die wachsende Müdigkeit seiner Kameraden nicht in unkoordinierten und gegen ihn gerichteten Aktionismus um, auch wenn ihn sein Bewacher von hinten anknurrte und einen Schlag mit der Waffe zumindest antäuschte.
Tarón ließ es sich diesmal nicht nehmen ihm einen direkten Blick zuzuwerfen, der anstatt Worten ausdrückte, was er von der erneuten Drohung aus dieser Richtung und dem sich trotz allem nicht legenden Misstrauen Enriques hielt:
‘Kapier endlich, dass ich nicht euer Feind bin.‘
Doch er wusste woran diese aktuelle Feindselig begründet lag – zumindest hoffte er, dass dies nicht der normale Modus des Typen war. Und er musste zugeben, dass er selbst leichtsinnig wurde, wenn er unüberlegt solche Sachen tat. Das ganze Spektakel nagte auch an ihm und auch wenn er weder verletzt noch betrunken war, fiel es dem Falken langsam schwer sich so vollends zu konzentrieren, wie er gerne gewollt hätte.
‘ Du wirst alt, Tarón…‘
Doch diese bittere Erkenntnis half dabei sich für den Rest des Weges erneut zu sammeln. Noch war er nicht ‚alt genug‘, um derlei Schlampigkeit tatsächlich zu rechtfertigen. Und so schärfte er seine Sinne für die Situation.
Es kamen weitere Gestalten in Sicht und Tarón sah den leblosen Körper eines Jungen in den Armen der Frau, die er schon zuvor gesehen hatte. Auch Enrique sah sie und erneut zuckte etwas in seinem Gesicht auf, ehe der Mann es mit erstaunlicher Disziplin hinter seine konzentrierte Maske gleiten ließ.
War es wegen dem Jungen? Oder wegen der Frau? Beides? Tarón fügte das Puzzelteil still den anderen hinzu, die er in dieser Nacht bereits gesammelt hatte.
Sein eigener Blick verharrte einen Moment auf der leblosen Gestalt des Jungen und obwohl er ihn nicht kannte regte sich ein kurzer Hauch von Wehmut in ihm. Zu jung, um so zu enden – zu anrührend an die Erinnerungen, die er selbst in sich begraben hatte.
Tarón wandte den Blick ab. Die deutliche Aufforderung des Käptns kam ihn in diesem Moment nur recht, als er sein Schritttempo anzog und zusah, dass er mit den anderen aufs Schiff gelangte.
Sein neuer Lieblingsfreund Enrique übernahm dort fürs Erste das Kommando und lieferte ihm zeitgleich eine weitere nicht irrelevante Information: nämlich den Namen des sympathischen Blonden, in dessen Richtung er ihn wies.
Tarón begegnete erneut dem Blick des Kommandierenden, der nun aber zumindest die Güte besaß seine Waffe wegzustecken. Sein rechter Mundwinkel zuckte in der Andeutung eines einseitigen Lächelns empor, als er ihm das „Aye.“ mit einem akzeptierenden Kopfzucken zuraunte und sich anschließend umgehend an die Arbeit machte.
Er kam allerdings nicht umhin zu bemerken, dass der zuvor gefesselte Gefangene fröhlich, frei und ungehindert durch die Gegend sprang – eine geladene Waffe in der Hand. Mit Enrique hatte Tarón damit wohl das große Los gezogen, wenn der Rest der Truppe mit weitaus offensichtlicher vertrauensunwürdigen Typen so verfuhr. Doch er schluckte das Seufzen herunter, das ihm auf den Lippen lag. Es nutzte nichts – es gab für ihn wohl nur einen Weg: im Gegensatz zu dem dunkelhäutigeren Ex-Gefangenen musste er sich das Vertrauen der Leute um ihn herum wohl härter erarbeiten.
Da er noch unverletzt war und seine eigene Müdigkeit lediglich dem Umstand geschuldet war stundenlang darauf konzentriert sein zu müssen nicht einen potentiell tödlichen Fehler in der Einschätzung der Menschen um ihn herum zu machen, versuchte Tarón aufzufangen, was den verletzten Mitgliedern der Crew an Kraft fehlte. Es tat gut wieder das Schaukeln eines Schiffrumpfes unter sich zu spüren – trotz der Umstände - und für den Moment spülte die altvertraute Arbeit an Deck die Zeit hinfort. Das erste Mal seit Monaten fühlte er sich wieder vollständig. Altvertraute Handgriffe, Abläufe, die er im Schlaf ausführen konnte. Dennoch zwang er einen Teil seiner Aufmerksamkeit zurück auf das Ufer und das Geschehen dort, um nicht irgendetwas zu übersehen.
[Erst auf dem Weg zum Schiff , dann an Deck bei den anderen]