29.08.2024, 18:06
Für den (normalerweise hoffentlich unwahrscheinlichen, aber hier hoffentlich zutreffenden) Fall, dass ein Auftragsmörder seinen wohlverdienten Wochenends-Angelausflug in einem kleinen Boot vor den Klippen von Ritu verbrachte, konnte er an diesem Tag drei Dinge in Folge hören:
Erstens, einen Ruf, undeutlich und weit weg.
Zweitens, ein Platschen, immer noch weit entfernt, aber schon auffällig genug, um vielleicht ärgerlich den Kopf zu wenden und sich unter dem Bart über die an den Bug schwappenden Wellen zu beschweren, die bestimmt sämtliche Fische verjagten.
Drittens, Stille. Gut, ob man die hören kann ist debattierbar, aber sie dauerte eine ganze Weile lang an und Auftragsmörder achten bestimmt auf so etwas.
Drittens-wenn-Stille-nicht-zählt, einen dumpfen Stoß am Bootsrumpf. Dann ein Platschen, ein Klatschen, eine Hand am Dollbord, im nächsten Moment rumpelte und ruckelte das ganze Boot, Wasser schwappte über die Planken und mit ihm ein pitschnasser Pirat – vielleicht auch ein sehr großer, etwas unförmiger Fisch, zumindest zappelte er genauso, bis er all seine Arme und Beine sortiert bekam, und waren das Algen in seinen (Nasen-)Haaren?
Aber nein, es war ein Mensch: Trevor hatte eine Harpune in der Hand und ein sehr breites Grinsen im Gesicht, als er sich schließlich dem Auftragsmörder-(hoffentlich)-im-Urlaub gegenüber auf die Ruderbank verfrachtete. Er war ein bisschen außer Atem.
„Josi! Du wolltest doch nicht ohne mich das Seeungeheuer jagen gehen?“
Es war ein farbloser, kalter Sonnenuntergang. Blau und gelb hatte sich ineinander verwaschen wie zwei Tropfen Farbe, die Opfer des Wasserglases eines Kindes geworden waren. Jetzt kämpften nur die letzten Sonnenstrahlen noch am Horizont, nicht mehr lange, und die Dämmerung würde sich über dem Himmel ausbreiten. Aber der Himmel war klar, die Luft noch warm und das Wasser ruhig.
Josiahs kleines Ruderboot schwankte sanft über einem Riff unweit der Küste von Rita. Er hatte der Insel den Rücken zugekehrt, den Blick aufs Meer gerichtet, wo noch vereinzelnte Fischerboote ihre Segel hissten, um sich auf den Heimweg zu machen. Seinen Kopf leicht zur Seite geneigt, den Rücken nach hinten gelehnt und die Beine lang ausgestreckt. Vor ihm im Boot, zwischen seinen Stiefeln, lagen die Harpune, gezäumt von Messern und einem Seil. Weiter vorne der Eimer mit dem Deckel, neben einem Stoffhaufen in der Mitte. Er hatte die Fackeln in Leinen gewickelt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Die Laterne vorne am Bug des kleinen Ruderbootes flackerte aber bereits schwach.
Als Bild wäre die Szenerie wohl als "Stille" beschrieben worden. Wäre da nicht das Platschen, Planschen und Gegröle gewesen, dass Josiah mit aller Geflissenheit ignoriert hatte und stattdessen ganz, ganz, ganz konzentriert sich mit Blick weg von allem, was sich auf ihn zubewegen könnte, auf den Sonnenuntergang konzentrierte. Die Mine leicht zerknirscht, die Aufmerksamkeit trotz allem auf das was hinter ihm lag gerichtet. Es war wieder "Still" geworden, aber Josiah wagte es kaum, sie "Stille" zu nennen. Es war lediglich das Fehler jeglicher Geräusche. Das Innehalten kurz vor dem Chaos. Das Erstarren eines jungen Katzentieres, bevor es einem ins Gesicht sprang.
Dann ein dumpfes Aufschlagen, als etwas gegen den Rumpf stieß. Es platsche. Das Boot erzitterte, und das Zittern wurde zu einem Schaukeln als sich eine Hand über die Reling schob. Josiah spielte kurz mit den Gedanken, was passieren würde, wenn er jetzt eines seiner Messer griff und sie durch den Handrücken jagte. Dann tauchte auch schon Trevor auf.
Josiah verzog die Mine, als der junge Mann sich geschickt in das Boot hinein hievte. Wasser tropfte ihn aus seinen Haaren, seinen Klamotten, seinem "überall". Josiah brachte mit einem gezielten Tritt die Fackeln in Sicherheit.
"Trevor." Er schaffte es nicht, Begeisterung in seine Stimme zu bringen. "Wie könnte ich nur."
Er neigte den Kopf leicht zur Seite, begutachtete die Harpune. Still schwimmen oder geschickt tauchen konnte Trevor ja wenigstens schonmal. Aber mit Harpunen umgehen?
"Kannst du damit umgehen oder hast du sie bloß gefunden und als spaßig abgetan?", erkundigte er sich schließlich.