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Dancing with your Demons
Crewmitglied der Sphinx
für 60 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#1
Dancing with your Demons
bespielt von    Liam Casey   Shanaya Árashi
03.07.1822
Dancing with your Demons

Abend des 03. Juli 1822
Liam Casey & Shanaya Árashi
Der Tag neigte sich dem Ende und eigentlich hatte Shanaya etwas erledigen wollen, sie wurde jedoch von einem Anblick aufgehalten, der sie für zwei Herzschläge inne halten und ihren Plan umdenken ließ. Kurz hielt die junge Frau noch inne, ehe sie sich umwandte, die Treppe zum Unterdeck herunter eilte und zu ihrer Hängematte schritt. In ihrer Tasche, die dort lag, kramte sie nach zwei Streifen Trockenfleisch, von denen sie einen zwischen die Lippen steckte. Halb darauf herum kauend schnappte sie sich um Vorbeigehen noch eine Flasche Rum und machte sich wieder auf den Weg an Deck.
Die Sonne spendete nur noch wenig Licht, verschwand zum Großteil schon hinter dem Horizont. Die Schwarzhaarige hielt sich jedoch nicht lang mit diesem Anblick auf, ihr Weg führte sie direkt zu dem Mann, der an der Reling stand, den Blick zu besagtem Horizont gerichtet. Sie gab sich keine Mühe, besonders leise zu sein, näherte sich Liam mit einem sachten Lächeln auf den Lippen.

„Du kannst eins von Beiden wählen.“

Mit diesen Worten hob die junge Frau die Flasche und das Stück Trockenfleisch an, ohne den Blick von dem Lockenkopf zu nehmen. Der Ausdruck auf ihren Zügen wurde noch ein wenig sanfter, wärmer. Ehrliches Interesse lag in ihrem Gesicht und in ihrer Stimme, die jetzt ein wenig leiser, vorsichtiger wurde, als zuvor.

„Wie geht es dir?“
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#2
Der Tag war rum und die Sonne trennte nicht mehr viel vom Horizont. Wohin die letzten Stunden verschwunden waren, konnte Liam nicht wirklich sagen. Immer wieder hatte er sich mit den alltäglichen Aufgaben abgelenkt, bloß um plötzlich festzustellen, dass er schon wieder eine geraume Zeit in die Ferne gestarrt hatte, ohne zu merken, wie die Zeit an ihm vorbeigerauscht war. Entgegen seiner üblichen Art hatte er heute nicht viel gesprochen und hatte die Interaktionen mit den anderen meist unbewusst auf Mimik beschränkt, weil ihm nicht nach Gesellschaft war. Anders als sonst, wenn er seinen Gedanken nachhing und durch seine eigene kleine Welt marschierte - Er wollte das Bedauern in den Gesichtern der anderen einfach nicht sehen, als hätte es das leichter gemacht, nicht an die verhängnisvollen Geschehnisse des gestrigen Tages zu denken. Mittags hatte er eine Zeit lang schweigend mit Rayon in der Kombüse verbracht. Eine heilsame Schweigsamkeit, die wohl mehr zwischen den beiden Männern gesprochen hatte, als hätten sie wirklich zu Worten gegriffen. Ansonsten hatte er immer mal beiläufig Skadis Nähe gesucht, ihr einen Kuss auf die Schläfe gehaucht und sich einfach nur davon vergewissert, dass sie noch da war, ohne sie bei ihrer Arbeit zu stören.

Als Liam das nächste Mal bewusst blinzelte und gen Horizont blickte, war kaum mehr was von der Sonne zu sehen. Die Schritte hinter sich hatte er die ganze Zeit nur unbewusst wahrgenommen, ihnen aber keine große Beachtung geschenkt. Erst, als neben ihm eine Stimme erklang, riss es ihn aus der Leere seiner Gedanken und ließ ihn aufsehen. Erst musterte er Shanayas Gesicht, dann die Auswahlmöglichkeiten, die sie ihm mit einem sachten Lächeln entgegenhielt. Er brauchte nicht lange, um eine Entscheidung zu treffen, ließ sich aber dennoch Zeit, bis er träge die Hand hob und sich - natürlich! - für den Rum entschied.

„Das war einfach.“, meinte er mit einem blassen Lächeln. Appetit hatte er keinen. Bereits seit gestern nicht. Gegessen hatte er trotzdem. „Es war schon besser.“ Er hatte keinen Grund, das zu beschönigen. Er fand aber auch nichts verwerflich daran, dass einen der Tod eines Menschens (oder mehrerer) nicht kalt ließ. Vor allem nicht, wenn man selbst irgendwie dafür verantwortlich war. „Und dir?“
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#3
Shanaya wartete ab, musterte Liams Gesicht, während er sich Zeit mit der Auswahl seiner Optionen ließ. Viel mehr um den Lockenkopf aufzumuntern oder abzulenken war ihr nicht wirklich eingefallen – aber wenigstens kam eine der beiden Ideen an. Liam griff nach dem Rum, verkündete, wie einfach die Entscheidung war und entlockte der Schwarzhaarigen damit ein leises Lachen und ohne lang zu zögern verschwand das zweite Stück Trockenfleisch auch in ihrem Mund. Sein Lächeln wirkte dabei nicht wie eines, das man von Liam gewohnt war, das nahm sogar sie wahr, die man nicht unbedingt in die empathische Spalte geschoben hätte.
Die nächste Antwort ihres Freundes ließ ihr Lächeln trotzdem einen Hauch wärmer werden. Jede andere Antwort hätte sie gewundert, immerhin hatte sie Liam nie als Jemanden eingeschätzt, der um die Wahrheit herum quatschte. In diesem Fall wäre ihr der Lockenkopf vermutlich nicht so wichtig, wie er es letztendlich war. Schließlich erkundigte er sich, wie es ihr erging, die Antwort darauf zögerte sie jedoch hinaus. An erster Stelle, weil ihr kein Crewmitglied weg gestorben war und zweitens… ja.

„Das wundert mich nicht. Du weißt aber, dass dich keinerlei Schuld trifft?“

Die Schwarzhaarige maß sich nicht an, jeden und alles vollkommen zu kennen (was sie natürlich nicht von einem Urteil ihrerseits abhielt), aber einen leisen Verdacht hatte sie bezüglich dieser Situation schon.

„Jeder ist selbst für sein Glück verantwortlich.“

Ihre blauen Augen ruhten auf dem Mann, ohne irgendeine Erwartung darin. Peregryne war ihr nicht wichtig gewesen, sein Tod traf sie nicht im Geringsten. Aber Liam war anders gestrickt, sie konnte sich, zumindest zum Teil, gut vorstellen, was in seinem Inneren vor sich ging. Sie ging also weiterhin nicht auf seine Frage nach ihrem Befinden ein. Das hatte später noch Zeit und sie bot ihm keinerlei Raum, ihren Worten auszuweichen.
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#4
Er war schon immer gewesen wie er war - Fürsorglich, offen und ehrlich. Seine Antwort war wahr und lud trotzdem nicht zwingend dazu ein, sich weiter darüber zu unterhalten. Es ging ihm nicht gut. Das war offensichtlich und absolut legitim, wie er fand. Sollten die Menschen doch glauben, was sie wollten. Für Liam zählte nicht deren Empfinden, für ihn zählte sein eigenes. Mit Shanaya hatte er allerdings genügend Zeit auf diesem Schiff verbracht, um zu wissen, dass sie es nicht anders handhabte - ihm aber den Freiraum ließ, sein eigenes Empfinden auszudrücken, auch wenn sie es nicht zwingend nachvollziehen konnte. Langsam öffnete er die Flasche, während er ihren Worten lauschte. Seine Lippen zuckten freudlos, ehe er seufzte und einen Moment schweigend den Rum zwischen seinen Fingern musterte.

„An Per? Nein.“, gab er zu, ließ die Flasche kurz in seiner Hand kreisen. „An der Situation? Auch nicht allein.“ Er hoffte, dass sie alle in diesem Moment ähnlich gehandelt und den Jungen (und die anderen Kinder) nicht einfach seinem Schicksal überlassen hätten. „Irgendwie ist es ja schon unsere Aufgabe, denen zu helfen, die sich selbst nicht helfen können.“

Er bereute es nicht. Rayon ebenso wenig, mit Cassy hatte er darüber noch nicht gesprochen. Sie hatten geahnt, dass es gefährlich werden würde. Vielleicht wäre es anders ausgegangen, hätte man ihn nicht erwischt. Aber in Was-Wäre-Wenn-Szenarien verlor sich Liam so gut wie nie. Es war ein Risiko gewesen, aber sie hatten gewusst, dass sie handeln würden, wenn ihre Vorahnung Recht hatte. Sie alle hatten das gewusst.

„Ich werde mich wohl trotzdem nie daran gewöhnen, dass man manchmal einfach nur schneller sein muss, wenn man überleben will.“

Schneller damit, ein Leben auszulöschen. Liam hasste es. Er würde es immer hassen. Er würde immer zögern, wenn es eine Alternative gab. Ausschalten statt ausschalten. Er wusste, dass er damit auf diesem Schiff fast alleine war.
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#5
Sie beide wussten vermutlich, dass Shanaya sich in vielen anderen Fällen wenig darum gekümmert hätte, was mit einem Anderen los war. Sie scherte sich nicht um viele Menschen – und sie machte daraus nun auch wirklich kein Geheimnis. Aber Liam bedeutete ihr etwas, er lag ihr am Herzen. Und sie kannte den Lockenkopf inzwischen gut genug um zu wissen, dass er sich wegen der Sache um Peregryne den Kopf zerbrach, sich vielleicht auch selbst dafür geißelte, was geschehen war. Sie war anders, das wusste sie. Den ersten Menschen, den sie getötet hatte, hatte sie recht schnell verkraftet, vielleicht auch, weil er sich an ihr vergehen wollte. Und auch, wenn sie nicht wusste, ob Liam schon einmal in solch einer Situation gewesen war und man die beiden Dinge auch nicht unbedingt vergleichen konnte, glaubte Shanaya ein wenig nachfühlen zu können, wie es dem Älteren erging. Nur wie man das Ganze lösen konnte… dafür hatte sie noch keine Idee. Und so beobachtete sie erst einmal mit ruhiger Miene das freudlose Lächeln des Mannes, wie er die Flasche öffnete und schließlich zu einer Antwort ansetzte. Er sah nicht zu ihr, hielt den Blick auf den Rum gesenkt.

„Gut, ich hoffe, dass du daran oft genug denkst. Dich trifft in keinster Weise irgendeine Schuld. Ich war nicht dabei, ich kenne die genauen Umstände nicht. Aber ich weiß, dass du ihn nicht einfach so hättest sterben lassen oder irgendetwas getan hättest, was dafür sorgt, dass er in Gefahr gerät. Und du hast nicht selbst geschossen.“

Ein sanftes Lächeln galt ihrem Freund, ehe sie die Hand hob, sie für einen Moment auf Liams Oberarm legte. Der Ton in ihrer Stimme machte ihm hoffentlich klar, dass sie keine Widerworte duldete, dass sie ihn wieder und wieder daran erinnern würde. Liam gehörte zu den letzten Menschen, denen sie so etwas zu traute. Er war eine treue Seele, hatte ein gutes Herz. Sie traute ihm auch zu, seinem schlimmsten Feind in dunkelster Stunde zu helfen. Das war nicht ihre Art und Weise, um genau zu sein, war sie unendlich viele Meilen davon entfernt, aber mit der Zeit hatte sie diese Eigenschaft an Liam zu schätzen gelernt. Er balancierte das Ganze gut aus, bildete genau wie Greo einen Kontrast zur restlichen Crew. Sie seufzte auf die Worte des Dunkelhaarigen hin leise, überlegte einen Herzschlag, bevor sie weiter sprach.

„Ich will auch nicht den Tag erleben, an dem du dich daran gewöhnst, das wärst nicht du. Du gehst mit so etwas anders um, als ich. Ich bin schon auf der Morgenwind anders mit den Leben der Soldaten umgegangen, als du. Und das machst dich aus. Stell dir Mal vor, jeder wäre da wie ich. Alle Welten würden dauerhaft im Krieg leben.“

Sie lachte nicht, gab jedoch ein leises Glucksen von sich, weil das eine wirklich groteske Vorstellung war. Ihre blauen Augen ruhten dabei weiter auf Liam, noch immer einen warmen Ausdruck darin.

„Vielleicht wird es wieder passieren, vielleicht auch nicht. Du darfst deswegen aber auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken, hörst du?“
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#6
Liam bildete sich nichts darauf ein, mit der kleinen Elster gut auszukommen. Er hatte mit Shanaya noch nie ein Problem gehabt. Anfangs hatte sie ihn vielleicht ein bisschen belächelt, aber das war ihm herzlich egal gewesen. Er kannte seine Qualitäten und die lagen weitaus eher in der Abenteuerlust und Kreativität als im Kampfgeschehen. Daraus hatte er nie ein Geheimnis gemacht, hatte inzwischen aber auch schon allzu oft bewiesen, dass er nicht zögerte, wenn es darauf ankam. Manchmal wünschte man sich zwar, dass er Situationen früher als aussichtslos einschätzte, aber bisher hatte es eigentlich immer gereicht. Bei Per? Sie hatten damit nicht rechnen können. Und Per hatte ganz bestimmt gewusst, dass er sich mit seiner Aktion selbst zur Zielscheibe machte. Liam war auch nicht für die Entscheidungen ihres verstorbenen Kameraden zuständig. Per war erfahren gewesen. Und es hätte gut ausgehen können. Hätte es aber genauso, hätte er die Kugel gefangen, die für ihn bestimmt gewesen war. Wäre auch nicht die erste gewesen. Vermutlich auch nicht die Letzte.
Liams Lächeln war blass, als Shanaya ihm gut zuzureden glaubte. Da zeigte sich wieder, wie unterschiedlich sie doch waren. Die Schwarzhaarige hätte sich die Schuld nicht aufladen wollen. Wenn sie im Glauben war, alles richtig gemacht zu haben, war sie unantastbar. Der Lockenkopf war anders. Für ihn zählte nicht nur richtig oder falsch. Für ihn zählte mehr.

„Es geht nicht um Schuld, Shanaya. Es geht darum, dass wir zu dritt aufgebrochen sind und nur zu zweit zurückkamen.“

Dass sie alle nicht ausreichend aufgepasst hatten. Dass die Kugel für ihn bestimmt gewesen war, war nur ein letzter, unbedeutender Tropfen in diesem ganzen Fass. Sie hatten nicht ausreichend aufgepasst. Es hätte jeden von ihnen treffen können. Vielleicht hätte Per es geschafft, hätten sie ihn vor Ort verarztet - er wusste es nicht. Rayon genauso wenig. Sie konnten es nicht sagen. Das Lächeln, was sie ihm schließlich wieder auf die Lippen lockte, war ehrlicher als zuvor.

„Die Welten würden im Chaos versinken, weil alle nur essen wollen, sich aber jeder zu Schade für die Feldarbeit wäre.“, bemerkte er und einem Seitenblick zur Schwarzhaarigen. „Ich bin freiwillig hier, vergiss das nicht. Ich lass' den Kopf nicht hängen.“ Einen kurzen Moment versank er in Schweigen, den Blick wieder gen Horizont gerichtet. Semi-freiwillig, war es inzwischen. Und er war sich sicher, dass es nicht das letzte Mal war, dass so etwas passierten. „Aber es wäre Per gegenüber auch nicht fair, wenn wir ihn einfach direkt vergessen würden. Er war Teil der Sphinx wie Aspen es war, wie Scortias, wie Feuerbart. Wer weiß, ob wir ohne sie da wären, wo wir jetzt sind.“
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#7
Zum größten Teil glaubte Shanaya den Worten des Lockenkopfes. Liam war nicht der Typ dafür, der irgendetwas schön redete oder unter den Teppich kehrte. Und trotzdem, da war diese leise Ahnung. Es mochte auch sein, dass sie ihn in diesem Punkt falsch einschätzte, aber sie glaubte, dass er sich vielleicht mehr Schuld zu sprach, als er jetzt offenlegte. Aber ihr blieb nicht viel mehr übrig, als seine Worte zu glauben. Daran, dass er sich wirklich nicht vor Schuld zerfraß. Sollte sie so etwas in der Richtung mitbekommen, würde sie ihn sich also noch einmal schnappen. So viel stand fest.

„Das ist die Gefahr für jeden, der sich Pirat nennt. Wir alle leben mit dem Risiko, den nächsten Sonnenaufgang nicht zu erleben. Und wer dieses Risiko nicht eingehen kann oder will, ist hier falsch. Und Peregryne wusste um dieses Risiko.“

Das war eine Einstellung, die für Shanaya unverrückbar war. Sie alle lebten mit der Gefahr, sich eine Kugel zu fangen. Sie waren vogelfrei, auch wenn manch einem das nicht wirklich bewusst war. Sie hatte nicht eine wirklich hohe Meinung von dem Verstorbenen gehabt, aber so viel hatte sie ihm zugetraut. Zu wissen, dass dieses Leben kein Ponyhof war und nicht alles aus bunten Blumenwiesen bestand. Aber wenigstens lockten ihre Worte dem Dunkelhaarigen ein etwas ehrlicheres Lächeln auf die Lippen, auch, wenn die junge Frau es nicht aussprach, war ihr das sehr viel wert.

„Hey! Ich habe schon auf Feldern gearbeitet! Nur halt… nicht offiziell. Oder legal. Aber was bauen die Bauern auch so leckere Sachen an?“ Sie konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. Wie gut, dass auf Yvenes kaum etwas angebaut wurde, so hatte sie es sich nur mit den Bauern auf anderen Inseln verscherzt, die sich vermutlich nicht mehr an sie erinnerten. „Aber gut, ich werde dich daran erinnern, solltest du das einmal vergessen.“

Und das meinte die Schwarzhaarige vollkommen ernst. Sie konnte es nicht leiden, wenn man sich in Selbstmitleid suhlte, aus welchem Grund auch immer. Für Kurze Zeit, nach solch einem Erlebnis… aber dauerhaft. Vorher würde sie Liam den Kopf mit Salzwasser waschen, da konnte er sich sicher sein.
Jetzt richtete der Ältere den Blick zum Horizont und Shanaya tat es ihm gleich, genoss einen Moment den sachten Wind auf ihrem Gesicht, in ihrem Haar. Als Liam schließlich wieder sprach, ließ die Schwarzhaarige die blauen Augen auf den Horizont gerichtet. Bei allen, die der Lockenkopf nannte, war sie sich ziemlich sicher, dass sie trotzdem genau da war, wo sie jetzt war. Aber sie schwieg dazu, weil es hier nichts brachte, darüber zu philosophieren.

„Freust du dich auf das Lichterfest?“

Mit einem ehrlichen Lächeln richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Liam, wandte sich lieber den schönen Dingen zu. Sie würde Peregryne vergessen, so wichtig war er ihr nie gewesen. Aber es war kein Geheimnis, dass sie und Liam einfach grundverschieden waren.
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#8
Es war kein Geheimnis, dass sie unterschiedlich funktionierten. Obwohl Liam schon früh heimatlos durch die erste Welt gereist war, hatte der Begriff Familie einen unheimlich hohen Stellenwert für ihn. Schon vor ihrem Aufbruch hatte er seine Eltern immer an seiner Seite gehabt, solange es seiner Mutter möglich gewesen war. Danach hatte es nur noch sie beide gegeben - Noah und ihn - doch der Verlust hatte sie förmlich noch mehr zusammengeschweißt als ohnehin schon. Auch jetzt noch, obwohl er ihn seit gut über einem Jahr nicht mehr gesehen hatte und nur dank Signaturen in Büchern wusste, dass er überhaupt noch lebte (oder gelebt hatte, bis das Buch auf den Markt gekommen war), fühlte er sich seinem Vater unheimlich nah. Er war ein Teil von ihm, so, wie Liam auf ewig ein Teil von ihm sein würde. Shanaya hingegen hatte vielleicht zu viel Zeit mit ihrer Familie verbracht. So sehr sie sie auch verachtete, so sehr musste sie sich wohl auch eingestehen, dass sie die Verwandtschaft nicht leugnen konnte. Ob das alles nur ein Resultat ihrer Erziehung war oder nicht, war mal dahingestellt. Liam mochte sie trotzdem. Auch, wenn sie sich in einigen Dingen nicht ganz so einig waren. Das war okay, solange der jeweilige Gegenüber das akzeptierte. Und ja, Liam akzeptierte, dass sie den Verlorenen weniger hinterher trauerte. Und bis zu einem gewissen Grad hoffte er für sie, dass sie sich diese Distanz möglichst lange erhalten konnte. Das Wesentliche durfte sie dennoch nicht aus den Augen verlieren.

„Es ist ein Risiko.“, gab er ihr Recht. „Eines, dessen wir uns wohl alle bewusst sind. Aber es sollte trotzdem nicht unser Ziel sein, uns auf diesem Risiko auszuruhen, sondern so oft wie möglich verhindern, dass es Recht hat.“

Sein Blick war entschlossen, wenn auch längst nicht so herzlich und fröhlich, wie man es von ihm gewohnt war. Ihr Ziel sollte es sein, aufeinander aufzupassen, zusammenzuhalten, dem Leben zu trotzen, füreinander einzustehen. Er war niemand, der jemanden einfach zurückließ, bloß weil sich das Risiko ihn holte. Er war bereit, alles zu geben, um die anderen in Sicherheit zu wissen. Auch, wenn er wusste, dass es nicht jedem so ging. Es war sein Gewissen, mit dem er leben musste. Nicht ihres. Liam meinte seine Worte nicht vorwurfsvoll. Aber er hielt auch nicht hinter dem Berg mit seiner Ansicht. Er erwiderte dementsprechend ihr Lächeln, wenn auch schwach.

„Ich glaube, wir meinen eine unterschiedliche Art von Feldarbeit.“, vermutete er. Diebstahl auf dem Feld hätte er wohl weniger als Feldarbeit betitelt. Liam nickte abwesend auf den Rest ihrer Worte und nahm den Themenwechsel gar nicht mal so unglücklich hin. „Ja. Letztes Jahr war es atemberaubend. Kannst du dem Ganzen etwas abgewinnen?“

Licht in der Dunkelheit, Hoffnung an Tagen, an denen man kaum zu hoffen wagte. Liam sah in all den Lichtern auch Gedenken. Gedenken an die, die nicht mehr bei einem waren und einem trotzdem den rechten Weg erhellten.
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#9
Die blauen Augen der jungen Frau lagen ruhig auf ihrem Gegenüber, während sie versuchte, seine Gedanken zu erraten. Zu erkennen, woran er dachte, wie viel Wahrheit in seinen Worten lag. Aber letztendlich blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm zu glauben, zu hoffen, dass er sich wirklich nicht in Schuld suhlte, weil Peregryne angeblich wegen ihm gestorben war. Mit ihrem nächsten Atemzug stimmte Liam ihren Worten zu, hängte jedoch noch eine Ergänzung an, die Shanaya kurz nachdenken ließ. Nicht jeder war sich diesem Risiko bewusst, da war die Schwarzhaarige sich sehr, sehr sicher. Aber das war gar nicht der Punkt, um den es hier vorrangig ging. Es gab dieses Risiko. Ende. Egal, ob Jemand davor die Augen verschloss, spätestens die erste Kugel, die traf, würde vielleicht auch den letzten Affen davon überzeugen.

„Wer sich darauf ausruht, ist eben auch selbst Schuld. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass man auch erfolgreich daraus hervor gehen kann, dem Risiko die Stirn zu bieten. Und dass es eben nicht immer Recht hat.“

Wenn auch sicher eine große Portion Glück und noch viele Hände mehr voller Können dabei eine große Rolle spielten. Sie war niemand, der sich auf etwas ausruhte, egal, worum es ging. Umso weniger verstand sie die Menschen, die den Schwanz davor einzogen und sich dem beugten, ohne einen Funken Gegenwehr.
Was er dann auf das Thema Feldarbeit erwiderte ließ Shanaya erneut auflachen, dem Lockenkopf einen gespielt vorwurfsvollen Blick zuwerfen.

„Meine Eltern wünschten, du hättest Recht. Besonders meine Mutter. Ich kann nicht zählen, wie oft sie daran verzweifelt ist, Schmutz aus meiner ach so hübschen Kleidung zu waschen. Ihr wäre sicher lieber, ich würde mir niemals die Finger, oder direkt den ganzen Körper, schmutzig machen.“

Zu dem ganzen Blut, das sie schon von ihren Händen und aus ihrer Kleidung hatte waschen müssen – ob nun ihr eigenes oder fremdes.
Seine Gegenfrage zum Lichterfest ließ das Funkeln in den Augen der Schwarzhaarigen aber deutlich heller werden. Begeisterung lag in dem blau, mit dem sie ihren Freund begeistert anblickte, ein Lächeln voller Vorfreude auf den Lippen.

„Oh ja! Ich konnte es die letzten Jahre nie wirklich genießen, egal, wo wir zu dieser Zeit waren. Ich musste immer brav daneben stehen, ganz das gut erzogene Töchterchen mimend, das ich hätte sein sollen. Wenn ich auch nur einmal falsch die Hand bewegt habe oder zu viel Begeisterung gezeigt habe, gab es Prügel.“ Etwas, was sie vollkommen neutral aussprach, ohne Verbitterung darin. „Deshalb freue ich mich auf jedes einzelne Fest, auf das wir gehen. Weil ich sie endlich Mal genießen kann, ohne mich ständig bei irgendetwas zurück halten zu müssen.“

Ihr Lächeln blieb bestehen, ebbte kein bisschen ab. Sie freute sich auf die Dunkelheit, auf das erste Licht am Morgen nach dem Fest, auf das Fest selbst. Auf all die Lagerfeuer, die Tänze und all die Fackeln. Auf die Laternen, die die Luft erhellten. Auf jeden Moment, den sie in ihrer eigenen Freiheit genießen konnte. Und jedes Fest war für Shanaya irgendwie genau das – ein Fest für ihre Freiheit, auf die sie so viele Jahre lang hin gefiebert hatte. Und all das wollte jetzt in vollen Zügen ausgelebt werden.
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