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Zum Pferde stehlen
Crewmitglied der Sphinx
für Gold gesucht
dabei seit Oct 2020
#1
Zum Pferde stehlen
bespielt von    Jón Nóason   Skadi Nordskov
01.01.1970
"Hey." Jón stapfte McCaskey hinterher. "Hey!", rief er nochmal und packte den schmächtigen Händler beim Ärmel. Jón war fast einen Kopf größer als dieser und hatte trotz seines jungen Alters schon breitere Schultern.

McCaskey riss seinen Arm hoch, aus Jóns Griff heraus, und drehte sich ruckartig zu ihm um. "Ich habe gesagt, wir sind fertig!" McCaskey richtete betont die Brille, die auf seiner großen Nase saß. Jón musste sich zurückhalten, um nicht dasselbe bei sich zu tun -- wenn auch nur, um den Händler zu ärgern.

"Nein, gewiss nicht. Wir sind fertig, wenn du für das bezahlst, was du gekauft hast", sagte er.

"Ich habe für fünf vollends ausgebildete Achtjährige bezahlt, so wie es im Kaufvertrag steht, nicht für vier und einen alten Klepper!"

"Den alten Klepper hast du dir selbst rausgesucht!" Du Arschloch! Jón musste sich beherrschen um nicht laut zu brüllen. Ein paar Leute, die die frequentierte Straße entlang gingen hatten schon angefangen zu starren. Obwohl Jón sich nicht vorstellen konnte, dass es das erste Mal war, dass sowas passierte. "Was glotzt ihr denn so!", fuhr er ein paar junge Männer an, die aussahen als seien sie ungefähr in seinem Alter. Sie wandten ertappt ihre Blicke ab.

Außerdem war Fjalli kein alter Klepper. Er war ein bodenständiger, zuverlässiger, wenn auch etwas älterer, Wallach. Aber so hatte McCaskey es gewollt. Er war selbst in Neistavík gewesen um sich die Pferde anzusehen. Blöd nur, dass er seinen Kurier geschickt hatte, um zu bezahlen, als er selbst schon über alle Berge war.

McCaskeys Lippen spannten sich an und er richtete sich auf. "Zunächst einmal kannst du mir nichts beweisen", sagte er, eine Drohung in seinem Ton mitschwingend. "Und zum anderen: Wenn dein Vater meint, er hätte ein Hühnchen mit mir zu rupfen, dann soll er nächstes Mal selbst aufkreuzen, anstatt einen kleinen Jungen vorbei zuschicken."

Jón lehnte sich nach vorn und senkte die Stimme. "Du kannst froh sein, dass mein Vater nicht selbst vorbeigekommen ist." "O-ho, ich zittere vor Angst", spottete McCaskey mit einer ausladenden Bewegung. Dann stieß er Jón mit den Fingerspitzen von sich weg, als würde es ihn anwidern, dass jemand wie er so nah an ihn herangetreten war. "Hör mal -- vielleicht macht man das in eurem Bauerndorf so, aber von Leuten wie dir werde ich noch immer mit 'Sie' betitelt. Außerdem sind wir hier fertig." Er drehte sich um und ging. "Du wirst von mir mit 'Sie' betitelt, wenn du es verdient hast." Jón zuckte minimal zusammen, als McCaskey sich ruckartig umdrehte und die paar Schritte zurück kam. Er hob ihm drohend den Zeigefinger ins Gesicht. "Ich warne dich, Bürschchen. Sowas muss ich mir nicht bieten lassen." Ein Schweißtropfen rann Jón die Schläfe hinab. Ihm machte die Hitze nichts aus, wohl aber der Gedanke daran, was McCaskey für Verbindungen hatte und was diese anrichten könnten. Jón verengte die Augen. McCaskey nahm Jóns Schweigen wohl als Kapitulation wahr und fügte hinzu: "Einen schönen Tag noch, Herr Nóason", und lief davon. "Wenn du Fjalli nicht willst, dann nehme ich ihn eben wieder mit." Jón zuckte die Schultern. McCaskey hatte keine Geduld mehr, auch, wenn Jón die Anspannung in dessen Stimme hörte. Er drehte sich nicht einmal mehr um, rief nur noch, "Das wagst du nicht", und ließ Jón stehen.


Diese Klufft machte sie jedes Mal von neuem so unsagbar träge. Jede Bewegung in ihr fühlte sich an, als überspannten etliche Lagen dünnen Metalls ihre Gliedmaßen, und hinderten sie daran, im üblichen Schritttempo durch die Straßen zu laufen. Doch es war ein notwendiges Übel, um weiterhin unentdeckt ein Teil der Mannschaft zu bleiben. Nicht mehr lange und ihre Mühen hätten sich ein für alle Mal ausgezahlt. Zumindest hoffte sie das. Bog mit in den Rücken gelegten Händen und entspanntem Gang in die nächste Straße ein, nur um mitten in einen Streit hinein zu platzen und blinzelnd im Lauf stehen zu bleiben. Ein Hüne stand mit abgewandtem Gesicht direkt vor ihrer Nase. Dahinter, so erkannte sie mit knappem Blick an der Silhouette vorbei, ein älterer Herr, dessen Gang unfassbar erhaben, wenn nicht sogar bewusst überlegen wirkte. Was der Jägerin im ersten Augenblick gänzlich entging, waren die Gesichter, die sich erschrocken von ihr und dann gespielt geschäftig der Straße oder nahe stehenden Ständen widmeten. Mit der Marineuniform stach sie heraus, wie ein Paradiesvogel - was meist zum Nachteil wurde, wenn sie allein unterwegs war. Wie jetzt. Irgendwann hatte sie ihre Truppe ein paar Straßenecken entfernt abgeschüttelt und sich den faden und übertrieben maskulinen Unterhaltungen entziehen können. Ein paar Feinde der Marine oder zwielichtige Häscher waren ihr somit lieber, als die Verdummung ihrer Kameraden bei jeder Silbe mit anzuhören. "Lief wohl nicht so gut, hm?" Erst schnellten die dunklen Augen zur Seite. Hinauf bis zum fahlen Schatten unter dem eckigen Kinn, dessen Rest hinter dem dichten Wimpernkranz verschwand. Nur langsam zog Skadi sich aus ihrer Position zurück, neugierig darauf, mit welchem Gemüt sie konfrontiert wurde.

Jón war nicht überrascht, dass eine fremde Person ihn ansprach. Immerhin war sein Streit mit McCaskey kostenlos für jeden zu sehen gewesen -- hätten nur noch ein paar Sitzreihen gefehlt. Nächstes Mal würde er etwas dafür verlangen und dann McCaskeys Maul und jegliche andere Körperöffnungen damit stopfen. Er schüttelte den Kopf und seufzte. Stemmte die Hände in die Hüfte. "So ein widerliches Arschloch." Mehr zu sich selbst, aber trotzdem hörbar für die fremde Person. Sein Blick richtete sich auf sie. Ein Marine-Kerl, der Kleidung nach zu urteilen. Oder Junge, besser gesagt -- er wirkte noch recht jung, mit weicher Stimme und weichen Gesichtszügen. Ein oder zwei Sachen an dem Typen rüttelten an Jóns Intuition, aber er konnte sie noch nicht deuten. "Hast du heute noch was vor? Könnte Hilfe dabei brauchen ein Pferd zu stehlen -- oder besser gesagt: ein Pferd zurückzuholen, für das der im Kaufvertrag vermerkte Betrag nicht bezahlt wurde, es also rechtlich gesehen immer noch mir gehört." Wo Jóns Vater da mit seinem Kopf gewesen war, war Jón ein Rätsel. Er war sonst immer so äußerst kalkuliert und vorsichtig. Als ob ihm jeder etwas Böses wolle -- da hatte er einmal nicht von sich auf andere geschlossen und es dann zur Aufgabe seines Sohnes gemacht, den Fehler auszubügeln. Aber Jón beklagte sich nicht darüber. War ja fast wie Urlaub. Das mit dem Stehlen hatte er nicht ernst gemeint, aber er sah den Soldaten mit einem schiefen Lächeln an. Dass er Fjalli wieder mitnehmen würde war für ihn in dem Moment klar gewesen, in dem er es ausgesprochen hatte. Wenn er dabei Hilfe bekommen würde, um so besser.

Der Gespräch der beiden Herrschaften musste unsagbar hitzig gewesen sein. Sie sah es am Gang des Alten, der bald hinter der nächsten Ecke verschwunden war. Ebenso an den ersten Schweißperlen, die allmählich an den Schläfen ihres Gegenüber hinab rannen. Seine Frage nahm sie mit einem Zucken in den Mundwinkeln zur Kenntnis. Seit wann ging man denn so offen vor der Marine mit einer Straftat hausieren? Entweder nahm der Kerl sie nicht für voll oder besaß eine derart kurze Hutschnur, dass ihm erst in den nächsten Augenblicken klar wurde, mit wem er hier gerade sprach. Nicht, dass es auch nur ansatzweise der Wahrheit entspräche. “Solange euer Vertrag nicht auf Gewässern beschlossen und besiegelt worden war, sind mir dahingehend wohl die Hände gebunden.“ Mit hinaufschnellenden Augenbrauen kippte der kurz geschnittene, dunkle Haarschopf zur Seite. Die Hände demonstrativ erhoben und von einer zur anderen Seite drehend. “Und ich halte es nicht für vernünftig einen Marinesoldaten um Mithilfe zu bitten, meinen sie nicht auch?“ Wie von selbst zog sich ein perfides Grinsen auf ihre Züge. Viel zu amüsiert darüber, dass der Kerl begann zurück zu rudern und doch irgendwie nicht gänzlich von seiner Idee abrückte.

"Oh, ich muss doch sehr bitten", sagte er auf die formelle Ansprache hin. "Mein Name ist Jón Haukur." Ihm ging erst jetzt auf, dass er den Soldaten wohl von seiner Seite aus formeller hätte ansprechen sollen, aber dahingehen hatte McCaskey zumindest recht gehabt: Bei seinen Landsleuten war das eine sehr unübliche Umgangsform. Aber der Soldat sah weder gekränkt noch sonst irgendwie negativ geneigt aus. Gegenüber jeglichen Aussagen, die Jón gerade getroffen hatte. Er sah eher belustigt aus. "Nun ja, ich bin hier ja nicht derjenige, der die Straftat begeht", sagte er und hob eine aufgebrachte Hand in die Richtung, in die McCaskey verschwunden war. Er sollte wahrscheinlich wirklich zur Polizei gehen. Recht bekommen würde er wohl. Aber der Gedanke daran, Fjalli einfach wieder mitzunehmen, ihn McCaskey einfach unter der Nase wegzuschnappen, gab ihm mehr Genugtuung, als der friedliche, bürokratische Kram.

Er konnte auch Blackbeard oder ein anderer Haudegen sein. Es änderte nichts daran, dass es Skadi vollkommen egal war. Doch der Name machte sie für einen Augenblick stutzig. Jón. Kein besonders geläufiger Name in diesen Regionen. Und dennoch regte er etwas in ihren Erinnerungen. “Und das tut jetzt genau WAS zur Sache?“ Ein amüsiertes Schnauben verließ ihre Kehle, gepaart mit einem breiten Schmunzeln, ehe sie sich mit einem Zungenschnalzen halb herum wandte und die dunklen Augen auf die Umstehenden richtete. Waren sie bis eben mit großen Ohren stehen geblieben, gingen sie geschäftig ihrer Wege und Arbeiten nach. “Mh. Ich glaube DAS ist leider Auslegungssache. Erst Recht wenn man bedenkt, mit wem sie sich gerade lauthals und für alle Umstehenden verständlich über den Verbleib des Pferdes gestritten haben.“ Zumindest war es das, was sie sich aus den letzten Gesprächsfetzen der beiden hatte zusammenreimen können.

Jón legte die Hand auf die Brust und hob die Augenbrauen. Gestik und Mimik waren bewusst übertrieben, aber seine Aussage meinte er ernst: "Woah-ho. Freundlichen Umgangston bringen sie einem bei der Marine wohl nicht bei, oder? Ich dachte, die sind da alle so--" Er versteifte seine Haltung und setzte eine Stimme auf. "Soldaten! Stiiiillgestanden!" Dann salutierte er, in der Rolle der Soldaten. Ging dann wieder zum Kommandeur über, indem er die Hände auf dem Rücken verschränkte. "Guten Morgen, Soldaten!" Salutierte wieder. "Sir, guten Morgen, Sir!" Seine Haltung entspannte sich wieder, als er anfing zu lachen. Als sein Lachen ausgeklungen war, sagte er: "Anscheinend war doch nicht alles für alle zu hören gewesen, weil ich eigentlich laut genug gesagt habe, dass er für das bezahlen muss, was er gekauft hat." Er legte nachdenklich die Finger auf die Lippen. Wahrscheinlich musste Jón erstmal auskundschaften, ob McCaskey Wachen plaziert hatte. Oder ob Jón vielleicht schon die Polizei erwartete, wenn er auch nur in der Nähe von McCaskeys Ställen aufkreuzte. Ob die Pferde überhaupt noch bei McCaskey waren, oder schon bei irgendwelchen Militärs. Ob ihm überhaupt jemand Fjalli abnehmen würde. Was er überhaupt mit ihm vor hatte. Warum er überhaupt jemanden bewusst so übers Ohr gehauen hatte wegen eines nur mäßig für das Militär geeigneten Pferdes.

Das war ja ein verdammt seltsamer Kautz. Eigentlich hätte sie jetzt einen absoluten Aufstand veranstalten müssen. Doch weder war einer ihrer Kollegen anwesend, noch gelüstete es die Nordskov danach, auf Marineetikette zu machen. Stattdessen lachte sie verhalten und rammte dem Fremden ihre Faust gegen die Schulter. “So etwas sollten sie in der Gegenwart anderer Marinesoldaten unterlassen. Die sind nicht alle so entspannt und umgänglich wie ich.“ Was nicht hieß, dass sie ihm nicht das Handwerk und seinen schnittig schönen Kopf in den Dreck legen konnte, wenn sie wollte. “Sicher. Aber bezahlen und sich das Pferd auf eher unübliche Weise zurück holen... ich weiß nicht, wer ihnen hier mehr glauben wird.“ Dann wandte sich Skadi gänzlich herum und begann die Straße weiter hinab zu laufen. “Überlassen sie diese Angelegenheit der Gendarmerie. Ihr hübsches Gesicht sollte nicht hinter Gefängnisgittern versauern müssen.“

Jón rieb sich kurz die Schulter und lachte nochmal auf. "Ist notiert." Er salutierte nochmal, diesmal nicht ganz so spöttisch wie zuvor. Das Grinsen verging ihm, als der Junge weitersprach. Recht hatte er ja. Hm. Ja, doch. Es wahr wohl besser, wenn Jón das auf angemessene Weise regeln würde. Auf das Kompliment hin wurde er etwas rot, aber der Fremde sah das schon nicht mehr. Jón rief ihm dennoch hinterher. "Herzlichen Dank für das Kompliment. Und die Worte der Vernunft." Einige Stunden und Tavernenbesuche später war von Jóns Vernunft ebenso wenig übrig wie vom Tageslicht: Ein dünner, fadenscheiniger Streifen am Horizont. Er war barfüßig und hatte seinen Mantel abgelegt um weniger laut und schwerfällig zu sein. Wo McCaskey wohnte, hatte er schnell herausgefunden. Seine Adresse war auf dem Kaufvertrag vermerkt. Jón hatte das große Grundstück bereits einmal umrundet und feststellen können, dass ein kleiner Stall direkt mit dem Hauptgebäude verbunden war. Er war zu, jedoch grasten oder lagen ein paar Pferde auf einer umzäunten Weide. Fjalli war allerdings nicht dabei. Musste er wohl in den Stall hineinsehen. Das war immerhin noch machbarer, als Militärgelände zu betreten.

Der Fremde hinterließ noch immer ein mattes Lächeln auf ihren Zügen, als sie längst um die Ecke gebogen war. Mit erhobener Hand zum Abschied, weil jeder Blick zurück unnötig gewesen wäre und sie den Worten der Vernunft ohnehin nur halbherzig glaubte. Blieb abzuwarten, ob sich der Kerl selbst daran hielt oder ihn irgendetwas dazu brachte, mehr auf seinen Stolz zu setzen, als auf ein Leben unter dem freien Himmel. Stunden später hatte sie sich in einem unbeobachteten Moment aus ihrer Uniform geschält und in gestohlener Kleidung in die Nacht hinaus begeben. Vorbei an den hell erleuchteten Tavernen ans andere Ende der Stadt. Es war ein Leichtes gewesen diesen McCaskey wiederzufinden. In Erfahrung zu bringen, was sie wissen musste, um jetzt mutterseelenallein und mit einem breiten Grinsen auf den Zügen am Rande der Mauer zu hocken. Versteckt im Halbschatten, den der angrenzende Stall auf sie warf und somit vor Jóns Blicken schützte. Langsam, fast schon Katzen gleich schob sie sich mit beiden Händen auf die Füße und ließ einen Laut durch ihre Kehle surren, der an irgendeinen Vogel erinnerte.

Jóns Herz explodierte, als er das Geräusch so nah neben sich hörte, und er fuhr herum. Zumindest hatte es sich so angefühlt. Die Handfläche auf der Brust und das Pochen in seinen Ohren sagten ihm, dass sein Herz noch immer fubtkional war. Einen Moment später schaltete sich sein rationaler Teil ein -- der sich zumindest in solchen Momenten aktivierte -- und ihm wurde klar, dass es sich nur um irgendein nachtaktives Getier handelte. Eines der grasenden Pferde hatte den Kopf gehoben und die Ohren gespitzt. Und machte sich gemächlich, aber aufmerksam auf den Weg zu der Quelle des Geräuschs. Jón nutzte die Chance. Er sprang leichtfüßig über die Mauer und landete lautlos im Gras. Er lief geduckt in den Schatten des Pferdes und hielt sich dort, weit genug weg von dem Pferd, dass er es nicht von seinem Ziel a lenkte, nah genug dran, um vor Blicken aus Fenstern geschützt zu sein.

Beinahe wäre ihr ein Lachen entwichen. Blieb jedoch hinter vorgehaltener Hand verborgen und verkroch sich in ein anhaltend amüsiertes Grinsen. Vielleicht würde sie den Fremden noch einen Moment länger zum Narren halten. Klaubte sich einen winzigen Stein von der Mauer neben sich und schleuderte ihn in ebene jene Richtung aus der Jón gekommen war. Lautes Rascheln erhob sich aus dem hohen Gras. Das Pferd blieb augenblicklich stehen. Mit erhobenem Kopf und tanzenden Ohren. Wich einen Schritt zur Seite, als Skadi erneut einen Stein von dem Mauerwerk abzwackte und dichter an jene Stelle warf, an dem sie den Hünen im Gras vermutete.

Jón zuckte zusammen, als es neben ihm im Gras raschelte. Und dann nochmal. Ehe er sich versah, wurde er halb von dem Pferd umgelaufen -- noch einen Huftritt und es würde in seinem Schoß sitzen -- doch dann bemerkte es ihn im Dunkeln, scheute und Jón hob sich reflexartig die Arme über den Kopf. Als er sie wieder runtrrnahm war das Pferd am anderen Ende der Weide. Da hockte er nun. Wenn jetzt jemand ein Licht in ein Zimmer auf diese Seite des Hauses brachte oder eines anzündete, dann würde man ihn im Gras hocken sehen. Er berappelte sich aber schnell und kroch in die Schatten, näher zum Stall hin.

Skadi platzte fast vor Lachen. Erst recht als sie Jón mit gehobenen Armen im Gras hocken und total geschockt durch die Gegend starren sah. Es war beinahe witziger ihn an der Nase herum zu führen, als wirklich zu verhindern was er tun wollte. Oder vielleicht dem beizuwohnen, je nachdem, wie wohlgesinnt er noch war. Wo ihn beinahe der Huf eines Pferdes getroffen hatte. Einen Moment lang beobachtete sie ihn noch auf seinem Weg in Richtung der sicheren Schatten. Dann zischelte sie. Erst leise. Dann lauter, damit er den Kopf in ihre Richtung wandte und das verschmitzte Grinsen hinter der Mauere erblickte. “Hätte nicht gedacht, dass du so unvernünftig bist.“

Jón stoppte. Kurz bevor er am Stall war. Da war nochmal was. Ein Geräusch -- das sich jetzt auch nicht mehr wie das eines Tieres anhörte. Dann sah er im Dunkeln ein Paar funkelnde Augen und eine Zahnreihe, und dann erklang eine Stimme, die ihm bekannt war. "Warst das etwa du?", sagte er im Theaterflüsterton und deutete in Richtung verschrecktes Pferd. "Außerdem, wer ist hier unvernünftig? Du hast mich heimlich verfolgt."

Glucksend hockte sie am anderen Ende des Stalls und krallte ihre Finger in die Mauer. Es war urkomisch wie er zu ihr hinüber sah. Wie ein verschrecktes Reh. “Schonmal Pferde Steine werfen sehen?“ Nur langsam erhob sie sich. Schob sich für einen Moment kurz aus den Schatten, nur um dann wieder darin abzutauchen und auf Jón zuzusteuern. “Was nicht besonders schwer war. Du hast die Grazie eines Hundes.“

Jón breitete gereizt die Arme aus. "Kann ich ja nicht sehen, dass da jemand mit Steinen wirft! Ich hab nur Geräusche gehört!" Und er wollte dem Jungen gerade entgegnen, dass das eine äußerst unpassende Analogie war, da Hunde tatsächlich graziöser waren, als er es gerade war, aber als er zunächst kurz aus den Schatten auftauchte und dann näher kam, sah Jón, dass es überhaupt nicht der Soldat war. Oder doch. Oder doch nicht. Oder-- Er atmete ein, hob einen Finger, seine Lippen bewegten sich, aber nichts kam raus, er ließ den Finger wieder sinken. "Einen Moment. Bist du--?" Ihre Antwort auf seine Anklage hin, ihr Gesicht, ihre Stimme, alles lief darauf hinaus, dass sie der Soldat war. Alles, bis auf -- er deutete mit einer Geste ihre weiblichen Rundungen an.

Der Kerl war besser als jeder Narr auf dem Markt. Skadi musste sich immer wieder auf die Lippen beißen, um nicht in schallendes Gelächter zu verfallen. Stattdessen drehte sie sich zur Seite. Äffte seine Gesten nach und schob die dunklen Brauen zusammen. Als verstünde sie nicht, was er ihr damit zu verstehen geben wollte.
“Ein Mann mit Bierbauch?“


"Nein, nein. Also ..." Er tippte kurz die Hände gegen die Schläfen. "Wie formuliere ich das am besten diskret?" Eine kurze Pause. "Du bist der Kerl, mit dem ich heute Mittag gesprochen habe, richtig? Weil du offensichtlich Informationen hast, die nur der Kerl haben kann, mit dem ich heute Mittag gesprochen habe. Und du führst irgendeine Art von Doppelleben? Welcher Natur das auch immer sein mag -- ich hab jedenfalls Dinge zu erledigen und wenn du nicht hier bist um zu helfen, dann versuch zumindest, es mir nicht zu vermasseln, vielen Dank." Damit kroch er zum Stall hin, stand auf und schmiegte sich mit dem Rücken an die Wand -- so nah wie möglich am nächsten Fenster, um zu lauschen.

Hatte er gerade diskret gesagt?! Skadi blinzelte. Mehr als einmal, um zu verstehen, was er damit genau sagen wollte. Lauschte seinen Worten und hörte doch nicht wirklich zu. Irgendwie war der doch falsch gewickelt, oder nicht? Mit hinauf schnellender Augenbraue beobachtete sie ihn. Verschränkte die Arme vor der Brust und trat dann demonstrativ, aber sanft gegen seinen Oberschenkel. Sie zu ignorieren half seinem Plan in keinster Weise. “Hey… schonmal auf den Gedanken gekommen, dass ich hier schon seit ner ganzen Weile auf dich warte, du Hund?“ Eigentlich hatte sie ihn nur aufziehen wollen. Bis sie zu lange auf der Idee herum gekaut hatte, dass es vielleicht eine willkommene Abwechslung für sie war, ein blödes Pferd vom Hof eines… nun… sagen wir… bekannten Scharlatans zu entwenden.

"Au--hey!" entfuhr es Jón, obwohl es gar nicht weh getan hatte. Er wollte ihr gerade sagen, dass sie ihn besser in Ruhe ließ, oder ihn einfach gleich festnahm, wenn sie zur Marine gehörte. Irgendwie. Keine Ahnung. Aber er stockte auf ihre Aussage hin kurz. Allerdings-- "Nein. Ganz ehrlich nicht," sagte er ernst -- weder abfällig, noch sarkastisch. "Und weißt du, warum? Weil das gerade eine unglaublich heikle Situation ist und du scheinbar Spaß daran hast, mich zu ärgern und in die Gefahr zu bringen aufzufliegen." Er musterte ihr Gesicht, so gut es im Halbdunkel ging. Irgendwie kam es ihm bekannt vor. Und er meinte nicht von heute Mittag. "Was hatte das mit dem Marinekerlaufzug nun eigentlich wirklich zu bedeuten?" Er winkte die Frage jedoch wieder weg. "Nein, beantworte das nachher." Leiser fügte er hinzu, den Kopf wieder abgewandt, Richtung Stallfenster: "Werden wohl genug Zeit haben -- eingepfercht in unserer Gefängniszelle." Wenn du so weiter machst. Drinnen im Stall hörte er eine Stimme.

Bei allen Göttern. Der machte ja einen Aufstand! Immerhin flog hier NOCH niemand auf. Außer ihr selbst, hatte ihn niemand zu Gesicht bekommen. Und das würde auch so bleiben, wenn er die Stimme gesenkt und seinen Prachtkörper im Schatten verborgen hielt. "Du bist ein Schwarzmaler was?" Eine rhetorische Frage, deren Antworte er sich genauso klemmen konnte, wie sie scheinbar die ihre. Und fast im selben Atemzug, wie die Stimmen vom Stall zu ihnen hinüber drangen, presste sich Skadi an dem Fremden vorbei gegen die Mauer. Lauschte aufmerksam und tastete sich dann langsam mit den Fingern an der Wand empor. Irgendwo, zwischen einem der Steine verkeilte sie ihre Finger im Mauerwerk. Zog sich vorsichtig himmelwärts. Versucht leise. Aufmerksam lauschend. "Gebt Ruhe ihr Gäule oder ich mache Pferdewurst aus euch!", dröhnte es durch durch das halb geöffnete Fenster nach draußen. Na da hatte aber jemand unfassbar gute Laune, nicht wahr?

Jón verdrehte die Augen, aber das bekam seine ungebetene Begleiterin gar nicht mit -- sie schien irgendwelche Zwischenräume zwischen den Ziegeln gefunden zu haben und zog sich daran leise und geschickt nach oben. Jón gab einen beeindruckten Gesichtsausdruck, auch, wenn sie diesen ebenfalls nicht sehen konnte. Vielleicht wollte sie ihm ja wirklich helfen. Über das warum wollte er nicht allzu viel nachdenken. Geschenkte Gäule und so. "Und? Hörst du was?", flüsterte er zu ihr hinauf.

"Sssh.", schickte sie leise zischelnd hinab und wandte den dunklen Schopf minimal herum. Die Augen noch immer auf die Gestalt im Raum fixiert, deren Silhouette sie nur schwer im Licht der Fackeln ausmachen konnte. Groß und kräftig. Nein. Breit. Seltsam im Gang. Schwer zu sagen, ob es der Hauseigentümer oder der Koch war. Einen Stallburschen schloss die Nordskov aus - zu beleibt und zu alt. "Irgendso ein Kerl, der die Pferde beleidigt. Klingt betrunken oder berauscht. Kein Stallbursche. Kräftig. Läuft schwerfällig auf der rechten Seite." Hielt er irgendetwas schweres fest, dass seine Schulter nach unten zerrte? Blind zog Skadi ihre Hand aus der Rille zwischen den Steinen und versuchte wenige Zentimeter oberhalb Halt zu finden und sich weiter hinauf zu ziehen. Vergebens. "Kannst du mich auf die Schultern nehmen?", wandte sie sich flüsternd an den Fremden und senkte den Blick zu ihm hinab.

"Wenn er betrunken ist, dann werden wir vielleicht ein Leichteres haben, ihm Fjalli unter der Nase wegzuschnappen." Falls sie das überhaupt mussten. "Oder vielleicht warten wir besser, bis er weg ist." Jón bemerkte, wie seine Helferin etwas mit der Erklimmbarkeit der Mauer rang, aber bevor er seine Hilfe anbieten konnte fragte sie danach. "Natürlich", sagte er, griff in seinen jeweils gegenüberliegenden Oberarm um sich zu stabilisieren und trat unter sie, sodass sie sich auf seine Schultern stellen konnte.

Betrunkene Menschen waren vielleicht schneller zu überrumpeln. Doch genauso Schmerz unempfindlich und hemmungslos. Wenn sie Pech hatten, brüllte der Kerl das halbe Haus zusammen, noch ehe sie seinen belebten Leib irgendwo im Heu verstecken konnten. Um ihrer beider Willen hoffte sie, dass er verschwinden würde, noch ehe sie sich genötigt sah eine Alternative in Betracht zu ziehen. Sie verließ sich nur ungern auf die Kraft und Reaktionsschnelligkeit des Fremden. “Und was dann? Reiten wir auf dem Rücken deines Pferdes davon?“ Kurz wandte sie den Kopf in Jóns Richtung, als sie seine Hände an ihren Beine spürte und daraufhin auf seine Schultern kletterte.

Jón hätte mit den Schultern gezuckt, wäre seine Helferin nicht gerade dabei, ihm auf die die selbigen zu klettern. Die Schuhsohlen drückten sich unangenehm gegen seine Knochen und er presste die Lippen zusammen, damit er ein kurzes Ächzen besser unterdrücken konnte. "Ich meine ... wäre eine Idee."

"Ich hoffe dass du dich hier gut genug auskennst, um zu wissen, wo wir hinreiten müssen." Andernfalls wurde dieser kleine "Ausflug" eine absolute Katastrophe. Erst Recht, wenn dieser Kerl sie erwischte, dessen Miene sich fast im selben Moment in Richtung Fenster drehte, als die Nordskov den Schopf weiter über die Kante schob. Beinahe drückte sie sich instinktiv mit beiden Händen vom Fenster. Besann sich jedoch eines besseren und senkte den Kopf zwischen die Schultern. Aus dem Stall klang Gemurmel. Etwas unverständlich. Dann dumpfe Schritte. Nur langsam streckte sich Skadi erneut zum Fenster. Sah noch wie der Kerl watschelnd in Richtung Stalltür verschwand und holte erleichtert tief Luft. "Er ist nach drinnen gegangen."

"Irgendwo hin, wo McCaskey uns nachher nicht findet? Oder mich. Ich verlange jetzt nicht, dass du mich dabei begleitest." Eine kurze Pause. "Also ... außer du willst." Die Insel war ja wohl groß genug damit er McCaskey aus dem Weg gehen konnte. Allerdings ... worüber er noch nicht nachgedacht hatte -- selbst wenn er sich hier auskennen würde, was er nur mäßig gut tat -- McCaskey würde ihn spätestens am Hafen abfangen können. Zurück nach Andalónia schwimmen würde nämlich etwas schwierig werden. Aber darüber konnte er sich später noch Gedanken machen. "Wunderbar", sagte Jón. "Hast du gesehen, ob er den Stall abgeschlossen hat, oder so?" Und wenn sie demnächst wieder den Boden anstatt seiner Schultern unter ihren Stiefeln hatte, würde er sich auch sehr freuen.

“Mitkommen? Nun… glaub es oder nicht. Ich könnte dir danach noch nützlicher sein als hier.“ Wenn sie ihre Uniform trug und einen auf dicke Hose machen konnte. Oder dazu überging Stadtwachen davon zu überzeuge sie passieren zu lassen - wo auch immer sich jemand in den Weg stellte. “Ich habe keinen Schlüssel im Schloss gehört und auch keinen in seiner Hand gesehen.“ Wie viel diese Information allerdings wert war, würde sich noch zeigen. Ihre Augen waren vielleicht gut, doch das Licht trug Schatten in sämtliche Ecken, die kaum einsehbar waren. “Links von uns ist noch ein Fenster, ohne Gitter. Falls wir also nicht durch die Tür kommen, dann vielleicht da durch.“ “Lässt du mich runter?“ Mit beiden Händen stützte sich die Nordskov von der Wand ab und sah zu Jón hinab. Hörte das entspannte Schnauben der Pferde aus dem Stallinneren und machte sich bereits zum „Abstieg“.

"Das ist wohl wahr -- sagt mir aber nicht, ob du weiter mein Handlanger sein möchtest, oder nicht", sagte Jón. "Oh, ja. Natürlich." Er faltet die Hände und hielt sie auf, sodass sie als Stufe fungierten. Während die Fremde sich wieder auf den Weg zum festen Boden machte, spekulierte Jón weiter. "Ich denke, wir haben zwei Möglichkeiten, die beide gleichblöde Nachteile haben. Entweder wir nehmen Fjalli jetzt mit, was aber dann viel auffälliger ist, falls wir entdeckt werden. Oder wir holen ihn am hellichten Tag, was Leute, die uns sehen, weniger in Frage stellen würden, aber dann kommen wir nicht so unauffällig an ihn ran." Ja, eigentlich war genau jetzt ihre Chance. Vor allem, wenn der Stall noch offen war. Vielleicht würde er das morgen früh nicht mehr sein. "Oder -- oder wir mischen beide Konzepte. Wir nehmen ihn jetzt mit, verstecken uns irgendwo mit ihm und nehmen ihn dann am Morgen mit zum Hafen. Dann hab ich noch Zeit, McCaskeys Unterschrift auf dem Rückkaufvertrag zu fälschen." Den Jón auch noch aufsetzen musste. "Oder ich besteche jemanden, der mich und die Ware ohne Deklarierung mitnimmt. Gefällt meinem Vater bestimmt nicht so, aber dem gefällt eh nie irgendeine Entscheidung, die ich treffe. Na ja, egal. Hast du da drin Sattelzeug gesehen? Dann könnten wir ihn damit auch vor einer Taverne abstellen -- Fjalli, nicht meinen Vater -- schön unauffällig, zwischen den anderen Pferden -- und beim ersten Licht gehe ich dann einfach und keiner wird es in Frage stellen." Jón spürte richtig, wie seine Mine sich aufhellte, als immer mehr Ideen zu ihm flossen. "Und nein, warte. Du könntest dich kurz wieder in deine Uniform schmeißen, während ich hier warte und dann, während wir zur Taverne reiten, tun wir einfach so, als wärst du auf Patrouille gewesen und ich wäre irgendein besoffener Trottel, den du aufgesammelt hast, weil ich zu viel Unruhe gestiftet habe!" Er neigte den Kopf. "Was theoretisch nicht einmal ganz unwahr ist."

Ein Augenrollen. Mehr hatte sie nicht dazu zu sagen, bevor sie sich langsam hinab gleiten ließ und ihre Hände fest um seine Schultern legte. Offensichtlich brauchte dieser Kerl eine schriftliche Bestätigung dafür, dass sie nicht so schnell abhauen würde. Allerdings, und das wurde ihr bewusst, als er gerade mit seinem Monolog ansetzte, würde sie verschwinden, wenn ihre Tarnung gefährdet war. Etwas das ihm hoffentlich bewusst war. Spätestens wenn sie die Szenerie verließ. Die Vorstellung seinen Vater zu satteln und davon zu reiten, die er ihr geradewegs und ohne Vorwarnung in den Kopf setzte, brachte sie allerdings zum Lachen. Mit einer Hand versiegelte sie ihre Lippen. Gluckste darunter und schüttelte den Kopf. “Ich kann ja auch dich satteln und davonreiten. Problematisch wirds nur, weil ich es nicht kann… reiten mein ich.“ Ein Grinsen blieb zurück. War selbst im Halbdunkel zu erkennen. “Tagsüber werde ich dir wenig nütze sein, weil ich Dienst habe und aufs Schiff muss. Das scheidet wohl aus. Ich würde also vorschlagen, dass wir die Chance jetzt nutzen wo sie sich bietet. Und…vielleicht hast du Glück und mein Kontakt kann dich und ihn ungesehen von der Insel bringen.“ Wofür er seinen Geldbeutel sicherlich weit aufreißen musste.

Jón verstummte -- sah sie für einen Moment an. Kurz überdeutlich wahrnehmend, wie sich ihre Hände auf seinen Schultern anfühlten. Sie sagte nichts, aber ihre Geste und ihr Gesichtsausdruck machten ihm deutlich, dass sie erstmal nicht vor hatte sich davonzumachen. Jón musste grinsen, als er bemerkte, dass er sie amüsierte. "Ich wäre nicht schwer zu reiten", sagte er, grinste weiter, im vollen Bewusstsein, wie sich das angehört hatte. Vielleicht hatte er das auch beabsichtigt. Ein bisschen. Er rückte seine Brille zurecht, obwohl das nicht nötig war. Obwohl er sie schon als Kind gebraucht hatte, fühlte er sich mit ihr noch immer ein wenig unbehaglich, wenn er darüber nachdachte, was für einen Eindruck er gerade machte. "Du hast einen Kontakt!" Es hörte sich wie eine Mischung aus einer Frage und einer begeisterten Aussage an.

Einen Moment war Skadi sprachlos. Blinzelte ob seiner Aussage mehrere Male und musste sich erneut ein herzhaftes Lachen verkneifen. Spiegelte stattdessen das feiste Grinsen, das er zur Schau trug und klopfte ihm beherzt mit der flachen Hand gegen die Schulter. Na da hatte sie ja jemanden ihres Kalibers gefunden. "Ich komm drauf zurück, wenn wir hiermit fertig sind.", entgegnete sie trocken. Wandte jedoch bereits den Kopf herum, um sich noch einmal zu vergewissern, dass am Ende des Stalls niemand stand und sie beobachtete. "So wie du deine Kontakte hast." Sie warf es so beiläufig über ihre Schulter, als sie sich abwandte, dass man eindeutig verstand, dass die Marine von allem möglichen unterwandert war. Nur weil sie ein winziger Arm der königlichen Macht waren, bedeutete es nicht, dass sie blütenreine, weiße Westen trugen. Und Skadi wusste dies wohl mehr als irgendjemand sonst. Als Leidtragende der dunklen Seite dieser Institution. Ganz davon abgesehen, dass sie selbst ihre Einheit als Fremdkörper unterwanderte, um sie von innen heraus zu zerstören. "Aber ich sage dir gleich. Du wirst ordentlich dafür löhnen müssen. Jemanden von der Insel zu schmuggeln ist gefährlich. Und jeder der es versucht zahlt dafür einen hohen Preis, den er in Münzen sehen will." Sie musste es diesem Kerl sicherlich nicht erklären - er wirkte schlau genug, um sich dessen bewusst zu sein. Doch sie sagte es lieber vorher, als dass er ihr nachher eine Szene daraus machte.

Jón grinste weiter. Einmal, weil er die schlagfertige Frau für einen Moment vor den Kopf gestoßen zu haben schien; dann, weil er sie wohl immer noch amüsierte; und weil sie dann selbst zurückgrinste. "Wunderbar", entgegnete er ebenso trocken, ein wenig von sich selbst überrascht -- aber er dachte nicht weiter drüber nach. Jón erstarrte als sie sich umsah. Vermutete, dass sie vielleicht etwas gehört oder gesehen hatte. Aber er entspannte sich wieder, als sie weiter sprach. "Münzen... könnte schwierig werden", sagte er und schielte selbst um die Ecke, zum Stalleingang. Drehte sich nochmal zu seiner Begleiterin um, bevor er um die Ecke huschen wollte. "Akzeptiert dein Kontakt auch Wechselscheine?" Kurze Pause. "Oder waren die Münzen eine Metapher?"

Wechselscheine? Skadis Augenbrauen verzogen sich fragend in der Dunkelheit. Was sollte man mit wertlosem Papier nur wollen? "Eine Metapher für "du könntest bis auf die Unterhose blank sein“i> danach, vielleicht. Wenn du das meintest." Alles andere verstand sie nicht so recht. Zuckte nur mit den Schultern und trat einen Schritt an ihm vorbei und den Weg zum Stalleingang im Schutz der Dunkelheit anzuführen.

Jón blinzelte kurz, als sie sich vor ihn schob. Aber um seinet Willen: gerne. Er hatte nichts dagegen, dass sie die schwierigen Teile der Aktion übernahm. Jón wagte einen Blick zu den Fenstern des Wohnhauses, als er der Fremden hinterschlich. Dunkel. Trotzdem presste er sich an den Türrahmen, des Stalls. "Das nehme ich in Kauf." Es ging hier einfach nur noch ums Prinzip. Das mit den Wechselscheinen konnte er dann noch abklären. Damit konnte er theoretisch mehr bieten als mit den paar Münzen, die er dabei hatte.

Nun. Es würde ihm noch nichts anderes übrig bleiben. Er wollte das Pferd zurück und offensichtlich um jeden Preis. "Schonmal ein Schloss geknackt?" Gerade war der Kopf der Nordskov in Richtung eines Spaltes verschwunden gewesen und hing nun halb neben seinem. Die Dunkelheit machte Entfernung nahezu null und nichtig. "Für den Fall, dass die Tür abgeschlossen ist." Was sie wohl sein würde. Zumindest verwettete Skadi ihren Hintern darauf. Obwohl... Ohne eine Antwort abzuwarten umschloss ihre Hand bereits den Griff und zog erst langsam, dann mit einem etwas stärkeren Ruck. Und die Tür zum Stall schwang ein paar Millimeter auf. Knarzend.

Jón zog die Augenbrauen hoch. "Sieh an -- diese Erfahrung bleibt mir dann wohl weiterhin erspart." Die Lautstärke der Türangeln bereitete ihm allerdings Sorgen. "Ich habe eine Idee. Wie wäre es, wenn du vor gehst und mir das Weidengatter öffnest. Ich hole mir derweil Fjalli, schwinge mich auf seinen Rücken und reite so schnell wie möglich raus. Du machst schnell das Gatter zu und ich ziehe dich aufs Pferd und weg sind wir. Falls die Tür jemanden dazu bewegt, nachzusehen."

Hatte die Nordskov gerade noch inne gehalten, wandte sie sich erneut zu dem Fremden herum. Die Brauen skeptisch zusammengezogen. Wahrscheinlich hatte ihn das Geräusch des Scharniers mehr aufgeschreckt, als irgendeinen Bewohner des Hauses. "Wie du meinst... ist dein Pferd.", entgegnete sie Achselzuckend und nahm die Hand von der Klinke. Trat zurück und überließ ihm das Feld. "Lass dich nicht erwischen, Hasenfuß." Ein Grinsen verließ ihre Lippen, während sie allmählich rückwärts lief. Dorthin, wo sie hergekommen waren, um das Gatter zu öffnen, von dem er gesprochen hatte.

Jón setzte an, etwas zu sagen, doch seine Begleiterin machte sich schon auf den Weg zum Gatter. Sie hätte ihm ruhig einen Vorschlag machen können. Auf ihren hinterhergejagten Kommentar hin streckte er ihr die Zunge raus, wusste aber nicht, ob sie es im Dunkeln sehen konnte. War ihm auch egal. "Alles klar," sagte er zu sich selbst -- atmete tief ein -- aus. Er riss die Tür auf. Sie knarzte laut. Er schritt die Pferdereihen ab. Rappe -- Brauner -- Fuchs! Mit Blesse -- nicht Fjalli. Er beugte sich zu einem fressenden Kopf hinab: Lichtfuchs -- noch ein Brauner -- noch ein Fuchs. Mit Stern. Fjalli. Jón erkannte ihn sofort, an der Form seines Kopfes, der Struktur seiner Mähne. Er öffnete den Eisenriegel, der dabei laut klackerte, sprang auf den Rücken des glücklicherweise relativ kleinen Wallachs und galoppierte aus dem Stall, auf das Gatter und seine Helferin zu. Das Geräusch der Hufe auf dem Boden klang wie Donner in Jóns Ohren -- so auch das Pumpen seines Herzes.
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#2
Dieser Kerl war wirklich ein seltsamer Kautz. Wollte dieses Pferd mit allen Mitteln aus dem Stall zerren und verzichtete jetzt vollkommen auf ihre Mithilfe? Und das obwohl sie ihm gerade noch von diesem Kerl erzählt hatte, der wussten die Götter allein wohin gegangen war? Nun, wenn er so viel an sein Glück glaubte, tat sie ihm den Gefallen, sein Ego aufzuplustern, wenn es funktionierte. Wenn.

Und zumindest der Dreck an ihrer Wange zeugte davon, dass der Plan einen massigen Hacken gehabt hatte, während das donnernde Trappeln von Hufen über die Weide davon jagte. Ein Schnauben verließ ihre Lungen. Die Spitze ihres Stiefels traf den am Boden liegenden Körper, der bewusstlos im Schatten eines Busches lag. Sie konnte von Glück sprechen, dass es nicht der massige Leib des Gutsbesitzers gewesen war. Augenscheinlich mehr der Stallbursche, der mehr Knochen und Haut, als Mann war. Dennoch hatte sein Ellenbogen sie getroffen. Ein unangenehmes Pochen an ihrer Rippe hinterlassen, das so schnell nicht verschwinden würde. Ihr Blick glitt zur Seite, als der Schatten des Tieres größer und schärfer wurde. Zog mit beiden Händen die Öffnung des Gatters noch ein paar Zentimeter mehr zu sich heran.


Jón ließ Fjalli durch das Gatter rasen und in der Sekunde, in der sie durch waren, bremste er den Wallach -- Jón lehnte sich zurück mit einem tiefen, "Whooooa", und drückte seine Wade in Fjallis Seite, sodass er stark vom Schenkel wich und mit einer Halbdrehung stehen blieb. Einmal mit dem Schweif aufpeitschte. Jón klopfte ihm mit der flachen Hand den Hals. Er war doch ein wunderbares Pferd, McCaskey hatte einfach den Arsch offen. Dabei wusste Jón eigentlich genau, warum McCaskey Fjalli hatte haben wollen.

Etwas außer Atem -- vom Adrenalin, das noch immer durch seine Adern strömte -- reichte Jón seine Hand in Skadis Richtung. "Aufsteigen? Dann können wir verschwinden."

Im nächsten Augenblick nahm er das Szenario um seine Begleiterin herum war. Sein Blick huschte von dem Dreck auf ihrem Gesicht zu dem Busch, zu dem Typen der im Busch lag. Er zog die Augenbrauen zusammen, die Hand trotzdem noch immer in Richtung seiner Begleiterin gereicht. "Ich frag lieber nicht, oder?"


Ein Windzug erfasste ihren kurzgeschnitten Haarschopf und zupfte an den heraushängenden Strähnen ihres winzigen Pferdeschwanzes. Jón war zurück. Auf seinem Streitross, das wider erwarten klein und weniger massiv war. Skadi hob den Kopf. Musterte das Pferd mit skeptischer Miene im fahlen Licht des aufsteigenden Mondes. Irgendetwas an dem roten Fell rüttelte etwas an ihrer Erinnerung. Doch es entfloh ihr augenblicklich, als die Worte des Fremden gegen ihren Schädel donnerten. Die dunklen Augen der Jägerin glitten zur Seite. Auf die ausgestreckten Fingerspitzen, die Jón ihr entgegen streckte. Sie folgte seinem Blick, der an ihr vorbei in Richtung des Busches gewandert war. Schenkte ihm ein verhaltenes Grinsen, das sich nur schwer zwischen Zynismus und Schadenfreude entscheiden konnte und ergriff dann seine Hand. "Je weniger du weißt, desto besser." Ungewohnt warm schlossen sich die langen Finger um ihren Handrücken. Zogen ihren Körper an der Seite des Pferdes kraftvoll hinauf und machten es ihr erheblich leichter, auf den Rücken des Tieres zu klettern. Einzig und allein ihre Rippe presste ihr bei jeder Bewegung Luft aus den Lungen. Der Ritt in die Stadt würde wohl grauenvoll werden.
"Nichts wie weg von hier.", raunte sie in seinen Nacken, kaum dass sie beide Arme um ihn geschlungen hatte, um nicht noch unkontrolliert vom Pferd zu purzeln.


Jón verkniff sich wenig erfolgreich ein Lachen und schüttelte amüsiert den Kopf, als er seine Begleiterin auf Fjalli zog. Sie war geschickt, arrangierte ihren Sitz auf dem Pferderücken, als wäre sie von der Kavallerie und nicht von der Marine. Wo sie vorhin noch erwähnt hatte, dass sie nicht reiten konnte. Ihm fiel aber auf, dass sie auf eine Art schonend atmete.

Fjalli grummelte und Jón klopfte ihm kurz den Hals. Er war sicher kein Gewichtsträger, aber für ein paar Meilen -- wenn es denn überhaupt nötig war -- konnte er zwei Leute tragen.

Jón kam nicht umhin über ihren kleinen, neckischen Dialog von vorhin nachzudenken, als die Nicht-mehr-ganz-so-Fremde ihre Arme um seinen Oberkörper schlang.

Er nahm zunächst ihr Kommando wahr und setzte Fjalli in einen Töltgang. Dann, als sie ein paar sichere Meter von McCaskeys Hof entfernt waren, fragte er: "Alles in Ordnung bei dir?"


Es waren nicht viele Worte gefallen, als der Vierbeiner sich in Bewegung gesetzt und das Gatter hinter sich gelassen hatte. Mit reichlich Glück konnte man argumentieren, dass der Kerl betrunken ins Dickicht gekracht war und niemand in dieser Nacht irgendeine Tier vom Hof entwendet hatte. Doch je schneller sie von hier verschwanden und je schneller das Pferd überhaupt die Insel verließ desto besser. Für alle Beteiligten. "Hab mir wohl ne Rippe angeknackst.", brummte sie dem Fremden entgegen und verkrampfte sich kurz, als der Gaul einen kleinen Weg hinab trabte. "Aber wird schon...irgendwie." Es wäre nicht ihre Erste und ganz sicher auch nicht ihre Letzte. Und bei den Männern käme ihre Geschichte einer ausgearteten Rauferei sicherlich gut an.

"Du hast was?", platze Jón heraus und er parierte Fjalli sofort durch. Wird schon irgendwie, am Arsch. "Aber sonst geht es gut, oder?" Der Sarkasmus in der vorigen Aussage schwand in der nächsten. "Was jetzt? Du kannst doch nicht einfach mit einer angeknacksten Rippe durch die Gegend laufen?" Und Jón schämte sich etwas dafür, dass sein erster Gedanke gerade war, wie er nun mit Fjalli von der Insel kommen sollte, falls seine Begleiterin verhindert war.

Das abrupte Stoppen des Pferdes - ganz gleich wie sehr Jón auch versuchte, es sanft zum Stehen zu bringen - presste Skadi kurzweilig Luft aus den Lungen. Sie war hart im Nehmen. Schon immer gewesen. Anerzogen. Über Jahrzehnte weitervererbt. Es machte keinen besonders großen Unterschied. Kurz verkrampften sich ihre Finger um das Hemd des Fremden. Dann presste sie die Lippen aufeinander, bevor sie flach Luft holte und versuchte über seine Schulter zu ihm hinauf zu sehen. "Was schlägst du denn vor? Willst du mich auf magische Weise wieder zusammenflicken?", entgegnete sie mit reichlich Sarkasmus in der Stimme. Sie MUSSTEN von hier verschwinden. Und je länger er sich dabei Zeit ließ, um so geringer wurden die Chancen, dass er überhaupt von hier weg kam. "Ich schlage vor wir reiten zur nächsten Stadt, besorgen uns ein Zimmer in einer der kleineren Tavernen und ich... verbinde mich und mach mich auf die Suche nach meinem Kontaktmann. Oder hast du... eine bessere Idee Romeo?"

Jón konnte nicht umhin zu denken, dass sie sich stärker gab, als sie sich gerade fühlte. Sie litt offensichtlich unter der Verletzung. Aber recht hatte sie wohl schon. Er war noch nie* in einer Situation gewesen, in der er nicht sofort was zur Hand hatte, um eine Verletzung zu versorgen. Natürlich dachte er in erster Linie an Pferde, denn darum konnte er sich kümmern -- um Menschen hatte er sich noch nie medizinisch kümmern müssen. Aber eine gebrochene Rippe bei einem Pferd bedeutete in der Regel, es ganz einfach von seinen Schmerzen zu erlösen. Und das hatte er bisher zum Glück auch noch nie machen müssen.

*Bis auf das eine Mal mit Sólfari, aber diese Erinnerung war schön weggepackt und mit einem Schleifchen verbunden und dann in die hinterste Ecke seines Erinnerungsregals gepackt worden.

"Das habe ich tatsächlich nicht ... Juliet", sagte er, mit demselben Sarkasmus, den seine Begleiterin an den Tag gelegt hatte. Wenn sie noch in der Lage war, Scherze zu machen -- oder ihren Schmerz durch Scherze kompensieren konnte -- dann konnte es ja wohl auch nicht allzu schlimm sein. "Ich hoffe nur, dass deine Rippe es bis dahin aushält und nicht komplett bricht." Sie mussten sich eigentlich wirklich beeilen, von hier wegzukommen. "Achtung", warnte Jón und ließ Fjalli mit einem Zungenschnalzen wieder anlaufen, wieder im Tölt -- was zwar nicht das schnellste war, aber zumindest das bequemste.


Immerhin lenkte er ein, auch wenn seine leichte Besorgnis an ihr abprallte und fast erneut schnauben ließ. Sicherlich - es war nett gemeint, wenn man bedachte, dass sie in gewisser Weise seinetwegen jetzt mit angeknackster Rippe auf dem Pferd hockte. Doch für die Nordskov verhielt es sich anders. Sie war freiwillig mitgekommen. Hatte ihn heimlich beobachtet und bewusst dazu entschieden, ein Teil dieser Rettungsmission zu werden. Sie würde hier also niemanden etwas zuweisen, wo es keine Schuld gab. "Das hoffe ich auch.", war somit das, was sie ihm zuerst antwortete, ehe sich ein verkrampftes Lächeln über ihre Lippen legte. "Ansonsten... hast du die heldenhafte Aufgabe mich durch die Gegend zu tragen.", scherzte sie. Dachte kurz daran, dass das vielleicht sogar eine Option war, um sämtliche Aufmerksamkeit vom Pferd auf sie zu lenken, bis Jón sie vorwarnte und sich Skadi Finger automatisch zurück in den Stoff seines Hemdes bohrten. Selbst in dem langsameren Trott, den das Tier über die Landschaft nahm, zuckte ihre Seite. Doch sie ignorierte es. Atmete den Schmerz davon. Redete ihn sich als sanftes Brennen auf ihrer Haut ein und bettete ihre Stirn zwischen Jóns Schulterblättern. Zählte. Atmete. Grübelte, was ihr an dem Duft des Fremden bekannt vorkam. Kräuter. Pferd. Leinen. Haut. Eine Kombination aus allem. Wein. Wieso auch immer ihr gerade dieses Bild vor den Augen schwebte.

"Das würde ich natürlich auf mich nehmen", sagte Jón, nur einen leichten Anflug von Witz in seinem Ton. Er war zwar kein Schwächling, aber einen Menschen zu tragen war dann doch wieder eine Sache für sich. Er konnte sie auf die Schultern nehmen, wie man es bei verletzten Soldaten machte, aber damit war ihre Rippe dann wahrscheinlich noch unglücklicher -- und außerdem musste er nicht sie schnell wegbringen, sondern Fjalli. Im Notfall könnte er sie vielleicht kurz irgendwo absetzen. Oder--

Spielte keine Rolle. Über die Brücke könnten sie dann gehen, wenn sie bei ihr ankämen.

Er bemerkte, wie seine Begleiterin mit ihren Schmerzen rang, konnte ihre tiefen, bewussten Atemzüge wahrnehmen -- aber er sagte oder tat nichts weiter -- konzentrierte sich auf den dunklen Weg. Auch, wenn Fjalli enorm trittsicher war, es war eine unbekannte Umgebung und seine Balance war sicher nicht die beste mit zwei Reitern. Doch Jóns Konzentration schwand ein wenig, er lächelte ein wenig in sich hinein, als die Fremde sich gegen ihn lehnte. Dabei war es ihm fast etwas arg, dass er ausgerechnet in dieser Situation darüber nachdachte, wie schön es war, dass eine so clevere, humorvolle, hübsche Frau sich gerade so an ihn schmiegte. Nicht zuletzt, weil er daheim in Andalónia ein Mädchen hatte -- eine cleveres, humorvolles, hübsches, das er sehr liebte.


Der Tritt des Pferdes wurde mit jeder verstreichenden Minute zu einem gleichmäßigen Auf und Ab. Wog sie wie ein Kind von einer zur anderen Seite und entspannte ihre Muskeln. Der Schmerz zog sich zurück. War weniger stechend und einnehmend. Doch präsent genug, um die Nordskov weiter tief einatmen zu lassen. Sich auf die Wärme unter ihre Stirn und ihren Fingern zu konzentrieren. Den Geräuschen des Pferdes und der Atmung ihrer Begleitung zu lauschen.

"Erzähl mir etwas.", durchbrach sie mit gesenkter Stimme die Stille. Hielt die Augen weiterhin geschlossen und vertraute darauf, dass Reiter und Tier sie alsbald in die nächste Stadt brachten. "Eine Geschichte. Ein lustiges Erlebnis. Irgendwas." Fjalli rutschte. Zwar nur mit einem Huf, der an der Kante eines glatten, großen Stein festhing, aber deutlich genug, als das Skadi ihre Finger verkrampft gegen Jón Bauch presste.


Jón konnte nicht sagen, ob seine Begleiterin einfach nur Zeit überbrücken wollte, aber er konnte sich eigentlich denken, dass sie etwas wollte -- oder brauchte -- um sich vom Schmerz abzulenken.

Dass sie wirklich Schmerzen hatte, bemerkte er dann auch, als ihre Finger sich anspannten, als Fjalli leicht stolperte. "Sch-sch-schhh ...", machte Jón. Wohl zu beiden, Fjalli und der Fremden.

Im nächsten Moment realisierte er, dass er seine Hand aus Reflex auf die der Fremden gelegt hatte -- und er zog sie wieder weg und strich Fjalli über den Hals. Übersprungshandlung.

Eine Geschichte. Er kannte so viele. Ein paar seiner liebsten stammten sogar von hier, von den Tirionen. Aber die würde seine Begeleiterin bestimmt kennen. Jón erinnerte sich daran, wie fasziniert Rhona von Andalónia und seinen Legenden war, als sie sich kennengelernt hatten. Nicht jeder konnte die Begeisterung für das abgelegene, kühle Land teilen, das war ihm klar -- aber die Fremde hatte um irgendwas gebeten, also entschied er sich für die bekannteste Legende.
"Ich soll die irgendwas erzählen, also musst du dir jetzt wohl die berühmteste Legende meiner Leute anhören." Er legte mit Absicht etwas Witz in seine Stimme. Eine gruselig aufgemachte oder didaktisch wertvolle Geschichte konnten sie jetzt wohl beide nicht gebrauchen. "Die wird auf Andalónia jedem erzählt, sobald man fähig ist, Worte zu einem sinnvollen Satz zusammenzusetzen. Also--" Er räusperte sich.
"Vor einer undefinierbaren Zeit im Norden von Andalónia haben zwei Brüder gelebt -- oder zwei Schwestern -- oder zwei Geliebte. Wie auch immer. Gibt alle Versionen. Wir haben die Geschichte bei uns immer mit den Brüdern erzählt bekommen, deswegen erzähle ich sie dir auch einfach so. Die hießen jedenfalls Svavar und Sólvin. Sauarme Familie, die, und deswegen mussten die beiden früh weggehen um zu arbeiten. Der Svavar hat einen netten Job gefunden bei einem reichen Bauern ganz weit im Westen und hat Pferde über alles geliebt. Wichtiger Punkt, muss man sich merken -- warum auch sonst wird das ganz zusammenhanglos in der Charakterbeschreibung erwähnt. Der Sólvin hat auch einen Job bekommen, bei einem Bauern im Osten. Genau so armer Sack, wie er selbst -- oder ... nicht ganz so arm, sonst kann er sich ja keinen Knecht leisten. Jedenfalls, Sólvin mochte Bücher am liebsten. Das ist super unwichtig für die Geschichte, aber muss erwähnt werden, damit man ja weiß, wie wenig ähnlich die Brüder sich sind. Trotzdem haben sie sich aber so sehr geliebt und vermisst, dass sie sich einmal in der Woche, oder im Monat, getroffen haben. Was nicht ganz so einfach war, weil damals mitten in Andalónia noch ein fetter Gletscher gesessen hat, und da kann man ja nicht mal einfach schnell drüber reiten. Also mussten die beiden außenrum reiten -- haben sie aber auf sich genommen, weil sie sich halt unbedingt sehen wollten. Und das haben sie jahrelang gemacht. Bis Sólvin einmal nicht am Treffpunkt aufgetaucht ist. Svavar hat da ewig gewartet und dann war es fast schon Zeit, wieder zu gehen und Sólvin war immer noch nicht da. Und es war richtig nebelig geworden."

Trotz, dass Jón die Geschichte gerade mit Humor wiedergab, lief ihm kurz ein Schauer den Rücken hinab. Er glaubte nicht an Svavars Herde, aber dennoch spielte sein Körper ihm das Gefühl, das er immer gehabt hatte, wenn man ihnen als Kindern die Legende von Svavars Herde erzählt hatte.
"Svavar macht sich also Sorgen, reitet in die Richtung aus der Sólvin hätte kommen müssen. Oh, hab ich vergessen zu sagen -- auch wichtig: Svavar hatte das allerbeste der besten Pferde und Sólvin halt so einen alten Klepper von dem Bauern für den er gearbeitet hat. Weil Svavar eben sein Geld für das Pferd ausgegeben hat und Sólvin lieber für Bücher. Jedenfalls ist Svavar dann losgeritten, Sólvin entgegen. Nebel wird immer stärker, Unwetter scheint auch schon ranzuziehen. Und dann, auf einer Klippe sieht Svavar im Nebel ein altes Pferd stehen. Ohne Reiter. Und umso näher er kommt, umso lauter hört er jemanden um Hilfe rufen. Seinen Bruder -- ist ja klar. Svavar will so schnell es geht dahin reiten, wo die Stimme herkommt, aber dann schlägt ein Blitz neben ihm ein und sein Pferd wirft ihn ab. Und als er sich wieder aufrappelt, sieht er, wie sein Pferd die Klippe neben ihm runterrutscht. Da hinten schreit jetzt also sein Bruder, da drüben sein Pferd." Jón gestikulierte die unterschiedlichen Richtungen. "Was macht die Arschgeige Svavar? Geht natürlich das Pferd retten. War ihm ja nichts wichtiger, als sein dummes Pferd." Jón musste aufpassen, dass der Funke Wut, der gerade in ihm aufgesprungen war, nicht ein Feuer entfachte. Er musste an der Stelle immer an seinen Vater denken. Sein Vater, der ihn verachtete, nachdem er Jón die Schuld daran gegeben hatte, dass sein Götterpferd gestorben war. Und es nicht einmal zugab.
Jón nahm einen tiefen Atemzug. "Jedenfalls ist er dann gegangen um das Pferd zu retten. Die Klippe runter ins Wasser. Und hat es sofort bereut. Eben hat er noch geflucht, dass die Götter ihn in so eine Kack-Situation gebracht haben -- und im nächsten hat er angefangen zu beten. Er würde ein besser Mensch werden, er würde Buße tun, wenn die Götter ihn nur leben lassen. Haben sie aber nicht. Die Götter haben ihn ersaufen lassen. Erst das und dann haben sie ihn Buße tun lassen -- haben sie seine Seele in den Körper seines Pferdes gesteckt, weil er das ja so arg geliebt hat. Dann konnten sie endlich auf ewig vereint sein. Dann haben sie Feuer in seine Augen gelegt, damit er im Dunkeln immer sehen kann -- haben dafür gesorgt, dass er auf den Wellen rennen kann, damit er nicht mehr ertrinken kann und auf ewig dazu verdammt ist, umherzurennen -- immer mit dem Nebel und dem Sturm im Rücken um ihn dran zu erinnern, was er getan hat. Und wer nicht aufpasst im Nebel und im Sturm -- wer Svavars Schreien hört und brennende Augen sieht -- der wird mitgerissen, weil er zu unvorsichtig war und schlechte Entscheidungen getroffen hat, genau wie Svavar -- und muss für immer in seiner Herde mitlaufen und mit ihm nach seinem verlorenen Bruder schreien."

Er machte eine Pause, atmete nochmal tief ein und aus -- machte dann eine wegwerfende Handbewegung. "Und dann gibt es noch den Teil wo man Svavar finden und zähmen kann und dann werden alle wieder zu Menschen, die Svavar jemals mitgerissen hat, und so weiter, bla-bla. Lustige, kleine Geschichte von alten, andalónischen Seeleuten, die kleinen Schratzen bisschen Angst machen soll."
Aber Jón wusste es besser.


Augenblicklich fragte sich Skadi, wie ein Pferd wichtiger sein konnte, als das eigen Fleisch und Blut. Sie brummte missmütig, vergaß für einen Moment, während Jóns tiefes Vibrato über ihre Haut und durch ihre Knochen fuhr, den Schmerz in ihrer Seite. "Was für ein Idiot." Ein Schnauben folgte. Eines, das zumindest auf akustischem Wege das süffisante Schmunzeln ihrer Lippen nach außen trug - wenn ihr Begleiter schon nicht in ihr Gesicht blicken konnte. "Hat sein Bruder eigentlich überlebt?" Sie ahnte, dass es nicht Teil der Geschichte war, ob es der Bücher liebende Mann in die Anderswelt oder zurück zu den Lebenden geschafft hatte. Doch sie wollte es wissen - und nicht nur deshalb, weil es sie ablenkte. Diese Unterhaltung. Ihm zuzuhören und das gleichmäßige Klappern von Fjallis Hufen unter sich zu spüren. "Ich stell es mir schwer vor so etwas zu zähmen." Das wäre, als würde man gegen die Natur kämpfen. Gegen Nebel, den man mit bloßen Händen zu greifen versuchte. Es gab Dinge, die nicht gezähmt werden sollten, konnten und durften. Abgesehen davon, dass es eine Legende war. "Ein bisschen zu sehr romantisiert, meinst du nicht?" Sie lachte unter dem gesenktem Kopf. Schob langsam ihre Stirn weiter hinauf und sah nun mit geöffneten Augen über Jóns Schulter. "Der oder die eine - einzig und allein dazu bestimmt das unbändige Biest in ein Schoßhündchen zu verwandeln."

Jón schnaubte ebenfalls. Ja, das war Svavar gewesen -- ein Idiot. Aber er hatte bekommen, was er verdient hatte. Obwohl Jón sich Umstände vorstellen konnte, unter denen er ein Tier vor einem Menschen retten würde. Aber wenn man so verbunden mit seinem eigenen Bruder war, dass man regelmäßig eine solche Reise auf sich nahm um sich sehen zu können ...

Allerdings sollte man auch nicht unterschätzen, welche Verbindung man zu einem Tier haben konnte. Geistesabwesend strich Jón mit der Hand über Fjallis Mähnenkamm. Nicht, dass er zu ihm eine derartige Verbindung hatte. Aber es hatte gereicht, um ihn da rausholen zu wollen. Das, und um McCaskey einfach eins auszuwischen, weil er ebenso eine Arschgeige war, die es verdient hatte.

"Oh, ich glaube nicht, dass es nur den oder die eine gibt. Jeder, der mag, kann es versuchen. Die Frage ist nur, wer so weit überhaupt kommt." Er machte eine kurze Pause. "Letztendlich ist dieser Teil der Geschichte wohl aber auch nur zum Trost für die gedacht, die jemanden auf See verloren haben." Also, ja. Romantisiert. So wie jede Legende eben. "Und in unserer Version der Geschichte hat der Bruder nicht überlebt", fügte er hinzu. In der Geschichte selbst war das nie vorgekommen, aber natürlich hatten sie -- wie seine Begleiterin eben -- früher oder später danach gefragt.

Jón erspähte etwas durch die Bäume. Ein paar gelbe und orange Flecken. Lichter, wahrscheinlich. Er zeigte nach vorn. "Weißt du wo wir hier rauskommen?"


Ein Trost. Das ergab irgendwo Sinn, wenngleich Skadi selbst sich nicht vorstellen konnte, dass Geschichte wie diese irgendetwas tröstliches an sich hatten. Der eigene geliebte Mensch, dazu verdammt einem Geist zu folgen, ruhelos und nie rastend. Immer auf der Suche nach irgendwem oder irgendetwas. Dazu verdammt sein Leben statt in der Anderswelt in einer Herde aus Pferden zu fristen. "Pferde sind für euch schon etwas Heiliges oder?" Darin lag keine Wertung - eher war es eine Feststellung. Anders konnte sie sich kaum erklären, wie eine solche Geschichte dazu gedacht war, den Verlust eines Schiffsbrüchigen zu überstehen.
Dann hob sie jedoch langsam den Kopf. Stützte ihr Kinn auf der breiten Schulter des jungen Mannes und sog die Luft fest oberhalb ihrer Brust ein, um nicht all zu tief in den Bauch zu atmen. "Wir sind nur ein, zwei Stunden von der Stadt entfernt... wenn mich nicht alles täuscht, müssten wir dort drüben Apillo erreichen. Ein etwas größeres Fischerdorf... sehr verschwiegene Leute, wenn du genügend Kleingeld hast." Letzteres fügte sie mit einem sanften und hörbaren Schmunzeln auf den Lippen hinzu.


Verschwiegene Leute, wenn man genügend Kleingeld hatte. "Das käme mir natürlich äußerst recht", sagte Jón und war sich sicher, dass seine Begleiterin auch das damit meinte, was er dachte: Dass sie mit einem gestohlenen Pferd hier unauffällig unterkommen könnten. Wenn auch nur, um die Verletzte sicher abzusetzen. Jón müsste sich noch überlegen, ob es sinnvoll wäre, das zu tun und dann weiterzugehen -- aber wahrscheinlich bräuchte er sie noch wegen ihrer Verbindungen, die ihn und das Pferd von hier wegschafften. "Wäre ein unauffälliges Verschwinden von dort ebenfalls möglich?" Dazu müsste das Dorf in erster Linie einen Hafen haben. Und Jón müsste immer noch "das nötige Kleingeld" haben. Noch wähnte er sich in der Hoffnung, dass die Betreffenden auch alternative Zahlungsmittel nehmen würden.
Als das Gesicht der Fremden nun so nah neben seinem war, konnte Jón nicht um das Gefühl hin, dass sowas wie ein kleiner Funke zu ihm übersprang. Er lächelte kurz in sich hinein -- und beantwortete dann ihre Frage. "Etwas Heiliges ... das kommt darauf an, wenn man fragt", sagte er. Die Geschichte mit Sólfari schob er sofort aus seinen Gedanken. "Manche Leute sind religiöser, manche weniger. Andere würden es auch Aberglaube nennen -- vor allem Leute außerhalb von Andalónia. Man glaubt bei uns, dass manche Pferde besondere Fähigkeiten haben." Jón dachte sich, dass die Fremde deswegen sicher nachfragen würde, also nahm er es vorweg, damit sie sich etwas darunter vorstellen konnte. "Also, wir reden hier nicht von sowas wie fliegen, sprechen, und so weiter -- das ist Märchenkram. Es sind mehr ... kleine Dinge, die einem nach und nach auffallen." Damit gab Jón nun auch zu, dass er selbst daran glaubte. Aber er hatte es eben auch selbst erlebt. "Das Pferd meines Cousins zum Beispiel: Wenn es eine Tag recht empfindlich und übermäßig aufmerksam ist, dann kann man davon ausgehen, dass es am nächsten Tag anfängt zu schneien. Oder einer Stute mit dessen Besitzer mein Vater bekannt ist, der wird nachgesagt, dass dem, der auf ihr reitet, kein Schaden zukommen kann, solange er im Sattel sitzt. Und Fjalli ..." Er strich dem Wallach nochmal über den Mähnenkamm. "Kann einem wohl Geld beschaffen. Ich nehme an, dass McCaskey das wusste, es aber falsch verstanden hat und deswegen mit dem Geschäft unzufrieden war."


Sie hörte ihm stellenweise gar nicht mehr zu. Versuchte kontrolliert durchzuatmen und den Druck von ihrer Seite fern zu halten. Seine Stimme diente ihr viel mehr als angenehme Beschallung, die sie beruhigte. Als Skadi somit antwortete schloss sie nur aus ein paar wenigen Worten, was er zu sagen gehabt hatte. Senkte bereits den Kopf zurück auf seinen Rücken und lehnte sie Stirn gegen die warme Stelle zwischen seinen Schulterblättern.

“Ein unauffälliges Verschwinden mit einem Pferd?“ Sie grunzte amüsiert. Verkrampfte jedoch sofort, als sich der Schmerz in ihrem Körper sofort dafür rächte.
“Uns fällt schon was ein - wie hättest du es denn gemacht, wenn ich nicht dabei gewesen wäre?“ Skadi schwankte zwischen „er hatte nie über diesen Fall nachgedacht“ und „er wäre ohne mich als verletzte Last wohl längst über alle Berge“. Tippte aber beinahe auf ersteres.
“Wenn dein kleiner Vierbeiner schon kein Geld für eine Überfahrt aus sich herauspressen kann?“ Was mindestens genauso lächerlich war, wie es sich anhörte. Glaubten Menschen wirklich an solchen Humbug? Nun. Einige aus ihrem Dorf hatten es damals. Glaubten an Phänomene, die sich niemand recht erklären konnte oder aus Legenden und Erzählungen der Ältesten kannte.


"Geldscheißer sind auch Märchenkram", sagte Jón und wenn seine Begleiterin sein Grinsen nicht sehen konnte, dann hörte sie es wohl. "Auch, wenn man meiner Familie sicher nachsagen könnte, dass wir welche haben." Jón wusste aber, dass Rúnars Großeltern sich diesen Reichtum hart erarbeitet hatten. Nichts mit Geldscheißern oder Wunderpferden. Aber es würde immer Leute geben, die neidisch waren. Wenn nicht sogar innerhalb der eigenen Familie ...

"Ich weiß nicht, was ich gemacht hätte, wenn du nicht dabei gewesen wärst", fügte er hinzu. Zuckte die Schultern. "Es ist so gekommen wie es gekommen ist."


Ein Junge aus gutem Hause. Ehrlich gesagt hatte sie nicht erwartet, dass der Fremde dazu zählte. Sicher. Er war gepflegt und roch nicht bestialisch nach Arbeit. Benahm sich gern mal etwas kindisch, wenn etwas außerhalb seiner Fertigkeiten lag. Allerdings fehlte es ihm an… diesem gewissen Tonfall in der Stimme. Ganz zu schweigen von diesem Blick, dem alles zu wider war, was nicht genug Ansehen und Prestige besaß.
Ein zufriedenes Lächeln schob sich für einen flatternden Atemzug über ihre Miene, bei der bloßen Erinnerung, wie sie Jón mit ihrer bloßen Anwesenheit den Schreck seines Lebens eingejagt hatte.
“Ich muss dir hoffentlich nicht sagen, dass es reichlich dumm ist ganz ohne Plan ein Pferd aus einem gute bewachten Hof zu klauen oder?“
Nur langsam drehte die Nordskov ihren Kopf zur Seite. Drückte ihre Wange gegen die warme Rückseite des Fremden und musterte die flackernden Lichter in der Ferne. Bald würden sie das Dorf erreichen und dann? Hatte sie genug Kontakte, um sich heimlich einzuquartieren? Nicht in ihrer normalen Gestalt. Nicht als Frau. Schon gar nicht mit ihrer geprellten Rippe.

“Okay.. pass auf.“, brachte sie unter einem etwas tieferem Atemzug hervor. Löste sich in kleinen Bewegungen von dem jungen Mann und schob ihre Kinn über seine linke Schulter, um ihn halb von der Seite zu betrachten. “Erst einmal müssen wir dein edles Streitross irgendwo unterbringen. Und es wäre ratsam es.. nun.. sagen wir… minimal zu verändern. Dieser Kerl wird es sonst mit nur einem Blick erkennen.“ Es wäre ähnlich ihrer eigenen Tarnung. Je mehr Schichten und andere Farben sie trug, desto weniger brachte man sie mit ihrem jeweiligen Ich in Verbindung.


Jón schnaubte. Er wusste selbst nicht genau, was sein Schnauben bedeutete. Natürlich musste sie ihm das nicht sagen -- er wusste, dass das dumm gewesen war. Oder: War ihm doch egal, ob es dumm gewesen war oder nicht.

Jón drehte seinen Kopf ein kleines Stück, als sie ihr Kinn auf seine Schulter legte. Seine Wange streifte ihre Schläfe. "Klingt als hättest du schon eine Idee, wie wir das am besten anstellen?" Seine Stimme war tiefer und leiser gewesen als er es beabsichtigt hatte.


Hatte sie das? Eine Idee, wie sie sich aus dieser Miesere befreien konnten? Ehrlich gesagt hatte sie keinen blassen Dunst. Eher ein Gefühl, das sie leitete. Und die Nordskov hatte gelernt auf ihr Bauchgefühl zu hören. Sie war nicht durchtrieben genug, um bösartige Pläne auszutüfteln und sämtliche Optionen ihrer Gegner auszurollen. Doch dafür fehlte es ihr nicht an Ausdauer und Biss. Lieber kämpfte sie, bis sie tot zu Boden fiel, als einfach so klein bei zu geben. Angesichts ihrer Rippe vielleicht nicht die klügste Idee.

"Abgesehen von Schmutz und Gras...", flüsterte sie nachdenklich und schielte an dem kantigen Kinn ihres Begleiters vorbei. Vielleicht machte sich der Beruf ihrer Mutter doch noch nützlicher, als sie jemals angenommen hätte. "Hast du hier zufällig eine Walnussplantage gesehen?" Die dunklen Augen huschten hinauf. Trafen auf hohe Wangenknochen und brauchten erst einen zur Seite gelegten Kopf, ehe sie das Augenpaar des Fremden erreichten.


Für eine Sekunde sah Jón sie an -- soweit das ging, ohne sich beim Umdrehen zu verrenken. Dann sah er wieder nach vorn. Nicht, dass er Fjalli nicht vertraute, aber in der fremden Umgebung und mit "gestohlenem" Gut unterm Arsch, wollte selbst er ein wenig aufmerksamer bleiben.

"Eine Walnussplantage?" fragte er. "Was genau hast du mit einer Walnussplantage geplant?" Hoffentlich etwas gutes, denn er fürchtete, dass Schmutz und Gras nicht den Job tun würden -- damit würde Fjalli wohl einfach wie ein dreckiges Pferd aussehen.


"Nun... . mit den grünen Schalen, der Rinde und den Blättern kann man dein Pferd ein bisschen.. umfärben." Sie erinnerte sich daran, wie sie damals mit braunen Fingern nach Hause gekommen war, weil sie ihrer Mutter beim Färben alter Stoffe ausgeholfen hatte. "Ob wir so viel finden, um.. nun ja..." Sie wollte die Arme zur Seite anheben, um das Ausmaß des Tieres zu demonstrieren. Beließ es jedoch dabei und seufzte. "Aber wir könnten vielleicht besondere Stellen abdecken... wie das da im Gesicht." Man musste sich vielleicht nicht mit Pferden im Speziellen auskennen um zu wissen, dass Gesichtsmuster ein Wiedererkennungsmerkmal waren. Genauso wie Leberflecke, Muttermale oder Sommersprossen.

"Und das kann man so machen, dass es sein Fell umfärbt?" Er war so fasziniert von der Vorstellung, dass er nicht darauf einging, ob sie überhaupt Walnuss finden würden; und dass er ihr auch nicht mitteilte, wie man das Abzeichen auf Fjallis Stirn nannte.

"Wenn es bei Kleidung funktioniert, wieso dann nicht auch bei Fell?" Letztlich war beides tierische Haut - ob nun abgezogen, geschoren oder am Leib. Doch Skadi senkte bereits wieder den Kopf zwischen Jón Schulterblätter, um den scharfen Stich in ihren Nervenbahnen zu unterdrücken. Festigte den Griff um seine Taille und seufzte dann merklich. "Zur Not schmuggeln wir ihn auf die Weide eines Bauern und verstecken uns für die Nacht in der Scheune." Immerhin hielt das Stroh sie warm genug.

"Vielleicht weil die Struktur--ne, weißt du was, ich hab überhaupt keine Ahnung von sowas. Aber ich denke wir haben nicht die Zeit und du bist nicht in der besten Lage um eine geeignete Menge Walnüsse zu finden und mein Pferd umzufärben. Auf eine Weide schmuggeln klingt allerdings nach einem sehr guten Plan. Besser noch wenn die Weide nicht unbedingt direkt am Hof ist." Er kannte sich wenig mit Dingen aus, die außerhalb dessen stattfanden, womit er sich tagtäglich beschäftigte -- doch Pferde waren eines davon und Pferde, und demnach auch Weiden, würde es hier seines Wissens nach genug geben. Vielleicht auch eine Weide ab vom Gehöft mit einem kleinen Unterstand für die Tiere. Je weiter weg sie sich von der Zivilisation halten konnten, desto besser.

Somit war ihr Plan besiegelt. Weide. Stall. Ruhe. Blieb nur zu hoffen, dass ihnen bei dem Versuch nichts in die Quere kam.

"Siehst du bereits irgendwo was?" Noch immer ruhte ihre Stirn zwischen Jóns Schulterblättern, weil es in diesem Moment die einzige Position war, in der sie tief durchatmen und sich aufs Sitzen konzentrieren konnte. Das Pochen in ihren Fingerkuppen und die Wärme, die der Körper des Fremden ausstrahlte, taten ihr Übriges.
"Eigentlich dürften wir nicht mehr weit vom nächsten Dorf entfernt sein."
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