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Rain, Rain go away
Crewmitglied der Sphinx
für 60 Gold gesucht
dabei seit Nov 2015
#1
Rain, Rain go away
bespielt von    Rúnar Rúnarsson   Shanaya Árashi
03.06.1822
Rain, Rain go away

Nachmittag des 03. Juni 1822
Rúnar Rúnarson & Shanaya Árashi


Abwartend blickten die blauen Augen zum Himmel, voller Hoffnung. Sie hatte kein Problem damit, nass zu werden, wirklich nicht. Selbst ihre weiße Bluse, die sehr durchsichtig werden würde, hätte sie nicht gestört. Jedoch trug sie einen Stapel Bücher mit sich herum, die sie gerade frisch gekauft hatte. Shanaya hatte gehofft, es zum Bordell zurück zu schaffen, bevor der Regen los ging… nun stand sie unter einem kleinen Vordach, wartete darauf, dass sie ihre frische Beute im Trockenen zurück bringen konnte. Aber der Regen wurde nicht weniger, es schien eher mehr zu werden. Also seufzte die junge Frau, legte die Bücher auf eines der Fässer hinter sich ab und lehnte sich dagegen, den hellen Blick in den tristen Himmel gerichtet. Dann würde sie eben einfach warten.

Rúnar erinnere sich nicht mehr, wann es das letzte Mal geregnet hatte. Es war den ganzen Tag schon etwas kühler als üblich gewesen und als die ersten Tropfen begonnen hatten zu fallen, war er zum Strand gegangen. Er hatte das Halstuch seines Urgroßvaters -- welches er immer um die Stirn gebunden als Schweißband missbrauchte -- abgemacht und war mit demselben in der Hand am Strand entlang gelaufen, hatte den kühlen Regen genossen und dem Tuch zugesehen, wie es im Wind flatterte. Bis es plötzlich angefangen hatte in Strömen zu gießen und das Tuch binnen Sekunden wie ein nasser Lappen in Rúnars Hand gehangen war. Und jetzt schleuderte es in seiner Faust umher, als er die Straße entlang rannte und nach dem nächstbesten trockenen Fleck suchte. Er bremste unter einem Vordach unter dem eine junge Frau wartete, die wohl ebenfalls Schutz vor dem Regen gesucht hatte. "Entschuldigung, ich hoffe es macht dir nichts aus, wenn ich mich, solange der Regen--oh. Shanaya. Grüß dich." Er bemerkte den Stapel Bücher hinter ihr -- mit dem Blick auf jenem ruhend und einem Lächeln auf den Lippen fragte er: "Einkaufen gewesen?"

Den hellen Blick noch immer gen Himmel gerichtet, holte Shanaya aus ihrer Tasche, die sie so trug, dass sie vor ihr hing, ein Stück Dörrfleisch. Es sah aus, als würde es noch eine Weile so weiter regnen. Manche Menschen liefen an ihr vorbei, andere suchten Schutz. Herrje, da fühlte sie sich fast wie eine von denen, die im Regen schmolzen. Nun... Ihre Bücher würden ihr das sicher nicht einfach verzeihen. Als plötzlich eine andere Gestalt zu ihr trat, wandte die junge Frau den Blick herum und kaute dabei stumm auf dem Fleisch. Rúnar schien sie im ersten Moment nicht zu erkennen, es dauerte einen Augenblick, bis ihr Name über seine Lippen kam. Die schwarzhaarige neigte leicht den Kopf zur Begrüßung, schluckte das Fleisch herunter und nickte auf die Worte des Blonden hin. Sie schmunzelte, seufzte dann theatralisch. "Und dieser Einkauf hindert mich jetzt daran, weiter zu gehen..."

"Na ja, es ist auch sonst nicht sonderlich empfehlenswert", sagte Rúnar und neigte sich etwas nach vorn, um unter dem Vordach heraus in den Himmel zu linsen. "Was für Bücher sind es, wenn man fragen darf?" Er war ernsthaft interessiert.

Shanaya wog den Kopf bei den Worten des Mannes leicht zur Seite, nickte dabei mit einem leisen Seufzen. „Du hast vermutlich Recht...“ Die blauen Augen folgten dem Blick des Blonden zu dem Grau in Grau, bei dem es nicht so schien, als wolle es sich in nächster Zeit auflösen. Rúnars Worte ließen die Schwarzhaarige dann kurz blinzeln, ehe sie amüsiert auflachte. „Man darf mich immer alles fragen, nur ob man eine Antwort bekommt ist eine andere Sache.“ Mit vielsagendem Blick musterte sie den Mann, ließ die Finger dann sachte über das oberste Buch gleiten. „Verschiedenes. Eines beschreibt Mythen und Legenden der ersten Welt. Vielleicht finde ich da ja eine Legende, der wir nachjagen können.“ Ein Funkeln lag in den blauen Augen, ehe sie fortfuhr, ein sachtes Lächeln auf den Lippen. „Ein anderes handelt von der Navigation durch die erste Welt… davon kann man nie genug haben. Und ein Roman ist auch dabei...“

Rúnar lachte auf Shanayas Bemerkung über das Fragen und Antworten hin auf. Aber das amüsiert Lächeln schwand sofort aus seinem Gesicht, als sie ihm von den Büchern erzählte. Er nahm einen tiefen, müden Atemzug und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. "Legenden nachzujagen kann ich bislang auch nicht empfehlen." Er erinnerte sich, dass er mit Shanaya schon einmal angeschnitten hatte, warum er überhaupt bei der Crew gelandet war. Aber so weit zurück in seine Beweggründe hatte ihr Gespräch nicht gereicht.

Rúnar lachte – eine Reaktion die sich schnell wieder erledigt hatte. Seine Worte gaben ihr vielleicht einen kleinen Eindruck, wieso seine Stimmung mit einem Mal so kippte. „So? Wieso? Bist du nicht scharf auf ein neues Abenteuer?“ Shanaya grinste amüsiert, wog den Kopf dabei noch einmal leicht zur Seite. „Ich bin für genau so etwas geboren. Mich schrecken keinerlei Geschichten zu irgendetwas ab.“

So wie Shanaya über Abenteuer sprach begann Rúnars eigenes Herz sogar etwas schneller zu schlagen. Aber seine Mine ließ keine weitere Regung zu. Er vermied es, ihr in die Augen zu sehen und blickte in den Vorhang aus Regen der vor ihm von dem Vordach tropfte. "Das Reisen taugt mir mehr als ich je erwartet hätte, aber es war nie das, was ich für mich und mein Leben geplant hatte. Für den Rest muss ich etwas ausholen." Er nahm einen tiefen Atemzug. "Kennst du die Legende von Svavars Herde?"

Die blauen Augen der jungen Frau musterten den Blonden, wobei sie leicht eine Augenbraue anhob. Sie für ihren Teil schaute die Leute, mit denen sie sprach, direkt an. Rúnar schien das anderes zu halten, was der jungen Frau nur ein tonloses Seufzen entlockte. War sie so einschüchternd? Gut, dass die Seefahrt nicht sein Plan gewesen war, hatte man sich irgendwie denken können. Aber… was das damit zu tun hatte, dass er keinen Legenden hinterher jagte… Etwas, was ihr in Fleisch und Blut übergegangen war. Jede Legende, sei sie noch so abstrus, weckte in ihr den Drang, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Ein leises, kurz überlegendes Brummen drang Shanaya über die Lippen, als er nach einer Legende fragte. „Die kenne ich, ja. Ich habe sie zumindest schon einmal gelesen.“

Sein Kopf zuckte nun zu ihr herum -- halb aus Überraschung, halb aus Sympathie. "Dann muss ich vielleicht doch nicht allzu weit ausholen." Er konnte sich ein Lächeln abringen, aber wusste selbst nicht, wie ehrlich es war. Svavar und sein Vater waren etwas worüber er eigentlich täglich nachdachte, aber es laut auszusprechen machten ihm noch einmal klar, wie schwer diese Sache auf ihm lastete. "Mein Vater ... wurde von Svavar mitgenommen. Ich bin auf der Suche nach ihm. Meine Familie hält mich für einen Idioten." Er schnaubte. "Ich mochte Legenden schon immer, aber sie waren eben das." Er zuckte die Schultern. "Legenden. Aber jetzt ... alles hat so perfekt gepasst. Alle Indikatoren, dass Svavar ihn mitgenommen hat, waren da." Seine Stimme war am Ende des Satzes etwas härter geworden. Er musste aufpassen, dass er sich nicht in Rage redete. Das war es nicht Wert. Es war egal, was seine Familie dachte. Es war egal, was irgendwer dachte. Er tat, was er wollte. Einmal in seinem Leben wollte er das tun, was er wollte und nicht das, was andere für ihn wollten.

Als Rúnar den Kopf zu ihr herum schnellen ließ, sackte Shanayas Kopf noch ein wenig weiter zur Seite. Soso. Aber auch sein kleines Lächeln entlockte der jungen Frau vorerst keine andere Reaktion. Bis er schließlich weiter erzählte und ihre Hand erneut in ihre Tasche sank. Erneut kam ein Stück Dörrfleisch zum Vorschein, von dem sie ein Stück abbiss, während sie Rúnar lauschte. Alles hatte also für ihn dafür gesprochen, dass sein Vater Teil dieser Legende geworden war. Nun… „Und jetzt segelst du mit uns, um dieser Legende und dem Verschwinden deines Vaters auf den Grund zu gehen?“ Interessant. Vielleicht etwas, was sie sich merken würde. „Und was willst du dann machen?“ Eine vollkommen neutral gestellte Frage, während sie noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen auf ihrem Fleisch herum kaute.

"Sehr richtig", sagte Rúnar und beobachtete, wie Shanaya sich etwas zu Essen aus ihrer Tasche nahm. Er hatte nicht geplant gehabt, so lange mit der Crew unterwegs zu sein. Nur ein paar Tage, hatte er sich gesagt. Nur bis zur nächsten Insel. Und jetzt war er noch immer bei ihnen und Stand mit Shanaya unter einem Vordach in Silvestre. Aber Svavar könnte eben auch überall sein. Warum war Rúnar so lange davon überzeugt gewesen, dass Svavar nur um Andalónia unterwegs war? "Mein Vater und ich hatten einen Streit bevor er verschwand. Ich hab etwas herausgefunden, von dem er schon lange gewusst hatte. Und hätte ich es gewusst, hätte mein Leben ganz anders laufen können. Aber jetzt weiß ich nicht, ob ich das überhaupt gewollte hätte ... verstehst du? Ich hätte zum Beispiel meine Frau nicht kennengelernt, wenn es anders gelaufen wäre. Aber zu meinem alten Leben zurück will ich auch nicht mehr." Er lachte leise auf. "Ich weiß nicht, was ich danach machen will und genau das ist es, was mich verrückt macht."

Wie bei allem wog Shanaya ab, ob sie aus Rúnars Geschichte irgendetwas für sich heraus schlagen konnte. Die vollen Geschichten der Crewmitglieder interessierten sie meist wenig – wenn jedoch etwas für sie dabei herum kam… und einer Legende zu folgen und heraus zu finden, ob sie wirklich existierte… das war etwas, wofür die junge Frau sich begeistern konnte. Zusätzlich konnte sie so vielleicht heraus finden, wie lange Rúnar auf der Sphinx mit segeln wollte. Ob er sie bei der nächsten Insel wieder verlassen würde. All das konnten Informationen sein, die sie vielleicht gebrauchen konnte. Wofür auch immer. Bei den weiteren Erzählungen des Blonden nickte die junge Frau ruhig. Jetzt hatte er also seine Frau zurück gelassen, um seinen Vater und eine Legende zu jagen? Und er wusste nicht, was er tun wollte, wenn er all das erledigt hatte. Shanaya kaute auf dem Fleisch herum, ließ den Blick dann kurz durch die nasse Gasse schweifen, richtete die blauen Augen dann abschätzend wieder auf Rúnar. „Das klingt… anstrengend. Und trotzdem bist du nicht der Typ, der Legenden nachjagt?“ In ihrer Stimme klang Unglaube mit, gerade, wenn er glaubte, sein Vater hätte etwas mit eben solch einer Legende zu tun…

Rúnar schüttelte den Kopf auf Shanayas Frage hin. "Normal nicht." Er hatte einen kurzen, wachen Moment -- einen Moment indem sich mental sein Selbst vor ihn stellte und sich ihm in all seinen Facetten offenbarte. Ja, warum machte er das überhaupt? Warum glaubte er an eine Legende? Warum glaubte er, er könne Svavar zähmen, nachdem es über hunderte Jahre hinweg sonst keiner geschafft hatte? Nur um seinen Vater wieder zurückzuholen, nachdem alle anderen sowieso glaubten, er sei tot? Was hatte er selbst davon überhaupt? Was passierte danach? Aber dann war der Moment vorbei und sein über die Jahre von anderen geformtes Selbst war wieder da und er sagte: "Ich weiß nicht, warum ich es jetzt tue -- aber ich weiß, dass ich es tun will. Nein -- muss." Er presste sich die Hand auf die Brust, dort, wo sein Herz war. "Ich glaube, sonst werde ich meines Lebens nicht mehr froh."

Gut, Shanaya musste einsehen, dass nicht jeder gleiche Ansichten hatte wie sie – das wäre ja auch langweilig! - aber… so nah mit solch einer Legende verbunden zu sein und dann nicht Feuer und Flamme dafür zu sein, kam ihr doch etwas merkwürdig vor. Dass es Rúnar dabei um seinen Vater ging, war für sie genauso unerklärbar. Aber das war etwas persönliches… und nicht jeder Vater trachtete seinen Kindern nach dem Leben. Ihrer war da eine der extremen Ausnahmen. Was dem Blonden durch den Kopf ging, zählte für die Schwarzhaarige nicht, erst, als er wieder zu sprechen begann, und dabei eine dramatische Pose einnahm, richteten sich die blauen Augen wieder auf ihr Gegenüber. „Und dann gehst du in dein wohl behütetes Leben zurück?“ Wenn er Abenteuern gegenüber so skeptisch war, konnte sie sich gut vorstellen, dass es ihn sehr schnell wieder von einem Piratenschiff hinunter treiben würde.

Er konnte nicht einschätzen, ob der Ton ihrer Frage neugierig war oder abschätzig. Oder vielleicht schwang auch gar nichts darin mit und es war eine neutrale Frage. Er konnte sie nur schwer einschätzen. Zurückhaltende Menschen konnte er nie gut einschätzen. Rúnar sah Shanaya an. Ihr Blick ruhte auf ihm aber seiner wanderte zu den Büchern hinter Shanaya, zu den Regenschleiern die grau und trüb die Häuserfassaden verdeckten, zu den ausgefransten Ärmeln seines Mantels, zu dem durchnässten Tuch in seiner Hand, das seit Generationen in seiner Familie weitergegeben wurde. Er schüttelte wieder den Kopf. "Nein." In Wahrheit wusste er nicht, ob er in sein wohl behütetes Leben zurück wollte. Aber es fühlte sich nicht falsch an, nein gesagt zu haben und ein kleines Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. "Zumindest nicht so, wie es vorher war." Kurz ging er in Gedanken die Crew durch. Überlegte, wo sie alle herkamen. Die meisten wirkten, als seien sie auf einem Schiff geboren worden. Ironischerweise konnte Rúnar das fast von sich selbst behaupten -- er hatte einen großen Teil seines Lebens auf dem Wasser verbracht -- aber nicht als sozial Aussätziger und vom Gesetz Verfolgter. Er holte Luft um Shanaya nach ihrem Leben vor der Sphinx zu fragen -- aber dann hielt er sich zurück. Sie wirkte nicht wie jemand, der offen über diese Dinge sprach.

Was Shanaya erwarten sollte, wusste sie nicht wirklich. Vielleicht, dass Rúnar wimmernd mit einem ‚Ja‘ antwortete, dem man entnehmen konnte, wie unglücklich ihn das Piratenleben machte? Möglich war es – in diesem Fall hätte sie vermutlich einfach gelacht. Aber er nahm sich einen Moment Zeit, wich ihrem Blick aus und ließ ihn irgendwohin schweifen. Sie folgte ihm nicht, schob sich nur ein weiteres Stück Dörrfleisch in den Mund, auf dem sie abwartend herum kaute. Wurde der Regen noch mehr? Solange der Himmel so von Wolken überzogen war, brauchte sie sich nicht hier weg bewegen. Solange sie nicht einen sicheren Schutz hatte, der das Wasser von ihren Büchern fern halten würde. Rúnars Antwort kam doch noch, ließ Shanaya den Kopf ein wenig zur Seite neigen. Soso. „Wirst du etwa doch noch zum Abenteurer?“ In ihrer Stimme lag leiser Spott, allein schon, weil der Blonde dem klischeehaften Bild eines Abenteurers so gar nicht entsprach. Rúnars nächste Reaktion ließ die Schwarzhaarige aufmerken, ihr heller Blick wurde aufmerksamer. „Liegt dir noch etwas auf der Zunge?“ Sie war sich nicht sicher, aber er machte den Anschein, als läge sie richtig.
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#2
Rúnar lachte leise und hatte kurz das Bedürfnis ihr den Ellbogen in die Seite zu stupsen, aber er ließ es sein. "Es wird wohl noch etwas dauern, bis ich mich dran gewöhnt habe, aber ausschließen würde ich es jetzt nicht." Und vielleicht hatte er sich geirrt. Auf ihre nächste Frage hin zögerte er kurz, aber sagte dann doch: "Du bist aufmerksam." Das war ein ernst gemeintes Kompliment. "Ich hatte kurz überlegt, ob ich dich fragen soll, wie dein Leben aussah, bevor du zur Crew gestoßen bist. Ich hab mich bislang mehr als einmal wie der letzte Idiot gefühlt, weil ihr alle so wirkt, als seid ihr als Piraten geboren worden." Wenn das so war, dann würde ihn das auch nicht wundern. "Und ich hab euch auch noch gezielt aufgesucht -- und bin letztendlich doch ziemlich unfähig. Oder unnütz. Oder beides." Er wollte kein Mitleid oder nach Komplimente angeln. Es war nur eine Tatsache.

Mit einem etwas schrägen Grinsen versuchte Shanaya sich ihr Gegenüber als mutigen, tollkühnen Seefahrer vorzustellen, der einer Geschichte nach der anderen hinterher jagte. Das passte in ihrem Kopf nicht zusammen, aber sollte er weiter mit ihnen segeln, konnte sie sich selbst ja ein Bild davon machen. Viel mehr lag die Konzentration der jungen Frau jedoch auf dem Blonden und seinem Verhalten und bei seiner kleinen Anmerkung lachte Shanaya auf. „Merk dir das, mir entgeht kaum etwas.“ Ein vielsagendes Grinsen lag nun auf den Lippen der Dunkelhaarigen, während sie abwartete, ob Rúnar weiter sprechen würde. Was er dann zu sagen hatte, ließ die junge Frau erneut auflachen. „Ich sagte doch bereits, man kann mich fragen, was man will… manchmal kriegt man eben nur keine Antwort.“ Sie strich sich eine der nassen Strähnen aus dem Gesicht, überlegte kurz. „Stell also eine genauere Frage und ich überlege mir, ob ich antworte. So viel vorweg – ich wurde nicht als Piratin geboren.“ Seine letzten Worte ließen den Ausdruck dann wieder ein wenig hämischer werden. „Da gibt es nur ein Mittel gegen. Tu etwas dafür, dass es nicht so ist. Sonst bestehst du nicht lange.“ Keine Wertung lag in ihrer Stimme – das war schlicht eine Tatsache.

Rúnar musste nun auch grinsen. Er nickte. "Stimmt, ja. Das hattest du gesagt. Offensichtlich bin ich nicht ganz so aufmerksam." Seine Mine wurde wieder etwas ernster, aber er behielt das Lächeln auf den Lippen. "Dann habe ich zwei Fragen: Hast du eine Familie? Ich meine -- im Sinne von Blutsverwandten oder Menschen die dich aufgezogen haben." Denn ihm schien so, als würde sie diese Leute hier als ihre Familie bezeichnen. "Und: Was kann ich tun?" Rúnar konnte sich die Antwort darauf eigentlich ausmalen: Leg mal deine feinen Klamotten ab, die sind unnötig. Werd mal ein bisschen entspannter, das hier ist nicht der königliche Hof. Und so weiter. Er arbeitete gerade daran aus seiner designierten Kiste auszubrechen, also würde er sich nicht direkt wieder in eine andere zwängen lassen.

Shanaya wog nur mit einem zustimmenden Ausdruck auf dem Gesicht den Kopf etwas zur Seite, ging sonst aber nicht weiter auf die Worte ihres Gegenübers ein. Konnte ja nicht jeder die gleichen Fähigkeiten wie sie haben. Viel mehr konzentrierte sich die junge Frau auf seine Frage, die ihr zuerst ein Lachen entlockte. „Habe ich. Aber über Blutsverwandtschaft geht das nicht hinaus.“ In keinem Fall, von keiner der beiden Seiten. Diese Verwandtschaft zählte für keinen von ihnen. Rúnars nächste Frage ließ die Schwarzhaarige jedoch nur leise schnaufen. „Dafür bin ich wirklich der denkbar schlechteste Ansprechpartner. Mir ist egal, wie man sich einbringt, was man tut, um nicht hinterher zu hinken. Hauptsache, man tut es. Und wenn nicht… auch dann bin ich nicht da, um Händchen zu halten. Mach dir selbst darüber Gedanken, nur wenn etwas wirklich von dir kommt, kannst du dahinter stehen.“ Wieder lag keinerlei Wertung in Shanayas Stimme. Das war das, was sie dazu sagen konnte. Jeder musste selbst seinen Weg finden – und sich darum bemühen, dass er ihn nicht wieder aus den Augen verlor.

Hm. Rúnar musste schmunzeln. "Bei mir ist es genau anders herum. Nun, nicht genau, aber ... " Er nahm einen tiefen Atemzug. "Der Grund warum mein Vater und ich uns gestritten haben bevor er verschwunden ist, war, weil ich mein Leben lang aufopferungsvoll für unsere Familie da war. Ich als Erbe. Das war ihm ja so wichtig. Und dann finde ich heraus, dass er gar nicht mein Vater ist. Und ich nicht sein Erbe. Und er es die ganze Zeit gewusst hat." Er schnalzte mit der Zunge. "Na ja. Ich möchte nicht schon wieder jammern. Bist du also bei der Crew gelandet, weil du von deiner Familie weg wolltest?" Und auch auf Shanayas zweite Antwort hin ging Rúnars Schmunzeln in ein echtes Lächeln über. Damit hatte er nicht gerechnet. "Das bekomme ich hin." Er nickte zufrieden. Irgendetwas konnte er beitragen. Und er hatte zum ersten Mal das Gefühl, dass er es mit Leuten zu tun hatte, die jemanden für das schätzten was er mitbrachte und nicht für das, was sie selbst wollten.

Kurz ließ Shanaya den blauen Blick zu der Straße wandern, auf dem sich ein Rinnsal nach dem anderen bildete. Rúnar erzählte seine Geschichte, die junge Frau hob erst wieder den Blick, als sie glaubte, seine Erzählung sei beendet. Auf ihren Lippen lag ein amüsiertes Lächeln. Würde sie irgendetwas von dieser Geschichte im Kopf behalten? Vermutlich nicht, auch wenn es nicht ausgeschlossen war. „Weißt du… das klingt ziemlich hart, aber mir sind die Geschichten unserer Crewmitglieder eigentlich egal. Ich urteile nach dem, was ich zu sehen bekomme.“ Sie wog den Kopf ein wenig zur Seite, atmete dann tief durch und antwortete dann auf seine nächste Frage. „So kann man es sagen, ja.“ Das traf die Sache schon sehr genau. „Warum interessiert dich das?“ Eine ruhige Frage, in der ehrliches Interesse mit schwang.

Rúnar nickte verständnisvoll. "Ich hätte auch nicht von dir erwartet, dass du darauf eingehst. Es war aber gut, es mal loszuwerden." Zumindest, es laut loszuwerden. Er hatte bislang mit niemandem darüber gesprochen. Außer mit Nótt. Aber Nótt war nicht da -- sie war Tinte auf einem Stück Papier. Nur das. Im ersten Moment dachte Rúnar, dass er vielleicht eine Linie übertreten hatte -- wenn Shanaya sich selbst nicht für die Vergangenheit anderer interessiert, hielt sie es vielleicht für taktlos wenn einer direkt danach fragte. Aber ihre Frage klang nicht so. Rúnar zuckte mit den Schultern und gab ein verlegenes Lächeln. "Weil ich neugierig bin. Und weil ich andere dann besser einschätzen kann, denke ich. Im Sinne von, dass ich gewisse Verhaltensweisen dann besser deuten kann und entsprechend darauf reagieren kann."

Shanaya konnte nicht wirklich wissen, was Rúnar mit seinen Fragen bezweckte, selbst bei seiner Antwort hatte sie keine vollkommene Sicherheit. Aber was sollte er mit diesem Wissen schon anfangen? Die, die an sie heran kommen wollten, würden das ohne irgendwelche Informanten schaffen. Und vielleicht wusste Rúnar nicht einmal etwas von dem gesuchten Piraten, der ihr persönlich nach dem Leben trachtete? „Soso. Und? Meinst du, du kannst mich jetzt besser einschätzen und meine Beweggründe besser verstehen?“

Rúnar legte bewusst den Kopf schief und sah Shanaya an. "Hm. Nein. Aber ich weiß ja auch noch nicht wirklich viel." Er grinste. Sie waren eindeutig nicht auf der selben Wellenlänge. Zumindest noch nicht. Er würde ihr Fragen stellen und sie würde ihm keine stellen und dann müsste er es drauf ankommen lassen, ob sie darauf antwortete. Wie eine Katze, die vor einem Mauseloch saß und geduldig darauf wartete, dass zumindest die Nase der Maus einmal kurz hervorlugte. Geduldig. Das war er. Einfühlsam. Nicht besonders. (Außerdem war er wahrscheinlich eher die Maus und Shanaya eher die Katze -- wenn auch nicht in gerade dieser Situation.) "Du redest nicht gerne über deine Vergangenheit, oder?"

In einer zustimmenden Geste nickte Shanaya ruhig mit dem Kopf. Gut, da hatte er Recht. Ob er noch mehr fragen würde? Was ihn wohl noch so interessierte, um sie besser einschätzen zu können? Sie blieb dabei – jeder konnte sie fragen, was er wollte. Aber es gab eben auch Dinge, auf die würde sie nicht antworten, nicht bei irgendwem. Dazu… gehörte schon deutlich mehr. Die Frage des Blonden ließ die junge Frau schließlich auflachen. Tja… „Ich habe überhaupt kein Problem damit, von meiner Vergangenheit zu sprechen. Aber erstens finde ich sie nicht wichtig… und zweitens erzähle ich nicht jedem alles, was er wissen möchte. Die meisten geht es einfach nichts an…“ Ein leises Schnaufen folgte, ehe sie weiter sprach. „Außerdem bin ich ein sehr… misstrauischer Mensch. Und wer weiß, wie du diese Infos irgendwann gegen mich verwenden könntest.“ Ein lauerndes Grinsen legte sich auf die Lippen der Schwarzhaarigen, während sie Rúnar mit einem festen Blick betrachtete.

Rúnar hob verteidigend die Hände, aber musste weiter grinsen. "Nichts liegt mir ferner, als Informationen gegen jemanden zu verwenden. Aber Misstrauen hat so an sich, dass du mich dabei wahrscheinlich nicht beim Wort nehmen wirst," sagte er. "Das ist schlau. Und wahr. Eigentlich ist es nicht wichtig. Aber vielleicht hast du einen besseren Sinn dafür, was für eine Art Mensch jemand ist, ohne konkrete Dinge über ihn zu wissen. Ich kann das nicht. Du bist praktisch eine tabula rasa für mich. Außer, dass ich jetzt weiß, dass du Bücher magst." Er zeigte auf den Stapel hinter Shanaya. "Zum Beispiel. Aber warum magst du Bücher? Sowas muss ich wissen, um dich einschätzen zu können. Eigentlich." Er kniff kurz die Augen zusammen und sah zur Seite, dann wieder zu Shanaya. "Ergibt das Sinn?"

Als Rúnar die Hände hob und seine guten Absichten aussprach, im fast gleichen Atemzug aber schon ihre Antwort darauf nannte, deutete Shanaya zustimmend mit der Hand auf den Blonden. „Exakt, das hast du ganz richtig erkannt.“ Seine nächsten Worte ließen sie kurz überlegen, ehe sie leicht den Kopf schüttelte. „Meine Menschenkenntnis ist ziemlich gut… aber wie gesagt, ich urteile nach dem, was ich sehe. Wenn du dich in meiner Nähe wie ein Idiot verhältst entgeht mir das nicht. Andersrum genauso. Mir entgeht quasi nichts.“ Dazu brauchte sie keine langen Gespräche – auch wenn nur das Verhalten ihr Gegenüber wirklich für die zählte. Die Erwähnung der Bücher ließ ihren hellen Blick kurz zu dem kleinen Stapel wandern. „Das ist einfach. Wissen ist Macht. Als Navigatorin muss ich wissen, welche Route die taktisch klügste ist, welche man nehmen kann, ohne auf Grund zu laufen – und welche am besten ist, um Verfolger eben dieses Schicksal zu verpassen. Und die Romane… ich kann vermutlich in meinem Leben nicht so viel erleben, dass es meinen Abenteuerdurst stillen könnte… also muss ich das auf anderem Weg unterstützen.“ Damit legte sich ihr Blick wieder auf den Blonden. „Jeder hat so seine Angewohnheiten, nicht wahr?“ Und wenn es so für ihn Sinn ergab…

"Genau das meinte ich," sagte Rúnar. Und ihre Antwort sagte ihm nicht nur etwas darüber, warum sie gerne las, sondern auch darüber, wie misstrauisch sie tatsächlich war. Mehr als er zunächst dachte. Vielleicht entging ihr deshalb nichts. Vielleicht musste sie deshalb alles wissen -- damit sie nicht Gefahr lief sich auf etwas oder jemanden zu verlassen, von dem sie sich nicht zuerst selbst überzeugt hatte. Nur das mit den Abenteuern ... "Als Angewohnheit würde ich das nicht bezeichnen. Angewohnheit impliziert, dass es etwas ist, das man so oft gemacht hat, dass es auf eine vornehmlich negative Art außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. Reiten ist zum Beispiel etwas, das ich immer und immer wieder machen muss, weil ohne es mein Leben nicht vollkommen wäre -- das macht es aber nicht zu einer Angewohnheit."

Das stete Tropfen des Regens auf dem Dach, unter dem Shanaya mit Rúnar stand, wurde allmählich leiser, weckte in der jungen Frau das Wissen, das sie bald zur Sphinx zurück kehren können würde. Ohne dabei vollkommen aufgeweichte Bücher. Zuerst lauschte sie jedoch den Worten des Hellhaarigen, hob dabei eine Augenbraue leicht in die Höhe. Einen Moment hielt sie diese Miene aufrecht, ehe sie auflachte und mit einem leisen Schnaufen endete. „Du machst es dir einfach viel zu kompliziert.“ Sie klopfte dem Älteren kräftig mit einer Hand auf die Schulter, ehe sie sich an ihre Bücher wandte, sie wieder anhob und mit dem Kopf entlang die Gasse deutete. „Ich mache mich auf den Weg zurück zur Sphinx? Wie sieht es bei dir aus?“ Vielleicht fielen ihm ja auf dem Weg zum Schiff noch irgendwelche tiefgehenden Fragen ein, um sie besser verstehen zu können.

Rúnar musste laut auflachen. "Das höre ich nicht zum ersten Mal." Ganz kurz, jedoch nicht sichtbar, durchfuhr ihn ein Schreck, als Shanaya ihm auf die Schulter klopfte -- aber der Schreck wandelte sich sofort zu einem warmen Gefühl in seiner Brust. Das. Genau das. Von Leuten gut behandelt zu werden, weil er so war wie er war, nicht weil er der Sohn eines neureichen Landadligen war, oder ein vielversprechender Geschäftspartner, oder ein Teil der Familie. Er fühlte sich weniger fehl am Platz als bislang. "Ich komme mit. War ohnehin auf dem Weg zur Sphinx." Er streckte die Hände aus. "Kann man dir was abnehmen?"
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