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I hunt, therefore I am
Crewmitglied der Sphinx
für 6.000 Gold gesucht
dabei seit Nov 2016
#1
I hunt, therefore I am
bespielt von    Josiah Moggensten   Trevor Scovell
08.05.1822
Off through the new day's mist I run
Out from the new day's mist I have come
I hunt
Therefore I am

(Metallica - Of Wolf and Man)
oder alternativ: "If you guys don't wanna play with me, I'm gonna go on a bear hunt."


- Früher Morgen, irgendwo auf der kleinen Zwischenstop-Insel in einem Wald am 08.05.1822 -
Die Insel war überraschend charmant. Klein und unbedeutend, aber charmant. Josiah schulterte den Trageriemen und blickte sich langsam um. Er stand mitten in einen Wald, unweit der Küstenlinie. Es war ein schattiger Wald: nur wenige Sonnenstrahlen schafften es durch das dichte Blätterdach, und wo nicht gerade Laubbäume herrschten verbargen die tiefhängende Äste der Nadelbäume den Boden. Unterbrochen wurde die Szenerie von kleinen Lichtungen, die seine alte Bekannte begeistert „kleine-Menschen-Tanzplatz“ genannt hätte.
Trotz des Schatten herrschte reges Leben, angetrieben von den lauten Morgengesängen der ansässigen Singvögel und dem Rascheln im Gebüsch. Friedlich und nichts böses ahnend.
Josiah machte keinen Hehl daraus, dass er plante, diesen Frieden für ein paar Stunden zu zerstören.
Die Armbrust, die er auf der mörderischen Insel von vor ein paar Tagen aufgeglaubt und mitgenommen hatte, lag schwer auf seinen Rücken. Daneben begleiteten ihn die passenden Pfeile, Seile und zwei von seinen Messern: es ging auf die Jagd. Schon am Abend zuvor hatte er zwei, drei Fallen ausgelegt, bevor es zu dunkel geworden war um weiter zu gehen. Diese wollte er jetzt abklappern und unter Umständen weitere aufstellen. Aber sein eigentliches Ziel würde danach kommen und war etwas größer, wenn auch er sich noch nicht festgelegt hatte. Ein Reh vielleicht. Oder eine Raubkatze. Je nachdem was ihm vor die Nase laufen würde.
Er hatte niemanden davon erzählt, wo er hin ging, und auch kein großes Aufsehen darum gemacht, dass er überhaupt ging. Er hatte keine Lust gehabt, fragen zu beantworten.
Denn es war kein Altruismus, keine Hilfsbereitschaft, nicht mal der eigene Appetit nach frischem Fleisch gewesen, der ihn dazu getrieben hatte, hinaus zu ziehen. Er würde es natürlich ‚für die anderen‘ zum Schiff bringen, sollte er etwas fangen, und es war natürlich ein Hintergedanke, ein größeres Tier zu erjagen damit man tatsächlich sich tatsächlich satt essen konnte und nicht bloß auf dem Geschmack kam, weil man es mit so vielen Leuten teilen musste. Aber der eigentliche Drang, der ihn nach draußen trieb, war weit weniger schön oder ehrenhaft, und sein alter Lehrer, der ihm das Jagen und damit unweigerlich das Töten lehrte, würde sich wohl im Grabe umdrehen: Spaß. Spaß an der Sache – weniger am Töten, aber vielmehr an den Schritten, die alle dazu führten: die Aufmerksamkeit, das schnelle Reagieren müssen, das Alleine-sein. Die Jagd löste einen vom dem Dasein eines einfachen Beobachters und webte einen fest mit ein in das Wildleben. Man war nun Teil davon, vollkommen da, vollkommen konzentriert. Die Geschehnisse der letzten Tage mussten ruhen, für sie war kein Platz mehr. Auch die Stimmen der Zukunft und tieferen Vergangenheit mussten schweigen. Hier draußen zählte nur die Gegenwart.
Josiahs Blick glitt nach links, musterte kurz ein paar Kratzer in der Rinde eines Baumes ehe er vorsichtig weiter ging: nur noch ein paar Meter, dann würde ihm Dickicht zu seiner rechten seine erste Falle warten.
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#2
Wenn man die Sache ganz nüchtern betrachtete, ohne sich auf lose Vermutungen und fadenscheinige Theorien zu stützen, blieb nur eine einzige Schlussfolgerung: Josiah hatte im Wald einen Schatz versteckt.
Trevor hatte ihn gestern mit irgendetwas im Gepäck in diesen Wald verschwinden und Ewigkeiten später wiederkommen sehen – mit leeren Händen. Okay, vielleicht hatte er das geheime Etwas auch aufgegessen. Man konnte schon ganz schon hungrig werden, hier im Nirgendwo. Trevor wusste das aus eigener Erfahrung, er war nämlich schon seit zwei Stunden unterwegs und hatte das Frühstück ausfallen lassen. Vor zwei Stunden war es draußen noch pechschwarz gewesen und auf der Sphinx hatten alle geschlafen. Wie konnten die bloß schlafen?! Sie ankerten! In Landnähe! Trevor hatte an zwei oder drei, gut, vielleicht auch vier oder fünf Hängematten gerüttelt, aber nur Halbschlaf-Grunzen und ein paar Verwünschungen zurückbekommen. Pah. Gut. Ging er halt alleine auf Schatzsuche! Oder auf Bärenjagd. Oder er spielte Verstecken, aber das war riskanter: Es konnte ziemlich langweilig werden, wenn man alleine spielte. Obwohl er sich ziemlich sicher war, dass Greg ihn früher oder später suchen würde.

Trevor hob einen Stock vom Boden auf, rupfte ein paar vertrockneten Blätter ab und stocherte damit unter der morschen Rinde eines umgekippten Baumes. Ein Käfer kam schlaftrunken hervor. Er war grün und ein bisschen fett, aber nicht groß genug, um ein Zehenfresser zu sein. Trevor stupste ihn mit dem Stock an. Das Insekt schüttelte empört seine Flügel und erhob sich surrend in die Luft.

„Wo hat er ihn nur versteckt?“, fragte er murmelnd den Käfer, aber der war wohl auch nicht so der Morgenmensch. Er brummte davon. Neben dem Wind und den Vögeln war es das lauteste Geräusch im ganzen Wald. Trevor summte ebenfalls vor sich hin, kletterte auf den Baum und balancierte in die Richtung, in der das Tier verschwunden war. Die Krone des Baumes war bei seinem Sturz direkt in einem dornigen Gestrüpp gelandet, das sich sofort gierig auf sie gestürzt und überwuchert hatte. Für einen Moment meinte Trevor, hinter der dichten, grünen Mauer eine Bewegung gesehen zu haben – aber da verschwand der Käfer zwischen ein paar Blättern auf dem Boden links neben dem Baumstamm und Trevors Interesse folgte ihm auf der Stelle. Die lagen so auffällig dort auf einem Haufen, das konnte nur eins bedeuten!

„Hast du ihn gefunden?! Du hast ihn gefunden!“, flüsterte er aufgeregt und sprang von dem Baumstamm.

Er stocherte ehrfürchtig mit dem Stock nach dem Schatz – und im nächsten Moment wurde ihm das Holz aus der Hand gerissen, schoss haarscharf an seinem Gesicht vorbei in die Höhe. Trevor schrie auf, machte einen Satz nach hinten, wollte seinen Stock auf die Bedrohung richten, hatte den ja aber gar nicht mehr und riss stattdessen das Entermesser aus seinem Gürtel.
Der Käfer surrte in die Höhe und setzte sich auf die Schlinge aus dünnem Tau, in der der Stock baumelte.
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#3
Josiah kam keinen Meter weiter, als ein leises, zischendes Geräusch ertönte. Er erstarrte, richtete seinen Blick auf das Gebüsch vor ihm. Die Äste und Blätter erzitterten leicht, Äste knackten, dann stoben zwei Vögel aufgebracht und zeternd nach oben.
Die Falle. Für einen kurzen, weiteren Moment blieb Josiah mit angehaltenen Atem stehen, den Blick fest auf das Geäst. Seine Hände waren hingegen alles außer still. Vorsichtig und ohne unnötige Bewegung zog er die Schlinge von seiner Schulter und den Geissfuß, ein metallischer Zughebel mit zwei Kufen, aus seinem Gürtel. Es gab nur ein leises Knacken als er die Sehne des Bogens in einer rasanten Geschwindigkeit spannte und in einer Bewegung den Geissfuß einhängte und einen Bolzen heraus holte. Intuitiv war er darauf gefasst, jederzeit auf etwas zu schießen, was sich bewegte: es war schließlich nicht allzu selten, dass ein Tier eine Falle zwar auslöste, dann aber nicht in sie geriet.
Er war kaum fertig, als der Schrei ertönte.
Ein kurzer, knapper Schrei. Spitz.
Die Spitze der Armbrust glitt auf den Boden zu. Josiah richtete sich auf. Ein Schatten war auf sein Gesicht gefallen, die Augen leicht zusammen gekniffen. Ohne zu viel Achtung darauf zu geben, wie vorsichtig oder leise er nun war, überwand er mit schnellen, großen Schritten die letzten Meter. Es war eine unscheinbare Stelle und wirkte von dieser Seite aus wie jede andere, wenigstens für das ungeübte Auge. Am Abend zuvor hatte Josiah hier einen kleinen Hasenpass ausfindig machen können, der das Gebüsch an dieser Stelle einmal durchlief. Auf der anderen Seite hatte er schließlich die Falle aufstellen können.
Die jetzt von irgendeinem Trottel ausgelöst worden war.
Die Armbrust immer noch in der freien Hand schob er die Blätter und die Äste beiseite und starrte nach unten.

TREVOR!

Der Anblick des jungen Mit-Piraten, der mit gezücktem Entermesser inmitten des grünen Waldes stand und den vor Josiahs Gesicht pendelnden Stock anstarrte, als wäre es eine wildgewordene und spontan auf das Leben am Land gewechselter Seeschlange war schon etwas für sich. Wahrscheinlich wirkte diese kleine Tatsache zu Gunsten Trevors: die Verärgerung in Josiah musste in eine gewisse Ko-Existenz mit Amüsement und Überraschung weichen.

Was zum Henker machst du da?!“, entfuhr es ihm überrascht und verärgert zugleich.

Josiah hatte die Stirn gerunzelt und die Augenbrauen zusammen gekniffen. Was suchte Trevor hier draußen, und wie war er bitte ausgerechnet über seine Falle gestolpert – ohne diese dann noch als solche zu erkennen und sie dennoch mit einem Stock anzulangen. Sein Blick glitt von Trevors Entermesser zum Stock in der Schlinge und wieder zurück zu Trevor. Eine böse Absicht schien auf der Hand zu liegen, aber eine solche Vermutung wäre absurd: Trevors Überraschung war echt.
Sein Blick fand Trevor wieder, diesmal die Augenbrauen hochgezogen, den Blick aber nicht weniger wertend. Auf diese Antwort war er gespannt.
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#4
Aus der Hecke wuchs Josiahs Gesicht und rief nach ihm. Trevor riss das Entermesser herum, für den Bruchteil einer Sekunde zeigte die Spitze direkt auf die Nase des anderen. Dann ließ Trevor es ruckartig sinken, weil Tonda gesagt hatte, dass er so noch mal jemandem ein Auge ausstechen würde oder gleich alle beide, wenn er zusätzlich noch so rumhüpfte. Was in Ordnung war, wenn derjenige einem auch gerade irgendein Körperteil abhacken wollte, aber Josiah war ein Freund. Und er hatte schon genug seines Körpers eingebüßt – zumindest wirkte es so.

„Was zum Henker machst du da?!“, fragte Hecken-Josiah.

Trevor legte sich eine Hand auf die Brust und atmete mit aller Theatralik, die er aufbringen konnte – es war eine Menge –, aus. Er steckte das Entermesser zurück in den Gürtel.

„Ich jage“, sagte er zu Josiahs Gesicht, „dich.“

Genau genommen jagte er nur nach seinen Spuren und ganz genau genommen jagte er nur nach dem, was am Ende dieser Spuren vielleicht, vielleicht auch nicht, aber höchstwahrscheinlich doch unter Steinen vergraben, zwischen Baumstümpfen versteckt oder hinter grünen Blättern verborgen war. Aber so klang es dramatischer, oder nicht? Trevor grinste.

„Aber anscheinend ist die Hecke mir zuvorgekommen.“

Er schnappte nach seinem Stock und löste ihn aus der Schlinge.

„Oder“, begann er und richtete jetzt den Stock auf Josiahs Gesicht, das war bestimmt okay, der war ja keine Waffe, zumindest nicht die ganze Zeit.

„Oder hast du dich nur als Busch verkleidet, um unbemerkt zu beobachten, wer oder was dir in die Falle geht?!“

Er kniff die Augen ein bisschen zusammen, gab sich aber keine Mühe, das Lachen zu verbergen.

„Ich hab dich durchschaut, Josiah!“
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#5
Josiah hatte nicht einmal geblinzelt, als er für einen kurzen Moment die Klinge des Entermesser aus näherer Entfernung betrachten durfte. Er verfolgte Trevors Theatralik mit ungerührter Mine – sollte er jemals jemanden brauchen, der sich als Narr ausgab um sich irgendwo einzuschmuggeln, würde er definitiv auf Trevor zurückkommen –, sah das Entermesser zurück in den Gürtel gleiten, und blinzelte prompt verwirrt, als Trevor kurz darauf fortfuhr.

Bitte...was?

Sprachlos sah Josiah Trevor an, währen dieser heiter weiter sprach und sich an der Schlinge zu schaffen machte um den Stock aus den Fängen der Falle zu befreien. Es passierte nicht allzu oft, dass etwas ihm die Sprache verschlug, obwohl so mancher sein tendenzielles Schweigen wohl so deuten würde. Er wusste nicht, was für eine Antwort er erwartet hatte, vor allem von Trevor, aber nicht so eine. Josiah suchte in Trevors Gesicht nach Anzeichen danach ab, ob der junge Mann seine Worte ernst meinte, oder wenigstens selber daran glaubte und sie in einer verschobenen Fantasiewelt Sinn machen sollte oder ob er erfolgreich scherzte.
Für einen ganz kurzen Moment bewegte er sogar den Gedanken, dass Trevor ihn vielleicht doch umbringen wollte und ihn jetzt verwirrte, um seine Verteidigung zu senken indem er ihn verwirrte.
Dann landete der Stock wieder vor seinem Gesicht, genau so, wie bis vor kurzem das Entermesser, und Josiah Gedanken sammelten sich bei einer der Schlussfolgerungen. Als Trevor fortfuhr, musste er das Grinsen, das sich auf seine Lippen schleichen wollte, unterdrücken.

Die Entscheidung, sich kurz darauf einzulassen und mitzuspielen, war innerhalb von dem Bruchteil einer Sekunde getroffen worden. Mit zusammen gekniffenen Lippen und einem frustrierten Stirnrunzeln arbeitete er sich aus dem Gebüsch hervor, die Arme – inklusive Armbrust – über seinen Kopf gehoben:

Du hast mich ertappt!

Erklärte er und versuchte, seine Stimme entweder möglichst niedergeschlagen, überrascht oder wenigstens devot klingen zu lassen. Trotzdem war ihm klar, dass er daran scheitern würde, obwohl er sonst von sich sagen konnte, dass er durchaus Leuten etwas vorspielen konnte. Doch umfassten diese Rollenspiele eher Opfer oder Auftragsgeber. Josiah machte sich eine kleine Gedankennotiz, dass er definitiv daran arbeiten müsste. Mit verkniffener Mine versuchte er, einen theatralischen Abstand zu dem Stock zu halten, als wäre dies eine wirkliche Waffe, die jeden Moment tödlich sein könnte. Wenigstens soweit das in seinen Rücken stechende Gebüsch es zuließ. Normale Menschen machten sowas, nicht?
Josiah holte tief Luft:

Die Büsche sind gute Freunde von mir, und da ich in meinen früheren Leben ein Busch war haben sie mir die Fähigkeit gelehrt, wieder einer von ihnen zu werden.

Setzte er an, an Trevor vorbei sehend als wäre die Geschichte ihm unangenehm.

Dann wurde ich verflucht, und jetzt bin ich dazu verdammt, jedes mal wenn ich in der Nähe eines Waldes bin mich zu wandeln und zu jagen.

Das Gewicht der Armbrust machte sich langsam bemerkbar, doch Josiah ignorierte es. Für einen kurzen Moment sah er weiterhin knapp an Trevor vorbei, um seiner Geschichte durch die Pause mehr Tiefe zu verleihen, dann suchte er wieder Trevors Blick.
Tja, Trevor, was machst du jetzt daraus?
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#6
Trevor und sein Stock wichen keinen Zentimeter zurück, während die Hecke Josiah ausspuckte. Offenbar hatte er ihr nicht wirklich geschmeckt, denn er hatte noch alle Arme und Beine und sogar eine gespannte Armbrust, die allerdings gen Himmel zeigte. Sehr vorbildlich.

„Ha!“

Josiah kapitulierte! Das war einfach gewesen. Trevor setzte zu einer Siegesrede an, kam aber nicht dazu, sie in allen gebührenden Ausschweifungen darzubieten. Stattdessen klappte er bloß den Mund auf – und hörte zu.

Er hatte so viele Fragen: Wie freundete man sich mit Büschen an? Woher wusste Josiah, dass er in seinem früheren Leben ein Busch gewesen war, woher wussten es die anderen Büsche und wie hatten sie ihm die Fähigkeit verliehen, wieder einer zu werden? Wer hatte ihn verflucht und weshalb, was genau jagte er, und wenn er sich jetzt gerade wieder in seine menschliche Form verwandelt hatte, warum war der Busch in seinem Rücken noch da, lebten Büsche etwa in anderen Büschen? Und am allerwichtigsten: Hatte der schweigsame, ernste, zugegeben ein klitzekleines bisschen unheimliche Josiah gerade versucht, einen Scherz zu machen?

Trevor klappte den Mund zu, bevor der grüne Käfer hineinfliegen konnte. Als Josiahs Blick zu ihm zurück wanderte, grinste er breit.

„Natürlich, das wusste ich doch längst. Gestatten, Trevor Scovell, professioneller Werbuschjäger!“

Er ließ den Stock sinken und deutete eine von diesen eleganten Verbeugungen an, die man machte, wenn man ganz besonders gute Manieren hatte oder zu haben glaubte und sich anderen Leuten mit Manieren vorstellte.

„Ich habe dich selbstverständlich gleich am ersten Tag erkannt! – Aber!“

Er deutete ein letztes Mal bedeutungsschwer mit dem Stock auf seinen Fang und begann dann, vor ihm auf und ab zu marschieren. Zum einen stand er nicht gerne still und zum anderen: Wenn er noch länger zuschaute, wie Josiah da mit der Armbrust in den erhobenen Händen herumstand und tatsächlich ein bisschen aussah wie ein kleiner, seltsamer Baum, würde er sich stattdessen vor Lachen kugeln.

„Aber ich bin gewillt, dein Leben zu verschonen! Ja, vielleicht würde ich dir sogar beim Jagen helfen … Wenn –“ Wieder die Pause, in der er Josiah die Spitze seines Stockes zeigte. „Wenn du mich zu deinem Schatz führst!“

Das mit dem Schatz hatte Josiah zwar noch nicht zugegeben, aber was nicht war, konnte ja noch werden, nicht wahr? Jeder Werbusch, der etwas auf sich hielt, hatte doch einen Schatz!
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#7
Er hatte höchst amüsiert Trevors Reaktion verfolgt, und als Trevor schließlich den Mund zusammen klappte und fortfuhr - überraschend zögerlos - musste er sich kurz zusammen reißen um das Grinsen von seinem Gesicht fern zu halten.
Meinte Trevor das ernst? Oder hatte er Josiahs Scherz durchschaut und spielte nur mit? Josiah konnte es nicht sagen. Trevors Grinsen war breit, und die Quelle der Freude konnte sowohl in dem Glauben an seine Geschichte liegen, als auch an dem Spaß mitzuspielen.
Trevor senkte den Stock um seine Vorstellung mit einer Verbeugung zu unterstreichen, die zwar etwas unbeholfen, aber dennoch überraschend standfest war, nahm Josiah seine Geste als Argument, zu überlegen, wann er seine Arme wieder senken könnte.
Die Armbrust wurde zugegebenermaßen inzwischen etwas schwer. Dann aber sprach Trevor weiter, und es erschien ihm als unangebracht, großartige Nebenaktionen anzufangen. Wenigstens solange das Gespräch noch diese Richtung nahm - und wenn er Trevors Worten so folgte wirkte es nicht so, als wäre der Spaß allzu früh vorbei.
Etwas überrascht stellte Josiah fest, dass ihn diese Aussicht nicht allzu sehr verstimmte.
Trevor hatte auf jedenfall Spaß. Noch kurz hatte er mit seinem Stock rumgefuchtelt, dann hatte er begonnen, auf und ab zu laufen. Josiah verbiss sich nach einem Blick auf die platt getretenen Blätter und Äste einen Zwischenruf: Wenn ihn jetzt hier jetzt noch etwas in die Falle gehen sollte, dann hätte er wohl sein Glück für das ganze restliche Jahr aufgebraucht. Doch noch bevor Josiah sich weitere Gedanken über seine ja eigentlich stattfindende Jagd machen konnte, zeigte Trevors Stockspitze wieder auf ihn.
Er wollte also sein Leben verschonen.
Erneut wollte sich ein Schmunzeln über Josiahs Lippen breit machen, das er sich verkneifen musste und mit einem dankbaren Blick zu ersetzen versuchte - man wollte ihn ja schließlich verschonen, da grinste man ja nicht. Gerade dachte er noch, dass Trevor definitiv die Geschichte weiter gesponnen hatte und ihn nicht tatsächlich glaubte, und er wartete neugierig auf das 'wenn', dass Trevor theatralisch an den Anfang seiner Pause gesetzt hatte, als Trevor letzteres endlich aussprach - und Josiahs Entschluss wieder den Bach runter sauste. Josiah zig die Augenbrauen hoch.
Einen Schatz.
War das noch ein Teil von Trevors Witzeleien, seinem Geschichtenerzählen?
Josiah beobachtete Trevors glänzende Augen, die Entschlossenheit, die sein Gesicht umspielte.
Was Trevor konnte, konnte er auch.

"Schatz?", wiederholte er schließlich, denn wäre tatsächlich einer Büsche und Bäume und hätte einen Schatz, würde er das ja nicht zugeben. Er ließ den Ausdruck der Überraschung auf seinem Gesicht. "Da ist kein Schatz. Ich folge nur der Jagd."

Wie zur Unterstreichung hob er die Armbrust nochmal an, wenn auchmehr um seine inzwischen doch schmerzende Schulter etwas zu bewegen als seine Aussage unerstützen zu wollen.
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#8
Trevors Augen wurden schmal.

„Nur der Jagd folgen, so so“, sagte er in diesem langsamen, leisen Ton, der dem geübten Zuhörer verriet, dass Trevor dem Werbusch kein Wort glaubte. Er richtete anklagend seinen Stock auf Josiah und versuchte, nicht über die Sache mit der Armbrust zu lachen.

„Also wirklich, das mit dem Lü–“

An der Stelle fiel der Groschen. Trevor hielt abrupt inne, sah von Josiah zur Hecke zum Käfer, der in diesem Moment dicht an seiner Nase vorbeiflog, zurück zur Hecke, zurück zu – nein, er musste doch kurz über die Sache mit der Armbrust lachen, aber dann, dann gelangte er schließlich doch wieder bei Josiah an. Heilige Göttin, da hatte er sich doch fast verplappert. Wie gefährlich! Trevor ließ den Stock sinken, straffte die Schultern und räusperte sich.

„Aber natürlich! Kein Schatz!“

Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit.

„Jetzt fällt‘s mir wieder ein, das waren die Werblümchen, das hab ich doch glatt verwechselt.

Er warf der Hecke aus dem Augenwinkel einen Blick zu. Natürlich konnte Josiah nicht zugeben, dass er einen Schatz versteckt hatte! Nicht hier, mitten im Wald, wo die Büsche Ohren hatten – buchstäblich!

„Tja, schade.“ Er zuckte mit den Schultern. „Aber du hast recht! Wir haben keine Zeit zu verlieren, wir jagen einen …“ Er gestikulierte kurz mit den Händen, bis ihm das perfekte Tier einfiel: „einen Bären!“

Ha! Plan A und B vereint! Da sollte noch einmal einer sagen, er wäre nicht gut im Planen! Er zwinkerte Josiah zu und sprang zurück auf den umgekippten Baumstamm, auf dem er über, oder na ja, teilweise über und teilweise durch die Hecke balancierte. Man hörte Äste knacken und Stoff reißen und leises Fluchen und dann eine Stimme von der anderen Seite:

„Weißt du, es ist einfacher zu balancieren, wenn du die Armbrust mit beiden Armen über den Kopf hältst, hat was mit Gleichgewicht zu tun und so!"
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#9
Josiah ließ seinen Blick nicht von Trevor, als dieser seinen Stock auf ihn richtete und die Tatsache, dass er ihn nicht glaubte, theatralisch in seine Stimme legte. Josiah war nicht überrascht. Er kreiste seine Schultern ein wenig während er zuerst die Stockspitze verfolgte, die sich wieder auf ihn richtete, und dann abwartend Trevor ansah, als dieser ansetzte, ihn der Lüge zu bezichtigen, nur um mitten im Wort abzubrechen und ihn anzustarren. Josiah blinzelte überrascht. Neugierig verfolgte er wie sich Trevors Blick im Wald verlor und fast schon hektisch hin und her glitt, bis sich ein Ausdruck auf dessen Gesicht breit machte, der fast schon Erkenntnis glitt. Der Stock sank zu Boden und Trevor richtete sich auf. Diesmal stand ihm die Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben.
Kein Schatz. Natürlich.
Der Satz mit dem Werblümchen ließ Josiah fast auflachen, bis er Trevors Blick in die Richtung der Büsche aufschnappte. Die kurze, schnelle Bewegung der Augen, ohne den Kopf zu wenden. Da war er wieder, einer der Momente, der Fragen darüber aufwarf, wie Trevor die Situation selber wahrnahm. Er war entweder sehr gut, oder sehr dämlich.
Josiah unterdrückte das Bedürfnis, diese Fragen auf seinen Gesicht widerspiegeln zu lassen.
Der blonde Pirat fuhr derweil fort, und Josiah die Frage wurde von der Überlegung ersetzt, ob er anfangen sollte, zu raten, was er mit seinen Gestiken ausdrücken wollte (sollten das Hasenohren sein? Ein Fuchsschwanz? Ein heulender Wolf?), als Trevor endlich das passende Tier einfiel und es aus ihm herausplatzte.
Bär.
War ja klar. Für einen kurzen Moment kräuselte sich Josiahs Stirn. Doch noch bevor Josiah Veto einlegen konnte, blinzelte Trevor ihm zu, sprang auf einen umgekippten Baumstamm und verschwand in der Hecke. Josiah sah ihm hinter her.
Trevor war das perfekte Beispiel für jemanden, den die alte Frau „Kind der Feen“ genannt hätte. Gab es in diesem Wald überhaupt Bären?
Die Armbrust sackte samt Armen nach unten und Josiah griff sich mit der freien Hand intuitiv an die Schulter, um sie kurz zu massieren, während von Trevor ein leises Fluchen kam. Jetzt hatte er also Trevor im Schlepptau. Josiah verbrauchte kaum einen Gedanken damit, sich zu überlegen, ob die Chance bestand, Trevor irgendwie nochmal los zu werden. Er konnte jetzt zwar einfach umdrehen und in die genau die andere Richtung losziehen, und er vertraute seinen Fähigkeiten genug um zu wissen, dass er auch in einem Wald untertauchen konnte, aber es war Trevor. Wer wusste schon, was der Kerl anstellen würde, sobald er Josiah dann wieder zu Gesicht bekommen würde.
Für einen kurzen Moment wägte Josiah ab, ob es das Risiko nicht vielleicht doch wert wahr, zumal er irgendwie neugierig auf Trevors Reaktion wäre, wenn er so darüber nachdachte. Dann aber schüttelte er ein letztes mal seine Schulter und machte sich daran, die Hecke zu durchqueren. Ohne den Stamm, die Füße bedacht gesetzt und den Körper immer wieder so drehend, dass möglichst wenig Geräusche entstanden, oder gar seine Kleidung riss. Als er nur wenige Atemzüge später sich auf der anderen Seite aus dem Geäst schälte, konnte er selber behaupten, dass es erfolgreich „mühelos“ gewirkt hatte. Unauffällig zupfte er sich sein Hemd zurück und wendete sich dann an Trevor:

Einen Bären willst du also jagen.

Er würde seine anderen Fallen besser erst im späteren Verlauf des Tages abklappern, nachdem er Trevor wieder beim Schiff abgesetzt hatte.
Er ließ seinen Blick kurz gleiten, ehe er aufs geratewohl in eine Richtung davon stapfte. Irgendwo musste man ja anfangen. Er legte es zwar nicht gerade darauf an, einen Bären zu erlegen, aber irgendetwas zu erlegen wäre schon nett, und er wusste, dass er weiter im Westen ein paar Spuren entdeckt hatte.
Theatralisch beiläufig richtete er sich wieder an Trevor:

Wann hast du das erste mal von Werbüschen gehört? Du bist der erste, den ich treffen, der dazu auch noch Werblümchen kennt.
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#10
Auf der anderen Seite der Hecke war Trevor in einen dramatischen Kampf mit einem dornigen Ast verwickelt. Als er es endlich geschafft hatte, das hölzerne Biest aus seinem Hemd, dann aus seinen Haaren, wieder aus seinem Hemd und schließlich von seinem Stiefel zu schütteln, hatte sich Josiah der Werbusch bereits elegant durch das Dickicht gewunden und wieder seine menschliche Form angenommen. Er hatte nicht mal den Baumstamm benutzt.

„Jap. Einen Bären“, sagte Trevor, grinste und trat den dornigen Ast unauffällig mit dem Stiefel in den weichen Waldboden. „Nach dir!“

Er bedeutete Josiah, auf dem schmalen Pfad voranzugehen, der sich, wenn man entsprechend viel Fantasie aufbrachte, vor ihnen erstreckte. Nicht, dass das nötig gewesen wäre, Josiah schien ohnehin zu wissen, wo es langging. Und ob er hier etwas versteckt hatte! Sie mussten ganz in der Nähe sein. Bereits nach ein paar Schritten wurde Trevor des Verfolgens überdrüssig und er überholte Josiah doch.

„Oh, weißt du …“ Trevor stocherte mit seinem Stock links und rechts im Unterholz herum.  „Man hört so einiges, wenn man so weit herumkommt wie ich. Es gibt auch noch Werkräuter, Werbäume, Werpilze, Werwölfe, Weradler, Werentchen –“

Er hielt inne, warf einen Blick über die Schulter und deutete verschwörerisch auf den dicken, grünen Käfer, der es sich auf Josiahs Schulter bequem gemacht hatte.

„Sogar Werkäfer!“

Eigentlich hatte er vor exakt zehn Minuten und ein paar Herzschlägen zum ersten Mal von Werbüschen gehört, nämlich von Josiah persönlich. Aber er hatte die Erfahrung gemacht, dass zweifelhafte Geschichten davon profitierten, wenn man ihnen noch allerlei anderes andichtete. Zwar machte sie das nicht unbedingt glaubwürdiger, aber irgendwann waren sie so gespickt mit Lügen, Wahrheiten und blanken Erfindungen, dass man eins vom anderen nicht mehr unterscheiden konnte und die Geschichte nehmen musste, wie sie war. Er tat Josiah also quasi einen Gefallen. Davon mal abgesehen machte es ganz einfach Spaß.

„Ich bin mal mit einem Mann gesegelt, dessen Verlobte von einem Werbusch gefressen wurde. Sie musste jeden Tag durch diesen einen Wald laufen, um zu ihm zu kommen. Du weißt schon, die Sorte Wald, die hundert Schattierungen von Grün hat, wo die Luft schwer und voller Mücken ist und du eine Liane nicht von einer Schlange unterscheiden kannst. Eigentlich diesem hier gar nicht so unähnlich.“

Unbekümmert schob Trevor besagte Liane mit seinem Stock aus dem Weg, tauchte unter den Blättern riesiger Stauden hindurch und wich einer Gruppe fragwürdiger, träger Insekten aus.

„Tja, und eines Tages kommt sie nicht bei ihm an. Und er geht sie suchen, läuft den ganzen Weg ab, ein Mal, zwei Mal, und beim dritten Mal ist es schon fast dunkel und er verliert den Pfad aus den Augen.“

Je weiter sie kamen, desto feuchter wurde der Boden und als Trevor über ein paar hervorstehende, knorrige Wurzeln sprang, spritze Schlamm auf. Grinsend drehte er sich zu Josiah um, einerseits, um den Effekt bei ihm zu beobachten, und andererseits, um den nächsten Teil der Geschichte mit gruseliger Mimik unterlegen zu können. Dass er dafür rückwärts weiterlaufen musste und nur noch die Hälfte seiner Hindernisse sehen konnte, gehörte natürlich zur Präsentation.

„Inzwischen ist er hungrig und durstig, seine Arme sind zerstochen und seine Beine zerkratzt, aber er schlägt sich weiter durchs Unterholz. Da sieht er in der Ferne etwas aufleuchten!“

Trevor fuhr herum und richtete seinen Stock erst theatralisch ins grüne Blätterdach, überlegte es sich dann doch anders und patschte die Spitze in die Pfütze, die den Weg teilte und so schön passend glitzerte. Offenbar verwandelte sich der Wald um sie herum immer mehr in einen Sumpf.

„Er stürmt und stolpert und strauchelt darauf zu, aber –“

Er hielt endgültig an, drehte sich zu Josiah um und sah ihn mit großen, ernsten Augen an.

„Es ist zu spät, er findet nur noch ihren roten Umhang, zerrissen im Gebüsch hängend. … Und ihr Skelett darin. Ratzekahl gefressen. Hat ihn schon ein bisschen verrückt gemacht.“

Trevor stieß einen Pfiff aus und machte mit seinem Zeigefinger eine schraubenförmige Bewegung neben seinem Kopf. Gleich darauf erschien wieder das Grinsen auf seinem Gesicht.

„Apropos. Wie bist du zu einem Werbusch geworden?“

Je länger er darüber nachdachte (das war nicht sonderlich lang, aber schon irgendwo in der Nähe, für Trevors Verhältnisse), desto weniger fiel ihm ein, was er über Josiah wusste. Normalerweise war das umgekehrt, er schnappte eine Menge Zeug auf und vergaß es sofort wieder, bis er eine zeitlang hochkonzentriert in die Luft starrte und die Informationen wieder zurückpurzelten wie bunte Teile aus mindestens fünf verschiedenen Puzzeln. Was jedoch Josiah anging … Sie hatten ihn ziemlich angematscht aus dem Wrack der Morgenwind gefischt, also war er irgendeine Art von Verbrecher. Aber das sagte nicht viel aus, schließlich waren sie inzwischen allesamt gesuchte(!) Piraten.
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