18.01.2020, 16:16
Die Tiefgründigkeit von gelockten Kühen
Abend des 02. Mai 1822Liam Casey & Shanaya Árashi
Ihre Schicht war zu Ende, Shanaya hatte das Steuer verlassen. Die Sphinx ruhte fast sanft auf den leichten Wellen, alle Arbeiten schienen erledigt zu sein. Die junge Frau hatte also Zeit, sich um... Irgendetwas zu kümmern. Was genau wusste sie selbst nicht, als ihr Weg sie über das Deck führte. Beinahe ein wenig ziellos, in Gedanken versunken. Sie bewegte sich auf die Reling zu, die blauen Augen auf den Horizont gerichtet. Sie kam zum stehen, legte die Unterarme auf das Holz und ließ den Blick in die Ferne gerichtet. Einen Moment drang nur das leise Geräusch des Meeres an ihre Ohren. Keine Schritte, keine Stimmen. So, dass ihre Gedanken irgendwohin abdrifteten. Irgendwo, wohin sie ihnen in diesem Moment nicht folgen konnte.
Er hatte die Ruhe genutzt, die nach dem Abendessen eingekehrt war, um das Deck von gröberem Schmutz zu befreien. Nach dem Essen rotteten sich die meisten oft unter Deck zusammen. Außer die natürlich, die noch etwas zu erledigen hatten. So hatte er noch um die letzten Beine herumgeschrubbt, ohne sie groß zu beachten. Liam wischte sich mit dem Handrücken eine Strähne aus dem Gesicht, ehe er den Eimer mit dem Schmutzwasser hochnahm, um ihn über Bord zu kippen. „Und? Was meinst du, wie lange wir noch brauchen, Fräulein Navigatorin?“, lächelte er der Schwarzhaarigen beiläufig in der Abendsonne zu.
Shanaya hatte nicht auf die Geräusche gehört, die um die herum passierten. Vielleicht war irgendwer in ihrer Nähe - vielleicht auch nicht. Auch als eine Stimme erklang, schien die junge Frau im ersten Moment nicht zu reagieren. Sie nahm die Stimme wahr, dennoch lag eine gewisse Überraschung in ihrem Blick, als sie schließlich den Kopf herum wandte. Prüfte, ob sie gemeint gewesen war. Die blauen Augen erkannten Liam und ein sachtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. "Du... Hast etwas gefragt?" Gut, das passierte ihr nicht oft. Aber jetzt... Seine Stimme formte in ihrem Kopf Nichts, was sie wirklich wahrgenommen hätte.
Sie wirkte gedankenverloren. Eine wohlverdiente Auszeit für Kopf und Geist, die zunehmend wichtiger wurde, je länger sie pausenlos aufeinander saßen. Er lachte leise auf ihre Rückfrage, die seine Annahme bestätigte, und wog den Kopf kurz zur Seite. „Ich nehm’s jetzt mal nicht persönlich, dass dein Verstand es für nötig hält, mich auszublenden.“ Ein prüfender Blick galt der Schwarzhaarigen, während er den Eimer wieder herunternahm. „Ich hoffe, es sind wenigstens schöne Gedanken, die dir den Abend versüßen.“ Es klang nicht danach, als hätte er eine genaue Vorstellung. Aber was genau sie beschäftigte, war für ihn sowieso nicht von Belang.
Er hatte sie erwischt. Bei was auch immer. Sein Blick verriet einiges - und irgendwie Nichts. Herrje. "Solltest du aber! Ich wollte dich erst ganz ignorieren, aber meine unendlich gute, barmherzige Seele konnte dir diese Last nicht aufbürden." Sie beobachtete den Mann, seinen Eimer, fragte sich dabei still, wie lange er wohl in der Nähe gewesen war. Verrückt. "Bestimmt, ich konnte ihnen ewig nachhängen." Irgendwie so.
Hatte er eine andere Antwort erwartet? Der Lockenkopf tippte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen das Kinn. „Hm. Den Wink hätte ich vermutlich verstanden. Tut mir leid.“ Als sie fortfuhr, lächelte Liam zufrieden. Er gönnte es ihr, wirklich. „Na, dann lass sie dir nicht nehmen. Ich bin der letzte, der zwischen euch steht.“ Er hob die Hände ergeben in die Höhe.
Shanayas Kopf neigte sich etwas zur Seite, während sie Liam beobachtete. Er hatte das Deck geschrubbt. Unbemerkt. "Dann weiß ich fürs nächste Mal, wenn du dich an mich heran schleichst." Wenn sie in Zukunft jetzt öfter in Gedanken versank... "Zu spät, er hat sich schon verabschiedet. Aber er kommt bestimmt früh genug wieder." Noch einmal glitt ihr Blick zu dem Eimer. "Und du bindest dir dafür m besten eine Glocke um." Sie warf dem Lockenkopf ein munteres Lächeln zu.
Bitte? Herangeschlichen? Sein Blick wanderte kurz über das Deck der Sphinx, an dem er sich die letzte Zeit zu schaffen gemacht hatte und - hatte er dabei nicht sogar ungestört ein Lied gesummt? Von ‚schleichen‘ konnte man wirklich nicht reden. Liam schmunzelte in sich hinein. Schienen ja wirklich schöne Gedanken gewesen zu sein. „Was? Eine Glocke? Die müsste aber ziemlich groß sein, wenn du mich nicht schrubben gehört hast.“, schnaubte er belustigt. „Eine Glocke. Ich bin doch kein Rindvieh.“ Wobei der Gedanke an das friedliche Bimmeln einer Kuhherde angenehme Erinnerungen in ihm hervorrief.
Einen Moment lang folgte Shanayas Blick dem des Dunkelhaarigen. Wieder einmal fragte die junge Frau sich, was ihr gegenüber in diesem Moment wohl dachte. Ob er sich fragte, wohin ihre Gedanken gewandert waren? Oder war es ihm vollkommen egal? Vermutlich eher zweiteres. "Du bist doch groß und stark, du schaffst das schon." Dessen war sie sich sicher. Vielleicht konnten sie sie noch bunt verzieren? Hatte der Lockenkopf eine Lieblingsfarbe? "Deine Frisur passt auch nicht ganz. Ich habe noch nie eine lockige Kuh gesehen." Sie deutete auf seine Haare, ein vielsagender Ausdruck in den blauen Augen.
Welch gnädiges Urteil! Trotzdem stellte er es sich eher unangenehm vor, dauerhaft eine Glocke um den Hals zu tragen. Vielleicht hätte er sich noch ein Glöckchen gefallen lassen. In Form von Arm- oder Beinschmuck, wie es manche Kulturen handhabten. Amüsiert schüttelte er den Kopf bezüglich Shanayas schön verpacktem Kompliment, lauschte ihr weiter und schwieg einen Augenblick, während sich seine Stirn nachdenklich in Falten legte. „Oh doch, die gibt‘s!“, rief er aus, kaum dass er seine Erinnerungen geordnet hatte. Es kümmerte ihn nicht, dass ihm diese Offenbarung vielleicht nicht gerade in die Karten spielte. „Sind ein bisschen bulliger, glaube ich. Und komplett rotbraun gelockt.“ Er hatte den Eimer beiläufig zu Boden gestellt und lehnte sich nun seinerseits auf die Reling. „... Auf Yvenes hatte irgendein Landherr ein paar Tiere. Die hatten sich dann aber wohl alsbald erledigt, schätze ich.“ Sonst hätte die Jüngere sie sicherlich noch kennengelernt. „Musst mal Greo fragen, der weiß das bestimmt.“ Liam lehnte sich etwas zur Seite, sein Blick wanderte vom Horizont zurück zu den feinen Zügen an seiner Seite. „Allerdings hätte ich jetzt auch nicht behauptet, dass sich so stur wie eines dieser Rinder bin. Oder derart wehrhaft...“ Abermals runzelte er die Stirn. Interessiert, welche Gemeinsamkeiten ihr noch einfallen würden.
Liam schwieg und Shanaya wandte den blauen Blick leicht zur Seite, um ihn aus den Augenwinkeln zu beobachten. Er wirkte einen Moment fast nachdenklich, bevor er ihr seine Gedanken mitteilte. Die gab es? Ihr Grinsen wurde ein wenig breiter. Soso. "Gut zu wissen. Sollte mit Mal solch eine Kuh begegnen, weiß ich, welchen Namen sie bekommt." Jetzt stand Liam neben ihr, ohne den Eimer. Auf Yvenes also, hm? Sie erinnerte sich an keins solcher Tiere, wobei sie vermutlich auch einfach nicht darauf geachtet hatte. "Vermutlich. Er kennt wahrscheinlich jegliche Art von Vieh." Sie lächelte warm bei diesem Gedanken. "Es gibt bestimmt auch welche, die verträumt in die Gegend starren und eigentlich gar nicht da sind..."
Das war wohl ein Eigentor gewesen. Liams Lippen verzogen sich, als ihm klar wurde, dass er selbst dafür verantwortlich war, Namensvetter des ersten lockigen Rindes zu sein, dem die Schwarzhaarige begegnen würde. Doch seine angedeutete Grimasse verlor sich recht schnell wieder in seiner guten Laune und Humor. Denn letztlich traf Shanaya abermals ins Schwarze. Der Lockenkopf öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, sah aber ein, dass es nichts gab, was ihr Argument entkräftigt hätte. „Touché.“, gestand er und wandte den Blick abermals schweigend aufs Meer hinaus. „... Wovon so ein Bulle wohl träumt? Saftigem Heu? Einer Weide voller lockiger Damen? Einem Moment Ruhe von dem Gebimmel der ganzen Glocken?“ Er hatte Spaß daran, derart abstruse Gedanken weiterzuspinnen. „Klingt irgendwie nach einem ziemlich langweiligem Leben.“
Liam wusste keine Erwiderung. Natürlich nicht, das hatte er sich selbst eingebrockt. Und die Kuh sollte sich, sollte jemals eine diesen Namen bekommen, doch wohl geehrt fühlen! Wobei sie dabei noch die Geschlechterrolle klären musste. Es wäre sicher ein merkwürdiges Gefühl, jemanden eine 'Liam' melken zu sehen. Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, vertrieb diesen Gedanken schnell wieder und folgte dem Blick des Lockenkopfes hinaus aufs Meer. Was er dann sagte wirkte weniger tiefgründig als sie bei diesem Blick erwartet hatte. Und trotzdem lachte die junge Frau, seufzte dann schwer, aber noch immer breit grinsend. „Du willst mir weiß machen, dass du eine Weide voller lockiger Damen langweilig finden würdest?“
Im Nachhinein war es klar gewesen, dass Shanaya diese Aussage nicht kommentarlos vorbeiziehen lassen würde. Liam lachte, während sein Blick flüchtig hinunter zu den Wellen glitt, die die Sphinx ins Meer schlug. Dann zuckte er kurzerhand mit der Schulter, räusperte sich und schielte zu der Schwarzhaarigen hinüber, die noch immer auf der Reling lehnte. „Am Anfang vielleicht nicht.“, gestand er aufrichtig mit einem verhaltenen Schmunzeln in den Mundwinkeln. Er war und blieb nun mal ein Mann und ausnahmslos jeder, der über solch eine Möglichkeit nicht einmal angetan nachdachte, musste sich selbst belügen. „Aber ich schätze, das würde irgendwann in Arbeit ausarten, wenn man jeder gegenüber sein Versprechen halten will.“ Liam war gewiss kein Mann, bei dem es stets ums eine ging, aber ein Bulle hatte auf einer Weide nun einmal nur eine Aufgabe – und darüber redeten sie gerade. „Und wozu eine ganze Weide, wenn man bloß zwei Hände hat?“ Tatsächlich konnte er im Augenblick kaum einschätzen, wie Shanaya zu derlei Dingen stand. Vermutlich sah sie in jedem Mann einen Schmutzfinken, der nicht genug Weiber haben konnte, ganz gleich, ob er Verwendung dafür hatte oder nicht. „Außerdem wäre es doch dann kaum mehr etwas Besonderes, sich das Bett mit einem hübschen Fräulein zu teilen, sondern einfache Gier ohne Wertschätzung.“
Shanaya war auf Liams Antwort gespannt, sie konnte wirklich nicht einschätzen, was der Lockenkopf mit einem Haufen Weiber anfangen würde. Einen Moment überlegte sie, den Älteren zu korrigieren, zu fragen, was er mit einer Herde lockiger Kühe anstellen würde, stattdessen grinste sie nur über seine Worte. „Du willst direkt jeder etwas versprechen? Wie... verbindlich.“ Aber es verriet der jungen Frau einiges über den Dunkelhaarigen, genau wie seine nächsten Worte. Sie lachte, schüttelte amüsiert den Kopf über Liam. „Du willst also mehr Hände für solche Situationen? Gut zu wissen...“ Sie warf ihm einen vielsagenden Blick zu. „Du hättest für jede Lebenslage eine. Du kannst mir nicht erzählen, dass du das nicht wenigstens ein bisschen genießen würdest.“
Er war sich ziemlich sicher, dass Shanaya nicht verstanden hatte, worauf er mit ‚Versprechen‘ angedeutet hatte. Immerhin ging es bei einer Zusammenkunft nicht um einseitigen Spaß – seiner Meinung nach jedenfalls nicht. Dass er damit eine eher umstrittene Meinung vertrat, zeigten all die Vergewaltigungen, die mancherorts leider nicht unbedingt selten waren. Aber in diesem offenen Gespräch ging es nicht um Einzelheiten. Es war mehr eine Alberei, auf die niemand den anderen irgendwann festnageln würde. Er lachte, als die Dunkelhaarige ihm gekonnt die Worte im Munde drehte. Ganz so einfältig war er dann doch nicht – ihm fielen weitaus mehr Dinge ein, wo ein zweites Paar Hände nicht unbedingt schlecht gewesen wären. „Du weißt die Dinge schon so auszulegen, wie du sie gerne hören würdest, was?“, erkannte er an und musterte die Jüngere gut gelaunt. „Mir würden weitaus sinnigere Dinge einfallen, für die sich zwei weitere Hände lohnen würden. Wie viele Instrumente man wohl gleichzeitig spielen könnte?“ Bevor die Frage nach dem ‚welche denn?‘ kam, hielt er es für schlauer, ihr diese einfach schon einmal vorwegzunehmen. Doch Shanaya ließ nicht locker. Der Lockenkopf versuchte abermals, sich den Umstand vorzustellen und wog den Kopf dabei kurz hin und her. „Für mich hat das Ganze irgendwie etwas von Freudenhaus. Wenn auch ohne Bezahlung. Ich schätze, ich bin einfach nicht der Typ für einen Harem. Das überlasse ich lieber denen, deren Leben aus nichts mehr als Lust und Trieb besteht.“, kam er letztlich zum Schluss. Ihn interessierten mehr die Reisen als die Gesellschaft etlicher Frauen. Außerdem war die Umwerbung ein weiterer Bestandteil, der bei einem Freudenhaus – oder einer Weide – zu kurz kommen musste. „Außerdem wurde ich vermutlich eher dazu erzogen, eine für jede Lebenslage zu haben.“ Sein Ton blieb beiläufig bei dieser Offenbarung, aber wenn man ehrlich war, hielt er sich auch nicht wirklich daran. Auch, wenn das andere Gründe hatte, die hier nicht hingehörten. „Was ist mit dir, Shanaya? Ist es das, wovon du heimlich träumst? Eine Weide voller Männer, die nur darauf warten, dass du ihnen deine Aufmerksamkeit schenkst?“ Er ahnte, wie ihre Antwort ausfallen würde. Und trotzdem war er neugierig, ob er richtig lag.
Shanaya erwiderte Liams Lachen auf seine Worte hin und wog daraufhin den Kopf etwas ergeben zur Seite. „Darin bin ich Meisterin, gut erkannt.“ Als der Lockenkopf sich dann fragte, was er mit all den Händen und Instrumenten anstellen konnte, hob die Schwarzhaarige leicht eine Augenbraue, das Lächeln wich jedoch nicht von ihren Lippen. Soso. Instrumente. Aber bevor sie diesen Gedanken weiter ausführen konnte, sprach Liam weiter. Er war nicht der Typ für einen Harem? Manch einer hätte dafür vermutlich ganze Königreiche nieder gebrannt. Ach Liam... Aber sie kommentierte seine Worte nur mit einem sachten Seufzen, einem Blick, der alles sagte. Was er dann sagte ließ das Lächeln auf ihren Lippen deutlich wärmer werden. Das war... irgendwie niedlich. Und er war gewiss nicht der einzige, dem es so ging. „Du bist also eher der Romantiker, hm?“ Was er dann fragte ließ die Schwarzhaarige einen Moment überlegen, ehe sie mit einem Lachen antwortete. „Ich habe genug Kerle, die mir hinterher hecheln, das reicht mir.“ Auch wenn sie sich sicher war, dass der ein oder andere noch dazu kommen würde. „Besonders, wenn die Besagten sich nicht zurückhalten können und aufdringlich werden.“
Sein Blick war zurück aufs Meer gewandert, bis er das leise Seufzen an seiner Seite vernahm und etwas irritiert zurück zu Shanaya blickte. Shanaya, die ihn mit einem recht eindeutigen Blick bedachte, mit dem man auch einen kleinen Jungen bedachte, der seiner Sandkastenliebe gerade untalentiert den Hof zu machen versuchte. Er blinzelte, nahm es allerdings recht gelassen. Immerhin wusste er, wie unverbreitet seine Ansicht diesbezüglich war. Ihre Worte brachten es schließlich auf den Punkt und obwohl er ihr eine Antwort schuldig blieb, verriet sein verlegenes Lächeln genug, als er den Blick wieder auf den brennenden Horizont richtete. Es schien ihm angebracht, nun das Augenmerk von sich auf die Dunkelhaarige zu wechseln, die zwar nicht ganz das antwortete, was er erwartet hatte, aber die Richtung war dieselbe. „Hab‘ mir schon gedacht, dass du sowas sagen würdest.“, gestand er grinsend. „Ich hoffe, du hast vor Augen, dass wir Männer nicht alle gleich sind. Den ein oder anderen gibt’s bestimmt, der dir ehrlich den Hof machen will. Nicht des Zweckes wegen, sondern deinetwillen.“ Optimistisch streifte er ihre Züge mit seinem Blick. Auch, wenn er sich die Jüngere im Augenblick nur schwer als Familienmensch und Mutter vorstellen konnte – irgendwann würde sich das vermutlich auch ändern. Und er hoffte für sie, dass sie die Möglichkeit wahrnehmen würde, irgendwann, wenn die Zeit gekommen war. Weil es ihr nicht verwehrt blieb. „Wie sind wir eigentlich auf dieses Thema gekommen?“, fragte er schließlich mit gerunzelter Stirn. „Haben wir’s nicht von lockigen Kühen gehabt? Also, ich für meinen Teil hätte gerne eine Weide voller Kühe. Egal, ob lockig oder nicht.“
Liams stille Reaktion ließ Shanaya noch einmal lächeln. Liam war also wirklich ein kleiner Romantiker, interessant. Vermutlich konnten sich einige von ihm eine Scheibe abschneiden. (Hihi. Beverly) Was er dann sagte, ließ sie leicht mit den Schultern zucken. So gut dürfte er sie inzwischen immerhin kennen. Und es war eben einfach eine Tatsache. „Leider gibt es davon eindeutig zu wenig.“ Und auch das war leider Fakt. Die meisten waren eben nur auf ihren Körper aus. Darauf, sie zu knacken, ihre Spielchen mit ihr zu spielen. Umso mehr Spaß hatte die junge Frau daran, sie zu locken und dann doch fallen zu lassen. So, wie sie es verdienten. Seine nächste Frage war... irgendwie berechtigt, entlockte der Schwarzhaarigen ein leises Lachen. „Wir sind halt ziemlich tiefgründig, wir beide. Und auch dafür kannst du dich sicher an Greo wenden. Der schließt sich dir sicher an.“
Sein Lächeln wurde ein wenig unergründlicher, nachdenklicher, während er Shanaya für einen kurzen Augenblick musterte. Sie wirkte nun tatsächlich nicht, als wäre sie auf der Suche nach einem ernsthaften Lebenspartner. Vielleicht aber lag sein Eindruck auch einfach daran, weil sie alleine bereits ein recht selbstbewusstes und zufriedenes Bild abgab. Und weil er im Hinterkopf noch immer ihr junges Alter hatte, in dem er selbst ganz sicher nach allem anderen als derleich Verbindlichkeit gesucht hatte. Ihm war bewusst, dass ihre Gesellschaft anders funktionierte, dass Shanaya schon längst hätte verheiratet sein sollen, während er selbst sich eigentlich um eine Familie kümmern sollte. Aber darin waren sie sich wieder ähnlich – in ihrer rebellischen Art, sich nicht an derlei Richtlinien zu halten, weil man anderes als wichtiger empfand und sein Leben genießen wollte – auf die ganz eigene Art. Deshalb auch hatte Liam gar keinen Grund, ihre Worte zu hinterfragen. Zufrieden mit der Situation ließ er den Blick wieder mit einem sachten Lächeln gen Horizont gleiten. „Kommt noch. Wobei unsere Lebensart auch nicht unbedingt zuträglich für derlei Dinge ist.“ Er zuckte mit der Schulter. Ihm kam es nur gelegen, dass er selten lang genug an einem Ort war, um sich an irgendetwas zu gewöhnen. Er hielt die Dinge auf Abstand, unbewusst, aber effektiv genug, um auch nichts zu vermissen. Liam lachte. Der Vorschlag der Jüngeren weckte augenblicklich wieder seine bildhafte Fantasie. „Du meinst, er und ich setzen uns irgendwann mit einer Herde Rinder zur Ruhe? Ich könnte mir durchaus schlimmeres vorstellen.“ Das Reiten würde er dafür vermutlich aber noch lernen müssen.
Diesmal ging Shanayas Blick leicht zum Himmel, während sie grüblerisch über die Worte des Dunkelhaarigen brummte. Schon wieder. „Du meinst, von einer Insel zur nächsten Insel zu segeln hindert mich daran, mehr solcher Männer zu kennen?“ Nun warf sie dem Mann ein amüsiertes Grinsen zu. Sie glaubte nicht, dass es etwas ändern würde, würde sie an einem Ort verweilen. Nein, wirklich nicht. Das Bild, das Liam ihr dann beschrieb, entlockte der Schwarzhaarigen ein ruhiges Lachen. „Oh, da hat er sicher Nichts gegen. Wobei... 'Zur Ruhe setzen' bei Greo wohl eindeutig die falsche Bezeichnung ist.“
„‚Hindern‘ nicht unbedingt, aber es senkt vermutlich die Wahrscheinlichkeit.“, beendete er das Thema mit einem gutgelaunten Lächeln auf den Lippen. „Meinst du? Er könnte den ganzen Tag werkeln wie er wollte und müsste sich nicht einmal dauernd ducken, um sich den Kopf nicht anzuschlagen.“
Liams Kommentar entlockte der jungen Frau ein leises, nachdenkliches Brummen, aber auch sie schwieg sonst dazu. Sie trafen genug Menschen, genug Männer, um zu wissen, dass es nicht viele Ausnahmen gab. Wirklich nicht. Was Liam dann jedoch über Greo sagte, entlockte ihr ein amüsiertes Lachen. „Darüber wäre er vermutlich wirklich sehr froh.“
Was auch immer Greo auf dieses Schiff getrieben hatte - und dort hielt - er wirkte vermutlich ähnlich falsch wie Liam selbst. Nicht seiner Fähigkeiten wegen. Aber so unkomfortabel ein Schiff auch schon per se war, mit seinen Maßen musste man sich vorkommen wie ein Fuchs im Kaninchenloch. Er musste einen guten Grund haben, mit der Sphinx zu reisen. Liam hatte bisher nie gefragt. Greo machte aber auch nicht unbedingt den Anschein, großer Freund von Small Talk zu sein. „Tja. Mal sehen, wo es uns alle hinführt, hm?“ Sein Blick glitt in die Ferne. Er meinte nicht mal nur die nähere Zukunft, die sie noch beisammen sein würden. Er war wirklich gespannt, was die Welt noch für sie übrig hatte. Positiv wie negativ.
Shanaya amüsierte sich noch etwas über den Gedanken an Greo, der sich darüber freute, endlich wieder mehr Platz zu haben. Das... und anderes. Liam jedoch hing scheinbar tiefgründigeren Gedanken nach als sie, was er mit seinen nächsten Worten klar machte. Daraufhin drehte Shanaya sich um, lehnte sich mit dem Rücken an die Reling, stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf zurück, sodass sie den Himmel und ein Stück vom Meer falsch herum sehen konnte. „Jetzt wirst du schon wieder so tiefgründig. Das liegt dir wirklich, oder?“
Liam lachte leise auf, als die Dunkelhaarige ihn abermals zu ertappen schien. „Das war weitaus weniger tiefgründig gemeint, als es vermutlich rüberkam.“ Mit einer kurzen Handbewegung wischte er sich eine Strähne aus der Stirn. „Eigentlich wollte ich eher daran appellieren, dass wir so oder so nicht in die Zukunft sehen können und der Dinge harren müssen, die da kommen. Egal, wie viel wir träumen.“ Seine Stirn legte sich kurz in Falten, ehe sein Blick die Jüngere vermutlich wissender musterte, als er eigentlich war. „Aber wer abends allein vor sich hin grinsend in den Sonnenuntergang starrt - dem ist wohl einfach nach Tiefgründigkeit. Und der hört, was er hören will, hm?“ Er lächelte. Es war ihr gutes Recht. Weshalb auch immer.