06.07.2018, 19:53
Es war nicht sein erster Besuch auf dem Marktplatz. In den vergangenen Tagen hatte Farley dem bunten Treiben schon öfter beigewohnt. Natürlich nicht, um sich den Trubel anzusehen oder teilzuhaben. Nein, der Braunhaarige hatte noch immer seine Schuld im Kopf – und einiges dafür getan, die Geldbeutel der Einwohner und Gäste von Mîlui ein wenig zu erleichtern und seine Schuld nach und nach abzuarbeiten. So war ein guter Batzen Gold zusammengekommen, den er sorgsam auf dem Schiff verwahrte – oder eher versteckte. Farley traute noch immer nicht jedem Mitglied der Crew, vor allem die beiden desertierten Marine-Mitglieder stießen ihm ein wenig sauer auf und er wollte seine Bezahlung schließlich in einem Stück und unversehrt abliefern. Also hatte er sich eine halblose Planke unter seiner Koje zunutze gemacht, sie noch ein wenig loser gemacht und schließlich das kleine Stück Platz darunter genutzt, um sein Diebesgut darin zu lagern. Ein oder zweimal hatte sich in den vergangenen Tagen zudem die Gelegenheit ergeben, ein gutes Geschäft zu machen. Doch Farley hatte verzichtet. Zu heikel war es ihm vorgekommen jetzt schon wieder nicht ganz legalen Handel zu betreiben. Zu frisch war die Erinnerung an seine Festnahme, zu wenig Zeit verstrichen, seit die Morgenröte in die Luft gegangen war – und zu präsent die Gesichter der Entflohenen. Nein, der junge Dieb war nicht sonderlich risikofreudig. Den Wachen, die immer wieder durch die Straßen der Stadt patrouillierten, konnte er mit Leichtigkeit entkommen. Und die sorglosen, vergnügungssüchtigen Festbesucher waren ein leichtes Ziel für seine flinken Finger.
Als er mit Aspen nun erneut in Richtung Marktplatz schlenderte, vermied es der junge Dieb nur mit Mühe, die Goldmünzen in seiner versteckten Hemdtasche klimpern zu lassen. Er hatte nur ein paar dort versteckt, ein anderer Teil steckte in seinen Hosentaschen. So hatte er alles schnell zur Hand, aber doch nicht so offensichtlich bei sich, dass er Aufmerksamkeit erregen würde. Aufmerksamkeit war immerhin das letzte, was sie wollten – da waren er und Aspen sich sicherlich einig. Während sie liefen, warf Farley einen unauffälligen Blick auf seinen Freund. Der Braunhaarige war froh, dass der Blondschopf hier war – auch wenn er das so konkret gegenüber Dritten nie zugeben würde. Mit einem vertrauten Gesicht lebte es sich auf diesem Schiff doch ein wenig leichter und die Aussicht, noch einige Tage umhersegeln zu müssen, bis sie diesen Hafen erreicht hatten, war nicht mehr ganz so trist und düster gewesen. Farley hatte sich letzten Endes immerhin doch dazu entschieden, ein wenig mitzuhelfen – auch wenn er sich weiterhin geweigert hatte, sich an den Rumpfarbeiten zu beteiligen. Beim Befüllen der Fässer und dem Heranschaffen von Proviant hatte er mit anpacken können, ohne seine Prinzipien über den Haufen zu werfen.
„Wetten... es gibt einfachere und sicherere Wege an Geld zu kommen.“
Farley schnaufte ein wenig verächtlich, während er Aspen zum Rand der Häuser folgte und dabei immer wieder Menschen auswich, die offensichtlich keine Augen im Kopf hatten, um auf entgegenkommende Leute zu achten. Wahrscheinlich sollte es ihm recht sein, immerhin sagte es, dass kaum jemand auf sie achten würde. Abgesehen von den Wachen am Platz, die sogar Aspen dazu bewegten, sich doch seinem Jugendfreund zuzuwenden und ihm ein wenig mehr Beachtung zu schenken.
„Ich würde allerdings gerne einen Blick auf diesen Unbesiegbaren werfen – und vielleicht ein paar besonders faszinierte vom Laster des Materiellen befreien.“
Er grinste kurz, fuhr allerdings nur einen Moment später herum und packte nach einer dürren Hand, die ihm gerade in seine Tasche greifen wollte. Soweit kam es noch, dass ein Dieb sich beklauen ließ. Farley blickte den kleinen Jungen, der kaum älter als zehn sein konnte, finster an und zischte ihm etwas kaum Hörbares zu, bevor dieser weiterstolperte und der Braunhaarige sich wieder Aspen und dem Marktplatz widmen konnte.
„Hast du ein bestimmtes Ziel oder sehen wir einfach zu, dass wir den Wachen nicht über den Weg laufen?“
Seine Stimme hatte er bei diesen Worten ein wenig gesenkt, nur um einige Sekunde später den Kopf ein wenig zu recken. Er versuchte einen Überblick über das Geschehen zu bekommen und sich die Gegebenheiten einzuprägen. Es war selten schlecht, wenn man den Platz an dem man sich befand genau kannte – und die vorhandenen Fluchtmöglichkeiten ebenso.