06.07.2018, 15:23
Er beobachtete den einstigen Captain bereits seit geraumer Zeit. Die Sonne war längst am Horizont verschwunden, auf der Sphinx herrschte halbschläfrige Stille. Nur die Planken knarzten vernehmlich, die Segel flatterten und die Rippen, die sich durch das rote Tuch zogen, schlugen dumpf gegen die Masten. Die ganz Zeit über hatte sich Cornelis kaum bewegt, klopfte nur leise, rhythmisch mit einem kleinen Stock auf die Reling. Ein Geräusch, das sogar bis zum Achterdeck drang, auf dem Lucien an der Balustrade lehnte, die auf das Hauptdeck hinaus wies. Der junge Captain hatte es sich bequem gemacht, die Unterarme auf das Holz gelegt, sodass er sich halb darauf stützte. Die tiefgrünen Augen lagen ruhig auf dem Älteren, offenbarten jedoch nichts von seinen Gedanken.
Er war nicht bewusst hier hinauf gekommen, um zu beobachten. Doch als er Feuerbart entdeckte, blieb sein Blick fast gezwungenermaßen an ihm hängen – dem gestürzten Kapitän der Onyx. Er schien tief in Gedanken versunken, blickte nicht einmal auf, wenn jemand hinter ihm entlang kam. So ganz sicher, was er von diesem Mann halten sollte, war Lucien sich nicht. Normalerweise fällte er keine Urteile, ohne Taten gesehen zu haben – nur auf Basis irgendwelcher Geschichten. Selbst Shanayas und Liams Gespotte über Aspen hatte sein Bild von dem Carpenter nicht vorgeprägt. Doch hier war das schwerer.
Leise die Luft ausstoßend stieß der Dunkelhaarige sich schließlich von seinem Platz ab, wandte sich der Treppe zu und verließ das Achterdeck. Seine Schritte führten ihn ohne jede Eile auf den Mann zu, der an der Reling stand. Als er ihn erreichte, trat er wortlos kaum einen Schritt weit entfernt an das Geländer des Decks und ließ die Hände entspannt auf dem dunklen Holz ruhen. Für einen Moment huschte sein Blick übers Meer zum Horizont, dann wandte er sich Cornelis zu und auf seinen Zügen erschien ein flüchtiges Schmunzeln, das auch in seinem ansonsten eher ruhigen Ton mitschwang.
„Du siehst aus, als steckst du in einer kleinen Sinnkrise.“