02.07.2018, 12:43
Die Hand vor dem Mund haltend, gähnte Aspen laut und zuckte kurz mit dem Arm, als er automatisch durch das lange Haar streichen wollte. Um nicht aufzufallen war dieses jedoch sorgsam im Nacken zusammengebunden. Genau so wie früher. Anstatt sich jedoch heute darüber aufzuregen, genoss er es, dass sein Nacken bei der Luftfeuchtigkeit nicht ganz so klamm war wie mit offenem Haar. Nach so langer Zeit auf windiger See und unter immer bekannten Gesichtern war es ziemlich anstrengend bei der schwülem Hitze wieder unter Menschen zu wandeln. Es war laut, überall lagen die verschiedensten Gerüche und er musste aufpassen, dass er niemanden über den Haufen rannte. Auch wenn der Montrose niemals damit gerechnet hatte, so vermisste er nach den fünf langen Tagen in der Stadt bereits die See – dort musste er sich weder fürchten erkannt zu werden, noch musste er sich mit Fremden auseinandersetzen.
Nunja, wenn er ehrlich zu sich selbst gewesen wäre, hätte der Blondschopf wahrscheinlich seine Müdigkeit auf die vergangenen Nächte geschoben, in denen er je nach Lust und Laune die Tavernen der Stadt durchkämmt und seinen Verdienst bei unzähligen Spielrunden eingeholt hatte. Zu seinem Glück mit Erfolg: Denn ohne diese Spiele wäre er mit reichlich weniger Zuschuss für die Sphinx geendet.
„Wenn alle für diesen Kell stimmen, lohnt es sich kaum an den Wetten teilzunehmen.“, brummelte er noch immer nicht ganz wach vor sich hin. Es war eigentlich seine Absicht gewesen, sich das Schauspiel anzusehen und tatsächlich lockte auch die große Neugierde auf das Tier von Mann, der unbesiegbar sein sollte. Zu seinem Unglück versaute ein eindeutiger Sieger jedoch die Wettlust. „Sein Ring ist wohl dort vorne, wo sich bereits die Massen versammeln.“
Mit einem Nicken in die Mitte des Marktplatzes deutete er auf die Menschentraube, nur um selbst die zielgenaue Richtung zu verlassen und sich an den Häuserfronten zu orientieren. Er wollte nicht mitten hinein, auch wenn er dort wahrscheinlich besser versteckt wäre als hier am Rand. Dabei hatte er alles gegeben: Die zusammengebundenen Haare, die unpassende Kleidung und der ungeschnittene Bart. Er selbst würde sich so nicht wiedererkennen. Nach den Monaten des Versteckens rechnete Aspen sowieso nicht mehr damit, dass ihn jemand erkannte oder hier erwartete. Der Überfall auf die Morgendwind war so aktuell, dass er endlich in den Hintergrund rückte.
Dennoch kam er nicht umhin den Schritt zu verlangsamen und sich Farley wie im Gespräch zuzuwenden, als eine Gruppe Wachen den Platz betrat und das ungeordnete Zusammenkramen einiger unerlaubter Verkäufer begann. Am auffälligsten waren mehrere Flüchtlinge die ihre Chance nutzten und viel zu schnell in der Menge verschwanden, als das man sie hätte erkennen können – einer von ihnen sogar in direkter Nähe von Aspen und dem Rotschopf.
„Willst du dir die anderen Kämpfer ansehen, oder nur die Börsen der Zuschauer ergreifen?“, schmunzelte er seine Trägheit davon und besah sich seinen Mitläufer, von dem er bisher noch nicht wusste, ob er tatsächlich auf der Sphinx bleiben würde – die Carta zu unterschreiben war immerhin kein bindendes Urteil für jemanden, der die letzten Jahre für sein Überleben gaukeln musste.
(Marktplatz bei Farley - weiter entfernt Elian und Kell)