29.06.2018, 17:32
Er bekam mit, dass Lucien sich abwandte und fragte sich prompt warum. Da dort wo der Capitán hinsah nichts war, was Enriques Aufmerksamkeit erregt hatte und da er von dem Jüngeren, bei Missfallen dessen, was seine Schwester von sich gab, etwas Anderes als Wegschauen erwartet hätte tippte er darauf, dass der irgendeine andere Reaktion verbergen wollte. Was für eine das wohl war? Doch beobachtete er weiterhin hauptsächlich Talin; auch als er mitbekam, dass das Lächeln aus den Augen und der Haltung des Braunhaarigen wich.
Innerlich seufzte er, während es ihn doch auch amüsierte. Natürlich würde Zorrito zu seiner Schwester halten, egal wie gut sie miteinander klar kämen. Aber er griff nicht ein, sondern ließ diese Sache zwischen ihm und Talin. Gut.
Dafür wurde ihr grinsen nur um so breiter. Ja, sie hatte ihn da, wo sie ihn haben wollte und ja, das ärgerte ihn, raubte ihre Art ihm doch scheinbar all seine Selbstbeherrschung; zeigen würde er es ihr nicht. Dann schwieg sie, zog ihr eigenes Spiel nicht durch, so als hätte sie sich selbst an einen Punkt gebracht, an dem sie lieber Vorsicht walten ließe, warum auch immer.
Zum Schluss brachte er die Beiden aus der Fassung.
Sie zeigte es mehr als er. Wieder fühlte er den ungewohnten Drang zu Lachen. Wieso nur erheiterte es ihn so, dass er missverständliche Worte gewählt hatte?
Als Lucien dann sprach, hätte er sogar fast laut gelacht, es blieb jedoch bei einem lediglich leisen, mit einem Hauch Bitterkeit unterlegtem, Auflachen und Schweigen. Er und seinen Wert überschätzen! Das hatten ihm Harper und andere gründlich ausgetrieben. Er war soviel Wert, wie er mit den Ellenbögen und seinem Verstand aus dem jeweiligen Anderen herausbekam und keinen Deut mehr. Meistens nicht einmal das.
Und es erheiterte ihn selbst auf ungesunde Weise, seine eigenen Worte so dick aufs Brot geschmiert zu bekommen, wissend, dass er Talin damit zwar Paroli geboten hatte, nur um dann festzustellen, dass er, weil sie nicht weitermachte, plötzlich schlechter da stand als zuvor.
Manchmal bin ich echt ein ganz schöner pollino, stellte er mit süffisant verzogenem Mundwinkel fest.
Er hielt das Stillstehen nicht mehr aus, schritt kopfschüttelnd zum nächsten Stuhl, ohne die Aufmerksamkeit von Lucien zu nehmen und nickte bei dessen Worten, dass er sehr wahrscheinlich schießen würde, ginge Enrique zurück und sie stolperten danach wieder übereinander.
Dann packte er den Stuhl und trug ihn zu der Stelle vor den Beiden, wo er eben noch gestanden hatte und ließ sich rittlings darauf nieder. Immer wieder war er versucht sich zu äußern, biss sich aber auf die Zunge. Dieses Mal würde er abwarten und überlegen, bevor er antwortete.
Bei 'Genauso, wie niemand über dich bestimmen wird' kehrte die echte Erheiterung zurück. Wie schaffte es dieser Mistkerl bloß, dass er ihn so sehr mochte, dass er ernsthaft in Erwägung zog zu bleiben und das die Wut nicht wieder in ihm überhand nahm?
Ein kurzer Blick zur Blonden sagte ihm, dass sie nichts anfügen würde. Tief holte er Luft und hatte arg mit dem aufsteigenden Lachen zu kämpfen.
"Ihr missverstehen mich.
"Was du gesagt hast ist mir nicht entgangen. Und für so wichtig halte ich mich auch nicht. Außerdem würde ich wohl rundweg ablehnen, wenn du oder irgendeiner von euch versuchen würde, mich mit Schmeicheleien oder Geschenken zum Bleiben zu bewegen.
"Ich weiß euer Angebot zu schätzen, denn nur weil ich zurück könnte, heißt das nicht, dass ich das auch will.
"Es ist richtig, dass ich, als ich euch geholfen habe, stets ein Auge darauf hatte, das hinterher immer noch meinen Vorgesetzten und der Admiralität verkaufen zu können. Zu dem Zeitpunkt hattet ihr mir auch noch nicht das Angebot gemacht, mit euch zu kommen. Und um ehrlich zu sein weiß ich nicht, ob das irgendetwas an meinem Verhalten geändert hätte, wäre das vorher passiert.
"Inzwischen hat sich allerdings einiges ergeben, dass mich euer Einladung ernsthaft in Erwägung ziehen lässt.
"Und da ist auch das Missverständnis. Ich fragte nicht nach Geschenken, sondern nach euren Plänen und nach Arbeit."
Beschwichtigend hob er die Hände, war ihm doch klar, dass das missverständlich klingen könnte.
"Ich will keine Details, wie wen ihr wo, falls überhaupt überfallen wollt oder wo eure Basis liegt, darum geht es mir nicht, ich will nur wissen worauf ich mich einlasse.
"Falls ihr euch als einfache Fischer niederlassen wollt und es auf Segel setzen, Netze einholen und Kisten schleppen hinausläuft, dann ist das nichts für mich. Zumindest nicht langfristig.
"Ich brauche, Abwechselung, Herausforderungen, etwas, worüber ich mir den Kopf zerbrechen, womit ich mich, in den langen Tagen die wir unterwegs sein werden, beschäftigen kann. Ihr sagt selbst, ihr könnt jemanden wie mich gebrauchen, was mir sagt, dass ihr Positionen frei habt, wo ihr denkt, dass ich meine Fähigkeiten einsetzen kann. Mich interessiert also, welche Ränge das sind, wie du es so schön formuliert hast.
"Ich bin mir sicher, dass ihr mir mehr ist als das leben eines einfachen Fischers oder Matrosen anbietet, dass ihr nicht in irgendwelchen Hinterhofgewässern versauern wollt, was genau das ist weiß ich aber nicht.
"Danach hatte ich gefragt, als ich wissen wollte, was ihr mir bieten könnt.
"Bevor ich mich aber entscheide, ob ich annehmen, wäre ich mir schon gern über diese Dinge im Klaren, denn es nützt keinem, wenn ich mich darauf einlassen, nur um ein paar Monate später festzustellen, dass ich das unter falschen Voraussetzungen getan habe und euch dann verlassen will, was dann zu bösem Blut führen könnte."
Wieder holte er tief Luft, längst war er wieder ernst geworden. Freundlich, geradezu entspannt fügte er an:
"Und noch ein paar andere Details wüsste ich ebenfalls gerne vorher. Dazu muss ich allerdings ein paar hypothetische Fragen stellen. Es wäre nett, wenn ihr mir den Gefallen tätet, auch diese zu beantworten!
"Lasst es mich also anders formulieren:
"Wenn ihr wüsstest, dass ich Ahnung von Geschützen habe und ihr mir vor den Anderen die Anweisung oder Bitte gegeben hättet, mich um die Geschütze dieses Schiffes zu kümmern und ihr dann mitbekommen würdet, dass ich mir Hilfe von zwei Anderen geholt hätte, um eines, scheinbar grundlos, über Bord zu werfen, was würdest ihr dann tun? Was wenn das mitten in einem Kampf passieren würde?"