26.06.2018, 20:32
Wenigstens mit einer kleinen Antwort hatte er gerechnet. Aber der Blonde erwiderte nichts. Farley beobachtete ihn und sein Reaktion auf seine Worte genau, fast ein wenig zu genau – denn noch immer kam ihm der Hüne seltsam bekannt vor und der junge Dieb begann in den Gesichtszügen seines Gegenübers nach etwas zu suchen, an das er sich erinnern konnte. Sie mussten für Außenstehende in diesem Moment ein sehr seltsames Pärchen abgeben, wie sie einige Meter voneinander entfernt an der Reling lehnten und sich gegenseitig musterten. Immerhin brachte Farley den Anflug eines Lächelns auf das Gesicht des Mannes, auch wenn seine Worte über die Wohlhabenheit der Crew eigentlich keineswegs ein Witz gewesen waren. Nun ja, er würde den anderen nicht korrigieren, immerhin war jeder Anflug von guter Laune ein Grund mehr für diesen zu bleiben – und Farley brachte es mehr Zeit, über das Verziehen dieses Mundwinkels und das dumpfe Gefühl des Kennens zu sprechen.
Sein kurzer Triumph verflüchtigte sich allerdings im nächsten Moment schon wieder, als der andere die Lippen zu einer schmalen Linie verzog und ihn nachdenklich anvisierte. Langsam wurde das gegenseitige Starren unangenehm. Farley mochte es tatsächlich nicht, wenn man ihn allzu lange beobachtete, ihn allzu lange unter die Lupe nahm. Normalerweise war das ein sicheres Zeichen dafür, dass er aufgeflogen war – und im nächsten Moment schleunigst die Beine in die Hand nehmen sollte. Der junge Dieb ließ sich die kurze Unsicherheit allerdings nicht anmerken, sondern fuhr lediglich mit der Hand durch seine Haare, um eine Strähne hinter das linke Ohr zu schieben, die herausgefallen war. Die Hand wanderte schließlich weiter in seinen Nacken, den er sich kurz rieb, bevor er sich wieder am Holz der Reling abstützte. Noch immer sprach sein Gegenüber nicht. Okay, also kein wirklich beredter Gefährte.
„Es gibt übrigens einige Menschen auf den Inseln der Ersten Welt, die gehen einem an die Gurgel, wenn man sie zu lange so ansieht. Glaub mir, ich kenne einen Typen auf Raízun, der würde dir alle Fingernägel einzeln herausreißen.“
Und das war ausnahmsweise nicht geflunkert. Farley hatte seinen Namen verdrängt – zu lange war die Zeit auf seiner Heimatinsel her. Allerdings konnte er sich an alle anderen Details rund um den Trinkfreund seines Vaters sehr gut erinnern – und an den Wutausbruch, als Farley ihn als Neunjähriger einmal zu lange angesehen hatte. Gut, dass er damals schon ein guter Läufer gewesen war.