26.06.2018, 13:48
'Angemessen revanchiert' könnte vieles bedeuten und Aspen kam nicht umhin, die Augenbrauen skeptisch zu verziehen und in Gedanken lieber nicht auf die Worte des Mannes zu setzen. Tatsächlich vermutete er bei den meisten Mitreisenden einen frühzeitigen Abschied im nächsten großen Hafen. Er verstand nicht, wieso sich freie Männer einer Crew anschließen wollten, die unter augenscheinlich strenger Diktatur stand und überall hinsegelte, nur nicht an den Wunschort des Einzelnen. Er selbst war auf einem ständig fahrenden Schiff sicherer als an Land, das war ein plausibler Grund. Doch bei allen Welten fiel ihm kein weiterer Grund ein. Musste es auch nicht. Ihm war es sowieso lieber, alle seltsamen Leute auf einen Schlag wieder los zu sein und nur vereinzelt taugliche Männer mitzunehmen.
Um Teilnahme zu signalisieren hob er einen Mundwinkel an, als der Rotschopf versuchte witzig zu sein. War es nur die verschleierte Realität, von der er da sprach? Trotz aller Aberglaube an die prunkvollen Piratenschiffe und ihre erbeuteten Reichtümer war auf der Sphinx bisher nichts zu holen. Sie müssten wohl nur darauf achten die richtigen Menschen zu behalten, wenn sie auf Sammlertour an Land gingen. Zu welcher Gruppe der Große vor ihm gehörte, da war Aspen sich dabei nicht ganz sicher. Der Montrose konnte schließlich noch nicht einmal sagen, wo er ihm bereits begegnet war – ein ätzendes Gefühl, als würde es ihm auf der Zunge liegen, auf die er sich nun biss. Trotz all der Beobachtung von der wechselhaften Mimik bis hin zu den nun versteckten Händen: Aspen fehlte ein bestimmtes Puzzleteil, suchte in den heruntergekommenen Gegenden nach dem Gesicht des Rotschopf, die er seit seiner Flucht gesehen hatte, bis hin zu den Adelsfamilien und dessen Nachwuchs, denen er in seiner eigenen Jugend begegnet war. Auch wenn Letzteres eher unwahrscheinlich – wenn auch nicht ganz ausgeschlossen, wie er selbst und Shanaya bewiesen – war, meinte der Blonde zumindest zu wissen, dass der Mann aus keinem höheren Elternhaus stammte. Ihm fehlte die scheinbar angeborene Arroganz.
Während der belustigte Zug um seine Mundwinkel verschwand, kämpfte er damit nicht all die Fragezeichen in seinem Kopf sichtbar widerzuspiegeln.
Zumindest so lange, bis der Rotschopf ihn vielleicht unbewusst in Gedanken auf eine vollkommen abhanden gekommene Situation erinnerte, in die sein Gesicht mit wenigen Zügen hinein passte. Anstatt abermals die Mundwinkel zu verziehen, formten seine Lippen eine schmale Linie, die Brauen so tief zusammengezogen, dass ihm der Gedankenwechsel anzusehen war. Dies hier war kein Gesicht, dass er aus den unschönen und viel zu präsenten Erinnerungen nehmen musste, sondern aus denen, die ihm das Gefühl von Freiheit zurück brachten.
Irritiert über diese Erkenntnis verschränkte er die Arme vor der Brust; verunsichert, ob er nicht mit einem Mal zu viele Gesichtsfetzen in den gealterten Jungen hinein interpretierte, nur weil er selbst unbedingt eine Antwort auf die Frage suchte, woher er diesen kannte.
Kurz zog er in Erwägung einfach den Namen zu nennen der ihm in den Kopf kam. Doch dafür war Aspen noch nicht überzeugt genug von seiner Wiedererkennung. Es fehlten die vielen Schürfwunden, der ganze Dreck und vor allem der wohltuende Geruch von Späne, der sich in die Nase einnistete. Er bleib einfach still, wartete auf mehr Informationen, die vielleicht auch ohne Frage auftauchen könnten.