24.06.2018, 23:05
Mit einem genüsslichen Seufzer schob sie sich ein fettiges, zudurchgebratenes Stück Fleisch in den Mund, woran sie sich auch prompt die Zunge verbrannte. Talin verzog das Gesicht und fächelte sich Luft zu, als würde es das besser machen, bis sie das Stück schließlich herunter schlucken konnte und gleich noch einen Haps nahm. Es schmeckte nicht wirklich gut, weil es diese Art von Essen war, die man jedes Mal – egal auf welcher Insel – zum Frühlingsfest bekam. Und genau das war der Punkt. Es ging allein um dieses Fest, mit dem sie so viele Erinnerungen verband. Natürlich, waren die früher erlebten Feste kein Vergleich zu diesem hier, aber es waren glückliche Zeit gewesen. Und das Schwein aß sie eigentlich auch nur, weil es sie an ihre erste Prügelei erinnerte.
Während Shanaya glücklich auf ihrem Brot rumkaute und sich alles – wirklich alles – ansah, wandte sie sich Lucien zu und hielt ihm das Brot mit dem Fleisch hin.
„Willst du probieren?“
Ihr Blick glitt teils fragend, teils besorgt über sein Gesicht. Obwohl es jetzt schon gut drei Wochen her war und sie auf der einsamen, namenlosen Insel gut gegessen hatten, sah er immer noch ziemlich abgemergelt aus. Natürlich hatte auch er zugeschlagen, als Shanaya erschreckend gut gelaunt sie zum Essen eingeladen hatte, aber die Blonde ließ nichts unversucht, einfach noch mehr in ihren Bruder rein zustopfen. Außer ihre Nüsse, die sie sich sicher in eine Rocktasche gesteckt hatte. Die würde sie nicht mit ihm teilen. Auf die freute sie sich nämlich schon, seit sie die Insel betreten hatten.
Es kam ihr seltsam vor, wie einfach es war, sich über diese alltäglichen Dinge wieder ungetrübt freuen zu können. Keine verworrenen Winkelzüge mehr, kein planen, kein Versuch jemanden für ihre Sache zu gewinnen. Einfach nur im Hier und Jetzt sein und das ebenso genießen. Ein wirklich seltsames Gefühl. Aber die letzten Tage hatte sie sich dazu entschieden, es genauso zu machen. Es einfach auf sich zu kommen zu lassen. Die Sonne genießen, durch die Menschenmengen streunen und hier und da einen Geldbeutel mitgehen lassen. Dieses Gefühl hielt auch jetzt noch an und sie wollte es nur genießen, bevor die Rastlosigkeit und der Wunsch nach mehr Abenteuern wieder in ihr hoch kam.
Mit der freien Hand ihre Augen vor der Sonne abschirmend, wandte sie sich wieder von Lucien ab und sah sie sich suchend in der Menge um. Wenn ihre beiden Hände wieder frei waren, würde sie anfangen müssen Geld für die Lady zu sammeln. Es tat der jungen Frau wirklich weh, ihr Schiff in so einem Zustand zu sehen... Aber für den Moment konzentrierte sie sich erst einmal auf das hier und jetzt, so lange sie noch Essen auf der Hand hatte.
„Du willst uns probieren?“ meinte sie auf Shanayas genuschelte Worte hin.
Sie trat einen vorsichtigen Schritt zurück, hielt sich nahe bei Lucien, während sich ihr Gesicht skeptisch verzog und die bis eben abschirmende Hand, bestürzt auf ihre Brust legte. Dabei blitzt in ihren Augen der Schalk auf. Es war bezaubernd bis nervtötend, wie begeistert die Schwarzhaarige von dem Fest war. Als wäre sie noch nie frei genug gewesen, um allein von Stand zu Stand zu gehen und zu essen, was sie wollte.
„Dir ist schon klar, dass es auch noch andere Sachen zu sehen gibt, als Fressstände? Was ist mit...nützlichen Dingen? Waffen? Schmuck? Oder auch Vergnügungszelte?“
[Mit Lucien und Shanaya | in der Nähe des Brunnenplatzes]