24.06.2018, 21:17
Shanayas Laune hatte sich die letzten Tage noch viel mehr gebessert als sowieso schon. Sie hatte das Fest vorerst gemieden, auch wenn all die Gerüche eine tiefe Verlockung gewesen waren. Allein für das Essen hätte sie ihren Vorsatz zu gern gebrochen. Aber sie war eben, wie sie war. Und so hatte die Schwarzhaarige sich tapfer nur am Rande des Festes aufgehalten, hatte sich Notizen zu jedem Winkel gemacht und alles aufgezeichnet, was sie gebrauchen konnte. Aber irgendwann hielt auch sie es nicht mehr aus. Nur nach alleine stand ihr ausnahmsweise nicht der Sinn. Also hatte die junge Frau Talin überfallen – sie wollte so ein Fest nicht schon wieder mit jemandem betreten, dem SIE Steine an den Kopf werfen wollte. Und da erschien ihr die Blonde als perfekte Gesellschaft. Und auch in ihrem Bruder, mit dem sie das Fest besuchen wollte, war dabei. Nichts, gegen das Shanaya etwas hätte sagen können. Ganz im Gegenteil. Es konnte nur spannend werden.
All die Menschen um sie herum wurden kaum beachtet, außer sie kamen zu nah. In ihrer Tasche befand sich nur das Nötigste, damit sie möglich viel Platz für... allerlei Dinge hatte. Man wusste ja nicht, was einem auf diesem Fest alles über den Weg lief. Trotzdem hielt sie ihre Tasche vor sich, denn gerade an so einem Ort wusste sie genau, dass noch mehr Langfinger auf alles aus waren, was sie bekommen konnten. Die einzigen Menschen, die – neben dem, was in ihren Händen lag – Aufmerksamkeit bekamen, waren ihre zwei Begleiter, die seit sie das Fest betreten hatten, ständigem 'Da müssen wir auch noch hin!' ausgesetzt waren. Sie wollte ALLES sehen. Jeden Winkel, jeden Stand. Und die zwei mussten darunter leiden. Aber immerhin machte sie das alles wieder gut. Selbst vom Hunger getrieben hatte sie beide einfach aus dem Nichts zu Ständen geschoben, die mit wilden Gerüchen lockten. Gut gelaunt wie sie war, hatte sie sowohl Lucien als auch Talin aufgefordert, sich etwas auszusuchen – ohne sie dabei anzublicken. Die blauen Augen der jungen Frau waren auf die verschiedenen Stände gerichtet, bis sie die Hand in ihre Tasche gleiten ließ, Geld hervor holte und vor ihre beiden Begleiter trat. Mit ihrem strahlendsten, best gelauntem Lächeln und vor Begeisterung leuchtenden Augen hatte sie verkündet, dass diese Runde auf sie ging. Essen, Trinken, was sie wollten. Sie dachte nicht einmal groß darüber nach – aber im nächsten Moment hatte sie sich schon wieder umgewandt, ließ den begeisterten Blick schweifen. So viel Auswahl. Und nur zwei Hände. Eine Tragödie ohne Gleichen!
Das war nun einige Minuten her – inzwischen waren sie schon wieder in Bewegung. Shanaya selbst hielt in einer Hand einen Krug mit einer süßlichen Flüssigkeit, in der anderen ein Brot, das mit allerlei... Dingen gefüllt war. Fleisch, Gemüse, irgendetwas scharfes... sie wusste nicht, was alles hinein gemischt worden war. Trotz dessen, dass sie dem Verkäufer fast über den Tresen geklettert wäre. Ein verwirrter Blick war auch noch geblieben, als sie ihre Beute entgegen genommen, bezahlt und sich wieder umgewandt und die Wünsche der anderen beiden bezahlt hatte. Aber es schmeckte vorzüglich. Und für den Moment musssten die beiden Nichts ertragen, was sie an irgendeine Richtung band. Mit einem munteren Grinen nahm sie einen großen Bissen des Brotes – hielt jedoch inne, bevor sie abbeißen konnte und ihr blauer Blick fiel zuerst zu Talin, blieb dann an Lucien hängen. Oder eher vielmehr an dem, was sie in den Händen hielten.
„Ich will euasch auch probieren!“
Mit vollem Mund versuchte sie irgendwie verständlich zu sprechen, sparte sich aber vorerst, einem von den beiden auf die Pelle zu rücken. Nun biss sie also ab, kaute gut gelaunt und tänzelte dabei mit federndem Schritt neben den beiden her. Nichts konnte ihrer Laune etwas anhaben. Nicht einmal die Befürchtung, dass ihre Eltern womöglich um jede Ecke stehen konnten. Ihr Essen würde sie sicher nicht werfen – aber mit dem Krug konnte sie immerhin einen von beiden ausschalten. Nur ein kurzer Gedanke, ehe sie sich wieder auf ihre Begleitung wandte. Sie schluckte den großen Bissen herunter, hatte noch immer das selbe Funkeln in den hellen Augen.
„Würde ich nicht irgendwann durchdrehen weil mir das Meer fehlt, könntet ihr mich direkt für immer hier lassen!“
Sie grinste, hob den Krug an die Lippen und gönnte sich einen großen Schluck, ehe sie den Blick schon wieder schweifen ließ.
„Ich will alles probieren. Wenn ihr mich also vermisst – ich liege in irgendeiner Gasse und versuche die letzten Bissen zu schlucken.“
Und damit biss sie erneut ein Stück ihres Brotes ab.
[In der Nähe des Brunnenplatzes | Lucien & Talin]