20.06.2018, 20:19
Sie hasste ihn in diesem Moment. Er konnte es ihr geradezu ansehen. Dem Blick, der sich in seinen bohrte. Tödlich. Doch als Reaktion darauf blitzte in den tiefgrünen Augen nur das Lachen auf, dass er mühsam im Zaum hielt und das sich lediglich in seinem Grinsen bemerkbar machte. Der Ausdruck auf seinen Zügen verriet eines ganz deutlich: Diesen Patzer würde er nicht vergessen – und bestenfalls auch Shanaya nie vergessen lassen. Sie, die doch so fest davon überzeugt schien, keinen einzigen Makel zu haben. Werfen konnte sie schon mal nicht. Und, wenn er genauer darüber nachdachte, warf diese Situation auch ein ganz anderes Licht auf gestern Abend. Auf die Art und Weise, wie sie seine Herausforderung umgangen hatte, sich mit ihm im Dolchwerfen zu messen. Sieh mal einer an.
Und damit trat ein kleines, wissendes Funkeln in seine Augen.
Diesen kleinen Sieg derart auskostend prallten ihre stichelnden Worte einfach an dem Dunkelhaarigen ab. Er stemmte den Stock in den Boden und stützte sich mit gelassener Arroganz darauf ab wie auf dem Gehstock einer der adligen Männer von Asanu, die eigentlich nur zur Zierde da waren und keinerlei Zweck erfüllten.
„Wenn du lieber 'Captain' sagen willst. Auch gut. Da könnte ich mich dran gewöhnen.“
In diesem Moment spürte er die kühle Klinge an seinem Bein, wie sie ein, zwei, drei Mal dagegen tippte. Doch die grünen Augen lösten sich nicht von der Schwarzhaarigen, sodass sie die provokante Herausforderung darin ohne weiteres hätte sehen können. Shanaya ließ allerdings von ihm ab, bewegte sich rückwärts zu der Sternfrucht, die er – für sie – vom Baum geschlagen hatte und behielt ihn seinerseits im Blick. Lucien musste schon wieder grinsen, während er sie auf seinen Stock gestützt beobachtete und keine Anstalten machte, ihr zu folgen. Angst, Shanaya? Er stellte die Frage nicht laut, doch sie lag auf seinen Zügen, bis sie die Frucht erreichte.
„Na, wenn das so ist.“ Sollte er sich wohl auch so einen Imbiss beschaffen.
Und damit drückte der 21-Jährige sich von seinem Stock ab, hob den Blick erneut in die Baumkrone und suchte sich dort eine der Sternfrüchte, die ähnlich gut zu erreichen waren, wie die erste. Dann hob er den Ast, stupste leicht gegen das Objekt seiner Wahl und holte Schwung, um sie vom Baum zu schlagen. Plomp landete die nächste im Farn. Eine dritte folgte ihr, ehe auch Lucien einsehen musste, dass die anderen Früchte zu weit oben hingen, um sie mit dem Stock zu erreichen. Er ließ das ellenlange Ding unbeachtet ins Gebüsch fallen und bückte sich nach dem Obst, das ihm am nächsten lag.