12.06.2018, 16:32
Nur am Rande ihres Bewusstseins fragte Shanaya sich, wie lange der Dunkelhaarige wohl schon dort stand. Vielleicht nur einen Moment? Seine Bewegungen beobachtete sie jedoch genau, jede einzelne. Wie er die Hände hob, sein Lächeln – und wie er die Hände sinken ließ, als auch ihre Klinge gesenkt wurde. Seine Worte entlockten ihr dann wieder ein munteres Lachen, womit sie umständlich mit dem Degen hin und her wedelt, als Fingerersatz.
„Das ist keine gute Ausrede, es gibt auch anständige Menschen, die sich bei diesem Wetter trotzdem bekleiden, obwohl ihnen danach ist, alles abzuwerfen! Und meine Gene können keine Ausrede sein, weil... wie du siehst...“
Mit einer halben Bewegung deutete sie ihren eigenen Körper hinab. Ob sie diesen Satz zu Ende führen musste, oder wusste der Mann worauf sie hinauswollte? Für einen winzigen Augenblick fragte die junge Frau sich, ob Lucien sie dank ihrer Größe wohl unterschätzen würde. Ob nun ihr Alter oder dieses kleine (Hah!) Detail... aber sie konnte ihn noch längst nicht genug einschätzen, verwarf den Gedanken also schnell genug wieder. Ihm konnte sie immernoch vorwerfen, sollte das nötig sein, dass sie seinen Hintern aus dieser verdammten Zelle befreit hatte. Trotz ihrer Größe und dem Kindesalter. Ein Schnaufen galt ihren Gedanken, ehe sie sich lieber wieder auf ihr Gegenüber konzentrierte. Der Blick, der die ganze Zeit auf ihm geruht hatte, hätte auch als ein 'Wehe es kommt jetzt ein 'Zieh dich doch aus' - Kommentar gewertet werden können. Auch wenn der Gedanke viel zu verlockend war. Aber ob das wirklich Linderung bringen würde? Sie hatte da ihre Zweifel. Vor allem jetzt, wo er da war, konnte sie aber auch diesen Gedanken streichen. Schade drum.
Skeptisch beobachtete die junge Frau, wie Lucien die Daumen in seinen Gürtel hakte, hob bei seinen Worten dann amüsiert eine Augenbraue, warf ihm dabei einen vielsagenden Blick zu. Zumindest bis die letzten Worte über seine Lippen gekommen waren. Augenblicklich wandte sich der Ausdruck in den hellen Augen zu einem vorwurfsvollen, das Lächeln blieb dennoch auf ihren Lippen. Und ohne groß über ihre Hand-Augen-Koordination nachzudenken, setzte sie zum Wurf an. Den Degen wollte sie nicht unbedingt werfen, also blieb nur der Stock. Dass der in ihrer linken Hand ruhte... Tja. Das hatte sie nicht bedacht. Aber nun konnte sie auch keinen Rückzieher mehr machen. In der selben Bewegung, ohne zu zögern, warf sie dem Dunkelhaarigen also den Ast zu. Sie zielte leicht nach rechts, um ihm den Stock genau zu zuwerfen. Aber scheinbar hatte sie sich grob verschätzt, er fiel einen guten Meter rechts von Lucien zu Boden und blieb regungslos liegen. Es war ein Moment, in dem der Dunkelhaarigen kurz der Atem stockte, in dem hellen Blick die Überraschung aufflammte. Ihr eigener Blick hatte auf dem Ast gelegen, nicht sicher, ob der Mann diese kleine Entgleisung bemerkt hatte. Aber mit dem nächsten Atemzug schloss sie die Augen, atmete tief ein und blickte ihr Gegenüber nun mit einem gut gelaunten Grinsen an. Einfach so tun, als wäre genau DAS so geplant gewesen.
„Probier es doch lieber selbst, als dich so aufzuspielen. Du weißt doch, diesen wunderbaren Ausblick gibt es nicht umsonst.“