09.06.2018, 20:23
Ihr verdammter Ehrgeiz. So oft hatte er schon versucht, ihr das Genick zu brechen. Und trotzdem stand sie noch immer hier, war gerade ein bisschen froh darüber, dass keine neugierigen Augen sie beobachteten. Das glaubte sie zumindest, denn die Geräusche des Waldes verrieten ihr nicht, dass sie längst nicht mehr allein war. Also streckte sie sich, fixierte mit verbissenem Blick die sternenförmigen Früchte über sich. Ohhh, sie würde sie da herunter bekommen, und wenn sie doch auf diesen Baum klettern musste! So schweißtreibend das ganze auch war, notfalls musste sie sich den Rest aus ihrer Flasche über den Kopf kippen. Das einzige, was ihren Blick für wenige schnelle Herzschläge umlenkte, war ihre Tasche. Aber kein Tier und Nichts anderes näherte sich, also konnte sie sich ganz auf ihr eigentliches Ziel konzentrieren. Zumindest bis zu diesem einen Moment.
Es war eine Stimme, eine, die sie inzwischen kannte. Aber in diesem Moment drang es nicht ganz zu ihrem Bewusstsein durch, WESSEN Stimme es genau war. Es war nur ein Moment, nachdem die Stimme wieder verklungen war, ehe die Schwarzhaarige von den Früchten abließ, mit einer – für dieses warme Wetter – schnellen Bewegung herum schnellte und den Degen fest umklammerte, auf die Gestalt richtete, die mit verschränkten Armen zu nah bei ihr stand. Sie hatte nicht aufgepasst. Einmal. Und dann stand ER da. Sie hätte es wissen sollen. Erst jetzt drang der Sinn seiner Worte wirklich zu ihr durch, ließ das gewohnte Lächeln auf ihre Lippen zurück kehren. Zu klein, aber davon ließ sie sich sicher nicht aufhalten. Aber etwas ganz anderes fiel ihr auf, während sie die Klinge ruhig wieder sinken ließ. Bis zu diesem Moment hatte ihr heller Blick fest auf seinem Gesicht gelegen, nun wanderte er ein wenig tiefer, verharrte da einen Moment. Dann grinste sie ihn wieder direkt an.
„Und du bist halbnackt. Wir haben alle unsere Laster.“
Amüsiert hob die junge Frau eine Augenbraue, hob dann den anderen Arm, jedoch leicht zur Seite gestreckt, um leicht mit dem Stock durch die Luft zu wedeln, ohne Lucien dabei aus den Augen zu lassen.
„Du stellst mir nach, damit du dich mir so präsentieren kannst und weißt dann keinen besseren Spruch, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen? Ich sagte doch, du hast einiges verlernt.“
Ein gespielt mitleidiger Blick lag dabei auf ihren Zügen. Armer Kerl. An ihre letzte Begegnung dachte sie in diesem Moment bewusst nicht.