09.06.2018, 20:01
Im ersten Moment blieb es bei dem Grün. Lucien konzentrierte sich bewusster aufs Atmen, sog die Luft tief in die Lungen, sodass sich sein Brustkorb förmlich zum Bersten blähte. Manchmal reichte das, um die Enge zu vertreiben, manchmal brauchte es mehr. In diesem Fall fühlte er sich zumindest besser und das reichte ihm. Er hob die Feldflasche für einen weiteren Schluck noch einmal an die Lippen, ließ dabei den Blick wandern, hielt dann jedoch inne. Etwas blitzte im Unterholz zwischen dichten Blättern und Farnwedeln auf. Etwas leuchtend rotes, das auf den ersten Blick nicht hier her zu gehören schien. Das Etwas bewegte sich und nun, da der Dunkelhaarige sich darauf konzentrierte, hörte er auch die Geräusche, die definitiv zu keinem im Dschungel lebenden Tier gehörten. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln und er setzte langsam, bedächtig die Flasche ab, ohne zu trinken. „Komm schon.“, wehte eine inzwischen schon vertraute Stimme zu ihm hinüber und ließ ihn leise, lautlos belustigt seufzen. Wirklich: Ganz genau so entstanden diese lästigen Gerüchte!
Lucien befestigte die Flasche wieder an seinem Gürtel, atmete noch einmal tief durch und setzte sich dann langsam, geradezu bedächtig in Bewegung. Er gab sich keine Mühe, besonders leise zu sein, aber er achtete darauf, wie er sich bewegte und wohin er trat, als er sich durch eine breitere Lücke im Blattwerk schob und im nächsten Moment kaum zwei Schritte hinter der Schwarzhaarigen heraus kam. Er hielt inne, fast ein bisschen überrascht darüber, in was für einer absurden Situation er sie vorfand: Mit einem Stock in der einen, ihrem Degen in der anderen Hand stand sie unter einem Baum und kämpfte um eine der reifen Früchte, die nur ein winziges Stückchen außerhalb ihrer Reichweite an einem Ast baumelten. Ihre Habseligkeiten lagen unbeachtet am Fuße des Stammes und auch Shanaya machte nicht den Anschein, als interessierte sie sich für irgendetwas außer ihr Ziel. Im Prinzip hätte er jetzt auch irgendein Tiger sein können, der nichts besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste, als unaufmerksame junge Frauen zu fressen. Lucien konnte nicht anders.. Er schob vorsichtig die Machete in seinen Gürtel und verschränkte grinsend die Arme vor der nackten Brust, um ihr bei ihren Bemühungen zuzusehen.
„Du bist zu klein.“, stellte er nach einem kleinen Augenblick geradezu unschuldig fest. Ganz so, als hätte er sie auf einen Punkt hingewiesen, auf den sie einfach noch nicht selbst gekommen war.