22.04.2018, 18:46
Sie wollte wirklich gefasst sein, wenn er sich ihr schließlich zuwandte. Ob sie nun damit gerechnet hatte, dass er sofort auf den Punkt kommen würde oder sie nur böse anstarrte, wusste sie selbst nicht so recht. Aber das Rayon ihr nur mit einem einfachen „Aye, Captain“ den Eimer abnahm und ihn dann wortlos füllte, machte sie irgendwie mehr fertig, als alle Anschuldigungen. Vielleicht, weil sie sich sowieso schon erschöpft fühlte, vielleicht weil sie irgendwie mit mehr Aggressivität rechnete, aber seine Reaktion ließ sie nur endlos erleichtert seufzen, obwohl noch nichts wirklich geklärt war.
Talin lehnte sich an eines der Fässer hinter ihr und schloss für einen Moment die Augen. Nur kurz ausruhen, nur kurz verschnaufen, bevor sie wieder funktionieren würde. Den ersten Tag hatte alles super geklappt. Die Erleichterung und Euphorie hatten sie angetrieben, doch jetzt – immer noch auf der Flucht auf einem kaputten Schiff und mit wenig Nahrung – nahm ihr langsam die Kraft. Und wer weiß, wie lange sie noch unterwegs sein würden. Dass sie das jetzt erst bemerkte, nachdem Rayon ihr den Eimer abgenommen hatte und sie mal kurz nichts tun musste, verwunderte sie. Noch mehr überraschte sie aber die Stimme des Smutje, als er sie ansprach. Ruckartig öffnete die Blonde die Augen und richtete sich wieder auf. Ihre hastigen Bewegungen milderte sie mit einem leichten Lächeln ab, weil sie nicht wollte, dass Rayon dachte, sie erschreckt zu haben. Für einen kurzen Moment war sie einfach nur weg gedöst.
Sie nahm den Eimer entgegen und schaute in das hin und her schwappende Wasser, während sie über die Frage des Mannes kurz nachdachte.
„Es geht ihm...so weit ganz gut. Er erholt sich und seine Wunden sind nicht so schlimm, wie sie anfangs aussahen. Ich denke, dein Essen hilft ihm auch sehr dabei, wieder gesund zu werden.“
Sie schmunzelte leicht, auch wenn das noch lange nicht alles war, was sie dazu sagen wollte, so schluckte sie doch den Rest herunter. Über das, was sie noch beschäftigte, musste sie sich erst einmal selbst klar werden und dann zuallererst mit Lucien besprechen, nicht mit jemand anderem. Deshalb lenkte sie ihre Gedanken auf das andere Thema, was sie ja eigentlich klären wollte. Sie stellte den Wassereimer noch einmal ab, um ihm zu zeigen, dass sie noch ein wenig bleiben würde.
„Was ist mit dir, Rayon? Du bist fast nur damit beschäftigt, uns alle zu versorgen. Brauchst du eine Pause oder Hilfe? Oder einfach nur jemanden zum Reden?“