09.03.2018, 16:20
Cornelis schwerfällige Wiederholung seines Namens ließ Enrique vor Anspannung fast zerbrechen. Mit der darauf folgenden Zuordnung jedoch löste sich der Knoten, ein Zittern lief durch den jungen Körper, begleitet von einem erleichterten Aufatmen. Für einen Augenblick schloss der Junge die Augen, was Tränen über seine Wangen schickte. Der Blondschopf erinnerte sich an ihn, an das Gespräch und an den Aufbruch aus dem Hafen. Ein Glück!
Langsam drang auch Isabellas Nähe in sein Bewusstsein. Er wandte sich ihr zu, lächelte sie unsicher und Hilfe suchend an und wärmte damit dennoch Isabellas Herz, die ihn überglücklich über diese Reaktion anstrahlte. Sämtliche Zweifel waren dadurch auch bei Enrique kurz darauf wie weggewischt und erst die erstickte Frage des Steuermannes dämpfte die Freude der Beiden. Das Mädchen drückte kurz den Arm ihres Bruders, so als wolle sie damit sagen: Du machst das schon.
Der nickte, musste sich aber erst einmal räuspern ehe er antworten konnte.
"Ah, ha-hmm, s-si. Mister Carstairs war schon hier. Er will rechtzeitig vor dem Essen wieder hier sein und hofft, dass sie dann wach sind Sir. Aber falls nicht sollten wir sie nicht wecken, dann wäre er nur zum Abendessen erschienen. Er ist nämlich auch eingeladen und—"
Enrique musste sich bremsen um sich nicht in unnötigen Details zu verlieren. Sein Vater mochte es überhaupt nicht, wenn er auf eine Frage Antworten erhielt, von denen er gar nichts wissen wollte und dem Jungen passierte das nur all zu häufig. Ob Cornelis genau so dachte wusste der Zehnjährige zwar nicht, aber er wollte alles richtig machen, damit weder der Steuermann noch Jorge einen Grund hätten mit ihm zu schimpfen.
"E-er sagte, dass es gut war, sie hierher zu bringen und das sie sich ausruhen müssen. Ruhe wäre jetzt das aller Wichtigste für sie. Deshalb hätten wir sie auch schlafen lassen sollen und u— ääähhh haben uns darum bemüht sie nicht zu stören. Wir haben sie doch nicht gestört oder?"
Wieder hielt er inne, biss sich auf die Unterlippe. Er musste sich konzentrieren!
"U-und er sagt, dass wenn sich die Wunde nicht entzündet, sie gut heilen wird, die sollte ihnen keine Probleme bereiten. Es ist auch nichts gebrochen. Das wird wieder. Genau wie der Rest, das sind nur blaue Flecken und Schrammen."
Irgendwie schien ihm, dass das nicht das war, was sein Gast wissen wollte und er versuchte sich an die komplizierten Worte zu erinnern und sie zu entschlüsseln, obwohl er sie kaum mitbekommen hatte, weil er sich so sehr gesorgt hatte. Worüber hatte der Arzt noch gesprochen? Was hatte Nahia ihn noch gefragt? Was hatte er seiner Mutter erzählt?
Es war so viel passiert und er so aufgeregt gewesen...
"Quique?", fragte Isabella leise.
"Was?", entfuhr es ihm ungewollt laut, während das Karussell seiner Gedanken anfing zu eiern und dann anhielt. Beschämt schaute er zu Boden, ehe er vorsichtig zu Cornelis hinüberspähte.
"Du machst das toll."
Der eindringliche Blick seiner Schwester, ihr aufmunterndes Lächeln und ihre Berührung ließen ihn seine Angst ein wenig vergessen.
"Danke", flüsterte er, ehe er sich wieder dem Seemann zuwandte: "Das mit dem Verband — I-ich wusste nicht genau, warum der auch über ihren Augen war. Eine Verletzung konnte Mister Carstairs nicht feststellen. Zumindest nicht außen dran. Und reinschauen konnte er ja auch nicht, sie haben doch geschlafen. Deswegen will er nachher auch nochmal nach ihnen schauen Sir. Ich— Ich habe ihn gefragt, ob er das tun würde, dann kann er auch mit ihnen reden."
Auf Grund der folgenden Stille, die er nicht aushielt, hing er gleich noch eine Frage hinten an. Das der Steuermann seine Ausführungen vielleicht erst einmal verarbeiten musste kam ihm nicht in den Sinn.
"War — War das richtig so? "
Und da war sie wieder, mit einem Schlag, die volle Nervosität, die Angst, etwas falsch gemacht, etwas vergessen zu haben, nicht zu genügen, weder den Anderen noch sich selbst, auch wenn ihm letzteres nicht bewusst war, dass er auch an sich selbst hohe Erwartungen stellte. Was würde der Mann vor ihm im Bett dazu wohl sagen? Und wieso war ihm das nur so wichtig? Er kannte diesen Mann doch kaum!