05.03.2018, 00:55
Die Dunkelheit des Zimmers lag schwer über der kleinen Gruppe und füllte den Raum mit drückender Atmosphäre. Das Flackern der Kerze ließ die Schatten bedrohlich zucken und wanken und doch war das nichts im Vergleich zu dem, was den unerwarteten Besucher bedrängte, zumal die beiden Kinder einander hatten und wussten, sie bräuchten nur die schweren Vorhänge beiseite zu schieben und schon würde helles Tageslicht ihre Welt durchfluten. Auch war sie für das Mädchen nicht ansatzweise so schwer zu ertragen, wie für den Jungen, der sich nur zu gut an die Worte seiner Mutter erinnerte und sich darum bemühte seiner Verantwortung auch gerecht zu werden. Dass er bereits ausreichend für das Wohl des Verletzten gesorgt hatte kam ihm dabei nicht in den Sinn, stattdessen fragte er sich unentwegt, was er vergessen haben oder wo ihm ein Fehler unterlaufen sein und wonach der Mann möglicherweise noch verlangen könnte.
Wie Enrique vorher bei Isabellas leisen Worten, zuckte auch sie bei Cornelis erstem Ausruf zusammen, zog den Kopf zwischen die Schultern, kniff die Augen zu und hielt sich an der Sitzfläche fest, bis der Fremde mit seinem Ausruf fertig war.
"Chick? Wer ist Chick?", fragte sie Enrique leise, als Cornelis dann auf eine Antwort wartete.
Der schüttelte nur stumm den Kopf und sah anschließend wieder zum Steuermann hinüber. Genau wie sie hatte er keine Ahnung nach wem der Mann da verlangte.
"Tut mir leid Sir, Chick ist nicht hier. Ich bin es, Enrique."
Einem inneren Drang folgend ließ er die Rückenlehne des Stuhls los, trat eilends an den hölzernen Bettpfosten am Fußende des schweren Eichenbettes, der ihm am nächsten war, und hielt sich dann mit beiden Händen verzweifelt daran fest.
Hatte der Steuermann ihn etwa vergessen? Das konnte doch nicht sein! Und das Gespräch im Hafen? Das er ihn hierher gebracht hatte? Was, wenn ja? War das dann seine Schuld? Bestimmt war sie das!
Seine Beine drohten nachzugeben und sein Herz schlug ihm bis zum Hals, in dem sich ein dicker Kloß bildete. Trotzdem zwang er sich weiterzureden:
"I-ich habe sie zu mir nach Hause gebracht. U-und Isabella ist hier. Mei-meine Schwester. S-sie sind nicht mehr an B-bord der Seepf-pferdchen. E-erinnern sie sich nicht?"
¡Bitte erinnern sie sich! ¡Bitte! ¡Bitte!, flehte er und starrte den Rotbart an, ohne wirklich mitzubekommen dass sich seine Sicht trübte. Er hatte doch nur helfen wollen. Und nun hatte er alles nur noch schlimmer gemacht! Das hatte er nicht gewollt. Wirklich nicht!
Isabella wrang mit ihrer Hand an einem Zipfel ihres Kleides und beobachtet Enrique. Er beachtete sie nicht mehr und das macht ihr Sorgen. Wenn ihn etwas dermaßen gefangen hielt, dann musste es in ihm brodeln. Also musste sie ihn beruhigen oder er würde heftig reagieren und das würde bestimmt laut. Aber wie zu ihm durchdringen?
Berührungen halfen meist. Also stand sie auf, trat zu ihm und griff mit beiden Händen vorsichtig seinen Oberarm.
"Er ist bestimmt nur ein bisschen durcheinander", flüsterte sie, unsicher, ob ihr Bruder sie hören würde.