27.02.2016, 13:42
Double Trouble
27. Februar 1822 Talin Dravean & Shanaya Árashi
Die Arme verschränkt lehnte Shanaya gegen den Hauptmast, den hellen Blick nach oben zum Himmel gerichtet. Sie hatte gute Laune – das Wetter nicht. Grau, immer mal wieder leichter Regen. Jetzt gerade regnete es ausnahmsweise Mal nicht, und da sie ihre Aufgaben erledigt hatte, gönnte sie sich einen kurzen Moment Pause. Der Wind war frisch, störte sie jedoch nicht. Er machte ihr nur noch einmal klar, dass ihre Haare nicht so geschnitten waren, wie sie es sein sollten. Mit einem leisen Brummen strich sie sich eine Strähne aus der Stirn, lehnte sich dann von dem Mast weg und trat an die Reling, grübelnd. Es würde noch eine Weile dauern, bis sie die Insel erreichte, und ihr war nicht nach der Gesellschaft der Crew. Also reckte sie den Kopf ein wenig, lauschte dem leisen Rauschen der Segel und seufzte schließlich. Manchmal konnte sogar ihr langweilig werden...
Talin rieb sich genervt die Schläfen, da ihre Kopfschmerzen einfach nicht weggehen wollten. Das Wetter war Schuld daran, da war sie sich ganz sicher! Nun ja, fast. Frustriert stand sie auf, sah aus dem Fenster in ihrer Kajüte und stellte fest, dass es so auch nicht freundlicher aussah. Vielleicht täte ihr ein wenig frische Luft gut. Dann gingen diese Kopfschmerzen weg und sie konnte sich wieder den langweiligen Büchern widmen. War der vorherige Captain schlampig gewesen, dass war ja unglaublich. Die Bücher Bücher sein lassen, öffnete sie die Tür und ging aufs Deck. Sie breitete die Arme aus und atmete tief ein. Ihr Kopf tat dadurch nicht weniger weh, aber die Müdigkeit verschwand dafür. Das war doch immerhin ein Anfang. Gemächlich schlenderte sie übers Deck, bis sie eine vertraute Gestalt an der Reling stehen sah. Ein Schmunzeln schlich sich auf ihre Lippen. Vielleicht würde ein Gespräch helfen ihr ein wenig die Zeit zu vertreiben. „Sei gegrüßt, Shanaya. Wunderschönes Wetter nicht wahr!“ Der Sarkasmus triefte gerade zu aus ihrer Stimme.
Shanaya senkte den Blick wieder und betrachtete das Wasser, das platschend gegen den Schiffsrumpf stieß. Sie wollte nicht mehr warten, und der Gedanke, dass sie bald eine Insel anfahren würden, machte sie schon ein wenig kribbelig. Das war Nichts Neues für sie, immerhin war sie oft genug auf dem Schiff ihrer Eltern gewesen. Aber dieses Mal war es anders, die erste Insel ihrer neuen Freiheit. Das förderte ihre Laune gewaltig, daran änderte auch kein blonder Kerl etwas, der durch einen Zufall auf dem selben Schiff wie sie gelandet war. Um sich ein wenig abzulenken zählte die Schwarzhaarige die Wellen, die gegen das Schiff schwappten – hörte jedoch bei zwanzig wieder auf, da sie dank einer Stimme aus den Gedanken gerissen wurde. Sie hob den Kopf, grinste Talin munter entgegen. „Man muss dagegen angrinsen, dann geht es.“
Talin trat mit einem belustigten Lächeln an die Reling, lehnte sich an und schaute ebenfalls über den Schiffsrand. Das Wasser hatte immer eine beruhigende Wirkung auf sie. Aber jetzt gerade war auch das schrecklich fad und langweilig. Ihr Blick glitt zu der Schwarzhaarigen hinüber und sie seufzte tief. „Dir ist wohl auch langweilig, wie? Ich meine, dagegen angrinsen, wirklich? Dann müsstest du schon den ganzen Tag mit einem breiten Lächeln durch die Gegend rennen. Aber gerade sah ich dich eher in Gedanken versunken. Ist etwas passiert? Hat einer der Männer angetascht oder etwas falsches gesagt?“ Sie wollte nicht, dass das andere Mädchen sich unwohl oder gar bedrohte fühlte. Nur wusste sie auch nicht so recht, wie weit sie gehen konnte und wann sie den Stolz der anderen wohl verletzte. Sie hatte eben keine Ahnung von Mädchen, weil sie nie mit ihnen befreundet sein wollte.
Shanaya lehnte den Arm auf das Holz und den Kopf schließlich in die Hand, um den Blick ganz zu Talin herum zu wenden. „Das ist keine Beschäftigung, das ist ein Lebensmotto.“ Das Grinsen schwand nicht. „Aber langweilig ist mir auch, da muss ich dir leider zustimmen. Meinetwegen könnten wir endlich ankommen.“ Nur, um dann vermutlich festzustellen, dass sie möglichst schnell wieder in See stechen wollte. Zumindest ging sie stark davon aus. Die Frage der Blonden ließ sie dann jedoch kurz eine Augenbraue heben, ehe sie auflachte. „Siehst du hier jemanden mit einer abgehackten Hand herum rennen? Nein nein, alles in Ordnung. Ich habe gerade an Nichts besonderes gedacht.“
Talin seufzte tief und stimmte der anderen damit als voller Seele zu. Langweilig, ja, dass war es. Und außerdem war sie ein wenig hibbelig bei dem Gedanken bald anzukommen. Es wurde Zeit. Sie wollte so unbedingt in ihrer Suche voran kommen. Aber auch wenn sie es sich wünschte, ging es leider nicht schneller. Bei ihrem Glück kam vermutlich eher noch irgendetwas dazwischen. „Es wird noch ein paar Tage dauern. Wenn das Wetter weiter so ist, sogar noch länger. Leider können wir das nicht beeinflussen.“ Auch wenn es dann wenigstens voran gehen würde. Über die nächsten Worten der Schwarzhaarigen musste sie schließlich lachen. Sie stieß sich von der Reling leicht ab und giggelte vor sich hin. „Ach, Shanaya du bist wirklich gut. Nein, ich habe noch niemanden so herum rennen sehen, aber ich bin gespannt sollte es doch noch passieren.“ Nochmals kicherte sie, lehnte sich dann wieder an das Holz. „Vielleicht willst du mir bei den schrecklich langweiligen Papieren helfen? Dann könnten wir uns zusammen langweilen. Oder du erzählst mir ein wenig etwas über dich. Ich bin ein offenes Buch, wenn du irgendwelche Fragen hast.“ Zumindest war sie es bis zu einem gewissen Punkt. Aber welcher Mensch war das nicht.
Shanaya wog den Kopf ein wenig zur Seite, Talin dabei betrachtend. Vermutlich die einzige Person, der sie zutraute, sie wirklich aus ihrer schlimmen Situation heraus zu holen. „Jaaa, ich weiß. Aber mit jedem Tag mehr mit diesen...“ Sie nickte in die Richtung, wo sie einen Teil der Crew vermutete „... wünsche ich mir mehr, endlich da zu sein.“ Das Lachen der Blonden ließ Shanaya den Kopf heben, grinste bei ihren Worten nur ein wenig mehr. Die meiste Zeit ging sie der Crew aus dem Weg, mied die meisten. Sie war auf Talins Seite, und das bekam sie oft genug durch Blicke zu spüren. „Langweilige Papiere klingen besser als Langeweile an sich.“ Den zweiten Teil von dem, was sie sagte, kommentierte Shanaya mit gehobener Augenbraue. „Über mich erzählen? Frag mich etwas und ich entscheide, ob ich dir darauf antworte.“
Talin grübelnd stand sie da, sah aufs Meer hinaus und überlegte, was sie das andere Mädchen wohl fragen könnte. Ihr ging durch den Kopf, dass Gespräch fallen zu lassen, aber sie wollte doch mehr über die Schwarzhaarige wissen. Also konnte sie nicht einfach zu ihren Papieren zurückkehren. Die Blonde seufzte innerlich und ihr Blick fiel auf die Haare der anderen, worüber sie sich nur ganz schwer ein Lachen verkneifen konnte. „Eine Möglichkeit wäre über deine Haare zu reden. Aber ich glaube dafür würdest du mich jetzt am liebsten über Bord schmeißen.“ Sie grinste frech und schaute sich dann nachdenklich auf dem Schiff um. „Was erhoffst du dir eigentlich? Ich meine, du fährst einfach so mit mir mit ins Ungewisse, obwohl du mich nicht kennst. Willst du nur Abenteuer erleben oder die Welt entdecken? Ich verstehe es noch nicht so recht.“