18.02.2016, 19:49
Er betrachtete sie kurz, irritiert davon, dass sie zögerte. Hielt sie ihn vielleicht für ein bisschen beschränkt und wählte ihre Worte sorgsam? Er war drauf und dran etwas zu sagen, entschloss sich dann aber doch dagegen und kratzte sich stattdessen in seinem Dreitagebart. Als sie weitersprach zog er leicht die Brauen zusammen, sodass sich zwei kleine steile skeptische Falten dazwischen bildeten und runzelte anschließend die Stirn. Er wirkte milde interessiert. Ganz gemächlich setzte er sich wieder in Bewegung. Ruhig rumzustehen und zu palavern war nicht so ganz seine Art. Und eigentlich… ja eigentlich hatte er auch noch etwas vorgehabt. Was sie ihm aber gerade offenbarte, war jedoch ein zu guter Bissen, um darauf zu verzichten. Immerhin musste er auch noch irgendwie von hier wegkommen. „So, eine Crew? Das kann vieles sein“, sagte er und spazierte an den Ständen entlang. „Halsabschneider. Ein harmloser Haufen Händler. Kinder, die Krieg spielen“, gab er als Beispiele zum Besten und blickte sie dann mit gelupfter Braue an.
Shanaya pustete sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht und erwiderte dann den Blick des Mannes mit aller Seelenruhe. Sein Mienenspiel fand sie ja beinahe amüsant, aber der blaue Blick richtete sich trotzdem wieder nach vorn. Sie hatte nun keine Ahnung, was dieser Mann von Piraten hielt. Vielleicht war er auch bei der Marine und verdiente nebenbei Geld mit Fischen? Wer wusste das schon... obwohl eine Marinebekanntschaft sicher auch nützlich hätte sein können. Als der Dunkelhaarige dann nachfragte, um was für eine Crew es sich handelte, lächelte Shanaya munter vor sich hin. „Die zukünftig beste Crew, die die Meere je gesehen hat.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht, voller Überzeugung. Immerhin gehörte sie ja dazu. Dennoch senkte sie ein wenig die Stimme. „Piraten. Also eher weniger harmlos und auch keine Kinder, die Krieg spielen.“
Ein kleines, kaum wahrnehmbares Zucken umspielte seine Mundwinkel und zwang ihm ein kurzes schiefes Lächeln ins Gesicht, was in dem Zusammenhang eher nach einem spöttischen ‚Tatsächlich?‘ aussah. So viel Selbstüberzeugung hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Und wer das in der Öffentlichkeit einem Fremden auf die Nase band, übertrieb in der Regel ziemlich. Greo war nicht sonderlich überzeugt. Zumal ‚zukünftig‘ noch nicht besonders beeindruckend wirkte. Er war weiß Gott niemand, der sich immer nur auf bewährte Konzepte verließ, aber diese Kombination aus riesen Optimismus und der Möglichkeit, dass das Ganze noch scheitern konnte, war ihm ein wenig zu heikel. Er konnte es sich nicht erlauben aufgrund irgendwelcher Mängel im Meer zu ersaufen. Dafür hatte er zu viel vor. Und dann noch Piraten? Prinzipiell hatte er nichts dagegen, er stammte immerhin von einer Sträflingsinsel und kannte diverse Kaliber. Dennoch sprang der Funken nicht ganz über. „Es gibt auch Kinder, die Pirat spielen. Und die sagen ebenfalls, dass sie die Könige der Wellen sind“, entgegnete er schlicht mit seiner rauen, dunklen Stimme und schnippte mit den Fingern. „Plus, dass du mich nicht einmal kennst. Schon auf den Gedanken gekommen, dass ich jemand sein könnte, dem man so was besser nicht erzählt?“
Shanaya grübelte im Schnellgang einmal alle möglichen Gedanken durch, schielte dabei leicht zur Seite, um die Reaktion des Mannes zu sehen. Er sah nicht wirklich begeistert aus, was ihr jedoch keinerlei Schwung nahm. Im Prinzip konnte es ihr egal sein, ob er sich zu ihnen gesellte oder nicht. Bei seinen nächsten Worten lachte sie auf. „Vom Pirat spielen sind wir weit entfernt. Oder möchtest du etwa auf mein zartes Alter anspielen?“ Sie warf dem großen Mann einen kurzen, gespielt vorwurfsvollen Blick zu, grinste dann aber wieder, wog nach seinem Schnippen den Kopf ein wenig zur Seite. „Nun... würdest du mich daraufhin töten wollen, hättest du das schon getan.“ Sie blickte kurz an ihm herunter. „Und du siehst nicht sonderlich bewaffnet aus. Ich schließe also aus, dass du der Marine angehörst. Dafür war deine Reaktion auch viel zu wenig geschockt. Und solltest du jetzt heraus posaunen, dass hier Piraten sind... nun, dann wirbst du also für uns. Ich würde sagen, wir kommen immer ganz gut davon.“ Sie grinste ihm munter entgegen.
Er beobachtete sie nur stumm und ruhig, so wie er ohnehin die meiste Zeit guckte, und grübelte. Zartes Alter? Das schien ein Dorn zu sein, sonst hätte sie das nicht direkt angesprochen. Greo beschloss sich das zu merken, es war besser, so etwas auf der geheimen Liste im Kopf notiert zu haben. Menschen war nicht immer bewusst, wie schnell man gesagte Worte gegen sie verwenden konnte. Just in dem Moment fiel ihm ein, dass ihm das auch schon oft passiert war. Er antwortete ihr auf diese spitze Frage nicht und verfolgte lediglich ungerührt, wie sie ein bisschen Theater spielte. Dafür war er aber nicht der richtige Zuschauer. „Nicht in einer Menschenmenge“, warf er lediglich gelassen dazwischen und wartete ab, bis sie ihre Vermutungen vollendet hatte. „Also ist jeder, der kein Pirat ist, ein Mitglied der Marine?“, fragte er und ein schelmischer Geist tanzte in seinen ungleichen Augen. „Das ist eine ziemlich banale Schlussfolgerung“, kommentierte er und zog die Nase kraus. „Aber dass ihr gut davon kommt, das mag sein. Nur ob ihr die beste Crew der Meere werdet… wer weiß das schon. Wie viele seid ihr denn?“
Shanaya beobachtete den Mann, der einfach ruhig blieb. „Du umgehst meine Frage bewusst, hm?“ Sie grinste einfach weiter, auch das war ein Punkt, der ihr egal war. „Nun, dann könnte ich immernoch in der Menschenmenge untertauchen. Und darauf hoffen, dass wir uns nie wieder sehen.“ Denn bei allem, von dem sie wusste, was sie konnte... Dieser Kerl war um einiges größer als sie selbst... und er sah alles aber nicht schwach aus. „Das habe ich nie gesagt. Aber mit einer Waffe könntest du mir jetzt gefährlich werden. So wahrscheinlich auch... aber nicht in einer Menschenmenge.“ Sie fuhr sich kurz durch die Haare, überlegte, wie sie die nächste Antwort am besten verpacken sollte. „Wir mussten uns aus... gegebenem Anlass von den meisten trennen. So sind wir jetzt vier. Dich eingerechnet.“
„Beziehst du alle Dinge immer so auf dich?“, fragte er mit einem komischen Gesichtsausdruck, schmunzelte dann aber. „Tauch ruhig unter, ich hab kein Interesse daran jemanden durch eine Menge wie diese zu verfolgen.“ Er würde nur wieder irgendwo hängen bleiben, irgendwen aus Versehen mitreißen oder über den Haufen rennen. Sie war klein, aber bestimmt wendig. Er hatte da kaum eine Chance. Greo mochte diesen zu nahen Körperkontakt ohnehin nicht gerne. Statt einer Horde Menschen, hatte er lieber eine Horde Schafe. Die waren weniger anstrengend. Und mithilfe der Hunde leichter zu bändigen… obwohl er diese auch bestimmt auf Menschen ansetzen konnte. Er hatte keine Gelegenheit diesen Gedanken weiterzuspinnen. „Oh, wow, mich eingerechnet sogar vier“, frotzelte er und guckte amüsiert. „Da hat ja meine Familie mehr Mitglieder.“ Obwohl das eigentlich ein hängender Vergleich war. Er stammte immerhin aus einer Großfamilie. Da sie mittlerweile am Ende einer Marktreihe angekommen waren und nicht allzu viele Leute um sie herwuselten, drehte er sich abrupt direkt zu ihr und sah sie unverwandt an. „Was springt dabei raus?“, kam er unvermittelt zur Sache. Das ganze Vorhaben klang zwar noch nicht sonderlich nach was, aber er konnte ja immerhin mal die Möglichkeiten ausloten.
Shanaya strich sich eine Strähne hinter die Ohren und drehte sich dann in einer ruhigen Bewegung um, um rückwärts weiter zu laufen. „Nein. Aber die meisten Menschen, denen ich sage, ich bin Piratin, belächeln das und tun es als Witz ab. Und ich wollte nur prüfen, ob du auch so einer bist. Mir ist das egal, was man über mein Alter denkt.“ Sie wusste, was sie wollte. Und daran hindert sie kein Alter, kein Mensch und überhaupt Nichts auf der Welt. So belächelte sie die Menschen nur, die sie verurteilten. Es war immer wieder ein Spaß. „Aus diesem Grund sind wir ja hier, um eine Crew zusammen zu stellen. Manchmal muss man sich von Altlasten eben trennen.“ Und neu anfangen. Und irgendwann hätte jemand Talin vielleicht nachts die Kehle durchtrennt. Unschöne Vorstellung. Als der Dunkelhaarige stehen blieb blickte Shanaya sich kurz um, hielt dann auch inne und richtete die Augen wieder auf Greo. „Meine Gesellschaft.“ Sie grinste, machte – ausnahmsweise – Mal jedoch nur einen Scherz darüber. „Ein freies Leben auf dem Meer, den Wind in den Haaren, ein Schiff mit roten Segeln, eine talentierte Frau als Captain.“ Kurzes Grübeln. „Übrigens nicht mich. Und du bekommst Abenteuer, siehst andere Inseln, andere Meere... von der Gesellschaft ganz zu schweigen.“ Belustigt ließ sie die Arme ein wenig vor und zurück schwenken.
Greo, denk scharf darüber nach und bitte fälle deine Entscheidung weise: bist du Willens mit dieser Person Tage auf See zu verbringen, ohne jedwede Ausweichmöglichkeit, wenn vielleicht nicht viel zu tun ist, Flaute herrscht, das Essen mies ist und sich alle gegenseitig tierisch auf den Keks gehen? – fuhr es ihm durch den Kopf und er verengte leicht die Augen. Was sie über ihr Alter sagte war für ihn irrelevant. Wie sie es auch drehte und wendete, irgendwie schien es sie ja zu beschäftigen, dass sie ihr offensichtliches Das-macht-mir-alles-nichts so rauskehren musste. Aber was ging es ihn an? Er zuckte nur die Schultern. Sollte sie denken, was sie wollte. Vielleicht war er „so einer“. Vielleicht auch nicht. Der Sprung zu den Altlasten irritierte ihn dagegen etwas. Das klang ein wenig nach Zerwürfnis. Und auf einer solchen Basis eine Crew aufzustellen erschien ihm etwas suspekt. Waren sie sicher, alle Altlasten hinter sich gelassen zu haben? Gerade Greo konnte ein Lied davon singen, wie sehr einen manche Dinge verfolgten. Aber was nutzte es? Er musste irgendwie von hier fort, und möglicherweise war diese Piratentruppe gar keine so schlechte Perspektive, um von dieser Insel wegzukommen. Auch, wenn sie in ihrer Huldigung übertrieb, immerhin schien sie einigermaßen ehrlich, was den Ausgangszustand anging. So hörte er sich brav an, was sie zu sagen hatte und betrachtete ihr Gebärden. „Klingt mehr nach einem Roman, denn nach einem vernünftigen Ertrag.“ Er überlegte kurz. „Versteh mich nicht falsch, Wind und Wasser und Freiheit ist ja nett, von mir aus auch die Farbe Rot, aber was ich meine bezieht sich mehr auf ein bisschen Silbernes.“
Shanaya wunderte sich nicht darüber, dass der Mann nicht weiter auf ihre Worte einging. Aber sie hackte nicht nach, beließ es einfach dabei. Wenn er sie unterschätzte, konnte sie ihn gern vom Gegenteil überzeugen. Die Schwarzhaarige straffte leicht die Schultern, verschränkte dann die Arme hinter dem Rücken, ohne den blauen Blick von dem Riesen zu nehmen. „Wäre das Piratenleben ein Roman, wäre es vermutlich stinklangweilig.“ Auch wenn sie gerne las... sie nahm das Leben lieber so, wie sie es in diesem Moment hatte. Seine nächsten Worte brachten sie wieder zum schmunzeln. Natürlich, wie konnte sie das vergessen. „Das kommt wohl auf dich an. Übernimmst du eine Aufgabe, bekommst du mehr... und natürlich kommt es darauf an, was die Crew erbeutet. Wo dann jeder seinen Teil zu beiträgt.“
Mir ihr würde das Leben auf See vermutlich nicht ganz so stinklangweilig werden. Greo hatte den vagen Verdacht, dass sie jemand war, der ordentlich Tohuwabohu mit sich bringen konnte. Dieses Grinsen… sie hatte es bestimmt faustdick hinter den Ohren. Da würde er noch einmal in sich gehen müssen. Wobei es bisweilen lustig sein konnte, einen solchen Menschen um sich zu haben. Er war noch nicht so hundertprozentig sicher, was er über sie denken sollte. Stattdessen konzentrierte er sich auf das wirklich wichtige bei dem Vorhaben: das Geld. Er brauchte dringend welches, ganz abgesehen von der Mitfahrgelegenheit. „Das klingt einerseits vernünftig, andererseits… gibt es Treffen, an dem diese Dinge noch einmal festgemacht werden?“
Shanaya ließ den Blick kurz schweifen, beobachtete die Menschen, die an ihnen vorbei eilten, sie jedoch nicht beachteten. Sie konnte den Mann nicht einschätzen, ob er der Sache komplett abgeneigt war, ober ob sein Interesse wirklich Interesse war. Aber das Angebot stand... und auch wenn sie nicht wusste, wie Talin sich letztendlich entscheiden wollte... jeder Kandidat war erst mal willkommen. Und vielleicht kannte er ja noch jemanden, den er mitbrachte? Sie kannte das zu Genüge, man musste solche Nachrichten verbreiten, nur dann war man erfolgreich. „Es gibt den Kodex, wo das alles drin steht. Alles weitere kannst du dann versuchen, mit dem Captain auszudiskutieren. Vielleicht lässt sie sich ja darauf ein.“ Amüsiert hob sie eine Augenbraue. „Sonst kannst du natürlich auch jeden Strand nach einem Schatz absuchen...“
Shanaya pustete sich eine dunkle Strähne aus dem Gesicht und erwiderte dann den Blick des Mannes mit aller Seelenruhe. Sein Mienenspiel fand sie ja beinahe amüsant, aber der blaue Blick richtete sich trotzdem wieder nach vorn. Sie hatte nun keine Ahnung, was dieser Mann von Piraten hielt. Vielleicht war er auch bei der Marine und verdiente nebenbei Geld mit Fischen? Wer wusste das schon... obwohl eine Marinebekanntschaft sicher auch nützlich hätte sein können. Als der Dunkelhaarige dann nachfragte, um was für eine Crew es sich handelte, lächelte Shanaya munter vor sich hin. „Die zukünftig beste Crew, die die Meere je gesehen hat.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht, voller Überzeugung. Immerhin gehörte sie ja dazu. Dennoch senkte sie ein wenig die Stimme. „Piraten. Also eher weniger harmlos und auch keine Kinder, die Krieg spielen.“
Ein kleines, kaum wahrnehmbares Zucken umspielte seine Mundwinkel und zwang ihm ein kurzes schiefes Lächeln ins Gesicht, was in dem Zusammenhang eher nach einem spöttischen ‚Tatsächlich?‘ aussah. So viel Selbstüberzeugung hatte er schon lange nicht mehr gesehen. Und wer das in der Öffentlichkeit einem Fremden auf die Nase band, übertrieb in der Regel ziemlich. Greo war nicht sonderlich überzeugt. Zumal ‚zukünftig‘ noch nicht besonders beeindruckend wirkte. Er war weiß Gott niemand, der sich immer nur auf bewährte Konzepte verließ, aber diese Kombination aus riesen Optimismus und der Möglichkeit, dass das Ganze noch scheitern konnte, war ihm ein wenig zu heikel. Er konnte es sich nicht erlauben aufgrund irgendwelcher Mängel im Meer zu ersaufen. Dafür hatte er zu viel vor. Und dann noch Piraten? Prinzipiell hatte er nichts dagegen, er stammte immerhin von einer Sträflingsinsel und kannte diverse Kaliber. Dennoch sprang der Funken nicht ganz über. „Es gibt auch Kinder, die Pirat spielen. Und die sagen ebenfalls, dass sie die Könige der Wellen sind“, entgegnete er schlicht mit seiner rauen, dunklen Stimme und schnippte mit den Fingern. „Plus, dass du mich nicht einmal kennst. Schon auf den Gedanken gekommen, dass ich jemand sein könnte, dem man so was besser nicht erzählt?“
Shanaya grübelte im Schnellgang einmal alle möglichen Gedanken durch, schielte dabei leicht zur Seite, um die Reaktion des Mannes zu sehen. Er sah nicht wirklich begeistert aus, was ihr jedoch keinerlei Schwung nahm. Im Prinzip konnte es ihr egal sein, ob er sich zu ihnen gesellte oder nicht. Bei seinen nächsten Worten lachte sie auf. „Vom Pirat spielen sind wir weit entfernt. Oder möchtest du etwa auf mein zartes Alter anspielen?“ Sie warf dem großen Mann einen kurzen, gespielt vorwurfsvollen Blick zu, grinste dann aber wieder, wog nach seinem Schnippen den Kopf ein wenig zur Seite. „Nun... würdest du mich daraufhin töten wollen, hättest du das schon getan.“ Sie blickte kurz an ihm herunter. „Und du siehst nicht sonderlich bewaffnet aus. Ich schließe also aus, dass du der Marine angehörst. Dafür war deine Reaktion auch viel zu wenig geschockt. Und solltest du jetzt heraus posaunen, dass hier Piraten sind... nun, dann wirbst du also für uns. Ich würde sagen, wir kommen immer ganz gut davon.“ Sie grinste ihm munter entgegen.
Er beobachtete sie nur stumm und ruhig, so wie er ohnehin die meiste Zeit guckte, und grübelte. Zartes Alter? Das schien ein Dorn zu sein, sonst hätte sie das nicht direkt angesprochen. Greo beschloss sich das zu merken, es war besser, so etwas auf der geheimen Liste im Kopf notiert zu haben. Menschen war nicht immer bewusst, wie schnell man gesagte Worte gegen sie verwenden konnte. Just in dem Moment fiel ihm ein, dass ihm das auch schon oft passiert war. Er antwortete ihr auf diese spitze Frage nicht und verfolgte lediglich ungerührt, wie sie ein bisschen Theater spielte. Dafür war er aber nicht der richtige Zuschauer. „Nicht in einer Menschenmenge“, warf er lediglich gelassen dazwischen und wartete ab, bis sie ihre Vermutungen vollendet hatte. „Also ist jeder, der kein Pirat ist, ein Mitglied der Marine?“, fragte er und ein schelmischer Geist tanzte in seinen ungleichen Augen. „Das ist eine ziemlich banale Schlussfolgerung“, kommentierte er und zog die Nase kraus. „Aber dass ihr gut davon kommt, das mag sein. Nur ob ihr die beste Crew der Meere werdet… wer weiß das schon. Wie viele seid ihr denn?“
Shanaya beobachtete den Mann, der einfach ruhig blieb. „Du umgehst meine Frage bewusst, hm?“ Sie grinste einfach weiter, auch das war ein Punkt, der ihr egal war. „Nun, dann könnte ich immernoch in der Menschenmenge untertauchen. Und darauf hoffen, dass wir uns nie wieder sehen.“ Denn bei allem, von dem sie wusste, was sie konnte... Dieser Kerl war um einiges größer als sie selbst... und er sah alles aber nicht schwach aus. „Das habe ich nie gesagt. Aber mit einer Waffe könntest du mir jetzt gefährlich werden. So wahrscheinlich auch... aber nicht in einer Menschenmenge.“ Sie fuhr sich kurz durch die Haare, überlegte, wie sie die nächste Antwort am besten verpacken sollte. „Wir mussten uns aus... gegebenem Anlass von den meisten trennen. So sind wir jetzt vier. Dich eingerechnet.“
„Beziehst du alle Dinge immer so auf dich?“, fragte er mit einem komischen Gesichtsausdruck, schmunzelte dann aber. „Tauch ruhig unter, ich hab kein Interesse daran jemanden durch eine Menge wie diese zu verfolgen.“ Er würde nur wieder irgendwo hängen bleiben, irgendwen aus Versehen mitreißen oder über den Haufen rennen. Sie war klein, aber bestimmt wendig. Er hatte da kaum eine Chance. Greo mochte diesen zu nahen Körperkontakt ohnehin nicht gerne. Statt einer Horde Menschen, hatte er lieber eine Horde Schafe. Die waren weniger anstrengend. Und mithilfe der Hunde leichter zu bändigen… obwohl er diese auch bestimmt auf Menschen ansetzen konnte. Er hatte keine Gelegenheit diesen Gedanken weiterzuspinnen. „Oh, wow, mich eingerechnet sogar vier“, frotzelte er und guckte amüsiert. „Da hat ja meine Familie mehr Mitglieder.“ Obwohl das eigentlich ein hängender Vergleich war. Er stammte immerhin aus einer Großfamilie. Da sie mittlerweile am Ende einer Marktreihe angekommen waren und nicht allzu viele Leute um sie herwuselten, drehte er sich abrupt direkt zu ihr und sah sie unverwandt an. „Was springt dabei raus?“, kam er unvermittelt zur Sache. Das ganze Vorhaben klang zwar noch nicht sonderlich nach was, aber er konnte ja immerhin mal die Möglichkeiten ausloten.
Shanaya strich sich eine Strähne hinter die Ohren und drehte sich dann in einer ruhigen Bewegung um, um rückwärts weiter zu laufen. „Nein. Aber die meisten Menschen, denen ich sage, ich bin Piratin, belächeln das und tun es als Witz ab. Und ich wollte nur prüfen, ob du auch so einer bist. Mir ist das egal, was man über mein Alter denkt.“ Sie wusste, was sie wollte. Und daran hindert sie kein Alter, kein Mensch und überhaupt Nichts auf der Welt. So belächelte sie die Menschen nur, die sie verurteilten. Es war immer wieder ein Spaß. „Aus diesem Grund sind wir ja hier, um eine Crew zusammen zu stellen. Manchmal muss man sich von Altlasten eben trennen.“ Und neu anfangen. Und irgendwann hätte jemand Talin vielleicht nachts die Kehle durchtrennt. Unschöne Vorstellung. Als der Dunkelhaarige stehen blieb blickte Shanaya sich kurz um, hielt dann auch inne und richtete die Augen wieder auf Greo. „Meine Gesellschaft.“ Sie grinste, machte – ausnahmsweise – Mal jedoch nur einen Scherz darüber. „Ein freies Leben auf dem Meer, den Wind in den Haaren, ein Schiff mit roten Segeln, eine talentierte Frau als Captain.“ Kurzes Grübeln. „Übrigens nicht mich. Und du bekommst Abenteuer, siehst andere Inseln, andere Meere... von der Gesellschaft ganz zu schweigen.“ Belustigt ließ sie die Arme ein wenig vor und zurück schwenken.
Greo, denk scharf darüber nach und bitte fälle deine Entscheidung weise: bist du Willens mit dieser Person Tage auf See zu verbringen, ohne jedwede Ausweichmöglichkeit, wenn vielleicht nicht viel zu tun ist, Flaute herrscht, das Essen mies ist und sich alle gegenseitig tierisch auf den Keks gehen? – fuhr es ihm durch den Kopf und er verengte leicht die Augen. Was sie über ihr Alter sagte war für ihn irrelevant. Wie sie es auch drehte und wendete, irgendwie schien es sie ja zu beschäftigen, dass sie ihr offensichtliches Das-macht-mir-alles-nichts so rauskehren musste. Aber was ging es ihn an? Er zuckte nur die Schultern. Sollte sie denken, was sie wollte. Vielleicht war er „so einer“. Vielleicht auch nicht. Der Sprung zu den Altlasten irritierte ihn dagegen etwas. Das klang ein wenig nach Zerwürfnis. Und auf einer solchen Basis eine Crew aufzustellen erschien ihm etwas suspekt. Waren sie sicher, alle Altlasten hinter sich gelassen zu haben? Gerade Greo konnte ein Lied davon singen, wie sehr einen manche Dinge verfolgten. Aber was nutzte es? Er musste irgendwie von hier fort, und möglicherweise war diese Piratentruppe gar keine so schlechte Perspektive, um von dieser Insel wegzukommen. Auch, wenn sie in ihrer Huldigung übertrieb, immerhin schien sie einigermaßen ehrlich, was den Ausgangszustand anging. So hörte er sich brav an, was sie zu sagen hatte und betrachtete ihr Gebärden. „Klingt mehr nach einem Roman, denn nach einem vernünftigen Ertrag.“ Er überlegte kurz. „Versteh mich nicht falsch, Wind und Wasser und Freiheit ist ja nett, von mir aus auch die Farbe Rot, aber was ich meine bezieht sich mehr auf ein bisschen Silbernes.“
Shanaya wunderte sich nicht darüber, dass der Mann nicht weiter auf ihre Worte einging. Aber sie hackte nicht nach, beließ es einfach dabei. Wenn er sie unterschätzte, konnte sie ihn gern vom Gegenteil überzeugen. Die Schwarzhaarige straffte leicht die Schultern, verschränkte dann die Arme hinter dem Rücken, ohne den blauen Blick von dem Riesen zu nehmen. „Wäre das Piratenleben ein Roman, wäre es vermutlich stinklangweilig.“ Auch wenn sie gerne las... sie nahm das Leben lieber so, wie sie es in diesem Moment hatte. Seine nächsten Worte brachten sie wieder zum schmunzeln. Natürlich, wie konnte sie das vergessen. „Das kommt wohl auf dich an. Übernimmst du eine Aufgabe, bekommst du mehr... und natürlich kommt es darauf an, was die Crew erbeutet. Wo dann jeder seinen Teil zu beiträgt.“
Mir ihr würde das Leben auf See vermutlich nicht ganz so stinklangweilig werden. Greo hatte den vagen Verdacht, dass sie jemand war, der ordentlich Tohuwabohu mit sich bringen konnte. Dieses Grinsen… sie hatte es bestimmt faustdick hinter den Ohren. Da würde er noch einmal in sich gehen müssen. Wobei es bisweilen lustig sein konnte, einen solchen Menschen um sich zu haben. Er war noch nicht so hundertprozentig sicher, was er über sie denken sollte. Stattdessen konzentrierte er sich auf das wirklich wichtige bei dem Vorhaben: das Geld. Er brauchte dringend welches, ganz abgesehen von der Mitfahrgelegenheit. „Das klingt einerseits vernünftig, andererseits… gibt es Treffen, an dem diese Dinge noch einmal festgemacht werden?“
Shanaya ließ den Blick kurz schweifen, beobachtete die Menschen, die an ihnen vorbei eilten, sie jedoch nicht beachteten. Sie konnte den Mann nicht einschätzen, ob er der Sache komplett abgeneigt war, ober ob sein Interesse wirklich Interesse war. Aber das Angebot stand... und auch wenn sie nicht wusste, wie Talin sich letztendlich entscheiden wollte... jeder Kandidat war erst mal willkommen. Und vielleicht kannte er ja noch jemanden, den er mitbrachte? Sie kannte das zu Genüge, man musste solche Nachrichten verbreiten, nur dann war man erfolgreich. „Es gibt den Kodex, wo das alles drin steht. Alles weitere kannst du dann versuchen, mit dem Captain auszudiskutieren. Vielleicht lässt sie sich ja darauf ein.“ Amüsiert hob sie eine Augenbraue. „Sonst kannst du natürlich auch jeden Strand nach einem Schatz absuchen...“