10.02.2016, 23:02
Shanaya atmete kontrolliert ein und aus, die blauen Augen nicht zu Talin herum wendend. Es wäre zu verräterisch. Aber der Köder funktionierte, der Mann wandte sich zu ihnen herum. Diese hässliche Visage erinnert sie nur zu gut an Jemanden, was es schwer machte, sich für den Moment zusammen zu reißen. Sie lächelte nur kühl, als der Captain lachte, Talin schließlich den Hut vom Kopf zog. Shanaya unterdrückte den Drang, sich umzusehen, zu sehen, wer zu ihnen hinüber blickte. Statt dessen lachte sie ein wenig stumpf bei den Worten des Mannes auf. Er zog Talin zu sich, sodass die Schwarzhaarige automatisch ihr Handgelenk los ließ. „Ich hatte mir eher gedacht, ich lasse sie für euch. Ihr wisst schon, was mit ihr zu tun ist.“ Sie lächelte schräg. So sehr sie Bláyron auch für jeden Atemzug verachtete, die Zeit auf seinem Schiff hatte sie nahezu perfekt auf solch einen Moment vorbereitet. Möglichst kühl legten sich die blauen Augen auf das Gesicht der blonden Frau. Es passte ihr absolut nicht, wie dieser Typ sie anfasste. Aber sie musste sich zurück halten. Wenn sie ihr jetzt helfen wollte, brachte sie sie beide in Gefahr.
Talin sah sich in der Kajüte um und dachte daran, was sie alles anders machen würde, wenn sie erst einmal Captain war. Vor allem würde dieser Alkoholgeruch erst einmal verschwinden müssen. Und dieses hässliche Bett. Ihr wollte noch mehr einfallen, aber da kam der Kerl, den sie nun schon seit Stunden ertragen musste, näher. Schon wieder. Er schien wirklich entzückt zu sein, endlich eine Frau auf dem Schiff zu haben, auch wenn es als Gefahr galt. Es war nicht gut. Und an diesen Aberglauben hätte er besser denken sollen. Doch das tat er nicht, als er sich, nach Alkohol stinkend, auf sie legte und wieder versuchte sie zu begrabschen. Es war jetzt nachts und die meisten waren wohl langsam schlafen gegangen. Dann wurde es Zeit. Sie zückte das Messer, welches sie unter ihrer Kleidung versteckt hatte. Ihr Herz schlug jetzt wieder wie wild, aber noch durfte sie keine Gefühle zulassen, musste sich weiterhin verstecken, wenn sie nicht vor Panik erstarren wollte. Und ohne noch länger zu zögern, rammte sie ihm das Messer von hinten in seinen Hals. Blut spritzte ihr entgegen, genau so wie weit aufgerissene Augen sie anstarrten. Ungerührt sah sie zurück, schob den Mann mit Aufbietung all ihrer Kräfte von sich hinunter und stand dann auf. Ihr Blick fiel noch einmal auf den sterbenden, dann zog sie sich schnell an, ging zur Tür, öffnete sie leise und flitzte dann in die Kombüse. Sie hoffte das Shanaya und Tajo da waren. Einen Todesschrei hatte es leider nicht gegeben. Dann würde sie ihnen so Bescheid geben. Sie hielt sich im Schatten und kam ungesehen zur Küche. Also sie die Tür öffnen wollte, zitterte ihre Hand, doch sie schob diese Gefühle weg und trat ein. „Es ist so weit. Es kann los gehen.“
Shanaya hatte ihre Probleme damit gehabt, Talin und den Mann allein zu lassen. Aber es ging nicht anders. Sie kannte die andere Frau nicht, und im Prinzip konnte sie ihr egal sein... so wie jeder andere bisher. Aber sie hatte einen Pfad eingeschlagen, auf dem sie es eben nicht war. Und so hatte sie einige Momente gebraucht, bis sie sich der Crew hatte zuwenden können. Die unterschiedlichsten Blicke wurden ihr zu geworfen, manch einer klopfte ihr auf die Schulter. Und am liebsten hätte sie jedes Mal ausgeholt, wenn irgendwelche männlichen Andeutungen kamen. Ihr war nach kotzen. Einfach so. In ihrem Kopf herrschte Chaos, das so schnell wie möglich zu lösen galt. Es ging hier um das eigene, so wie um Talins Leben. So schnell es ihr möglich war, ging sie also durch, was sie brauchte. Was zu tun war. Talin würde einige Zeit ausfallen, sie wurde also quasi ins kalte Wasser geschubst. Eine Waffe... sie brauchte dringend eine Waffe. Sie machte sich also auf die Suche, hielt sich im Dunklen des Schiffes auf, bis sie ein paar verwaiste Degen, Schwerter und Dolche gefunden hatte. Einige Männer saßen in der Nähe, beachteten sie nicht. Schnell griff sie also nach den Waffen, verschwand damit wieder auf das Deck und bewegte sich ruhig zur Kombüse – als wäre Nichts gewesen. Tajo war da, wurde mit einem kurzen Lächeln bedacht, ehe sie sich auf einen Stuhl sinken ließ, die Klingen ruhig fest hielt. Sie sagte Nichts, blickte nur immer wieder aus dem Bullauge hinaus zur untergehenden Sonne. War sie nicht schon viel zu lange weg? Aber kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, öffnete sich die Tür und Shanaya konnte das kurze Gefühl der Erleichterung nicht unterdrücken. Bei ihren Worten nickte die Schwarzhaarige kurz, klammerte sich fester an den Griff des Degens und erhob sich schließlich, ohne ein Lächeln auf den Lippen. Jetzt kam der richtige Test, und mit diesem Gedanken ließ sich ein kurzes Zittern ihrer Hände nicht unterdrücken.
Talin hatte das dringende Bedürfnis sich zu waschen, aber das würde warten müssen, bis alles geregelt war. Sie nickte Shanaya zu und sah dann zu Tajo, der sie entgeistert ansah. „Hol die anderen. Sie sollen sich bewaffnen. Es wird ziemlich ungemütlich hier, wenn sie den toten Captain entdecken und ich dann noch meine bewegende Rede halte.“ Der Smutje sagte nichts, sondern drückte sich an ihr vorbei und holte die anderen. Wieder wurde das Zittern stärker und sie musste sich an der Wand festhalten, bevor sie wieder zu dem Mädchen sah. Sie lächelte etwas schwach, zittrig. „Wie ich sehe hast du dir eine Waffe besorgt. Das ist gut. Wenn alles gut läuft müssen wir nicht so viele töten, also hab keine Angst. Du musst auch gar nicht töten. Hauptsache sie können keine Waffe mehr gegen jemanden erheben. Denn wir brauchen noch ein paar Leute um diesen Kahn zu bewegen.“ Dummerweise. Sonst wären die meisten schon längst tot gewesen.
Shanaya schloss einen Moment die blauen Augen, atmete ruhig ein, ehe sie sich wieder an Talin wandte, während Tajo sich an ihnen vorbei schob. Einen Moment legte sich Sorge in den hellen Blick der jungen Frau, aber sie schätzte Talin so ein, dass sie sich nicht davon unterkriegen lassen würde. Sie nickte nur ernst auf die Worte der Blonden hin, trat dann einen Schritt vor. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde ein wenig schräger. Die Angst versuchte sie herunter zu schlucken. „Ich bin bei dir.“ Egal, auf welche Art und Weise. Sie hatten das zusammen begonnen... also würde Shanaya das auch durchziehen. Sie umklammerte fest den Griff des Degens, blickte kurz zu ihrer leicht zitternden Hand hinunter, atmete dann noch einmal tief ein. „Dann ist jetzt Wohl die Zeit, Hals und Beinbruch zu wünschen.“ In einer versucht aufmunternden Geste legte sie der Blonden kurz die Hand auf die Schulter.
Talin wusste nicht, warum die Worte der Schwarzhaarigen sie beruhigten. Sie kannte dieses Mädchen erst seit heute, konnte ihr vermutlich gar nicht so sehr über den Weg trauen. Und nun stand sie hier, mit schaute auf das Gesicht der Jüngeren herunter und fühlte sich beruhigt. Sie war bei ihr. Irgendwie war das wirklich ein Trost. Etwas, was sie gebraucht hatte. Daher erwiderte sie das Lächeln und lachte dann auch schließlich, obwohl ihr eher danach war, sich zu übergeben. „Ja, jetzt darfst du es wünschen.“ Sie verkniff sich irgendwelche klugen, dummen Ratschläge, verkniff sich auch so einen Wunsch. Nein, sie würden das durchziehen und es überleben. Also nickte Talin noch einmal, drehte sich um und sah dann zu einem Mitverschwörer, der auf ihr Zeichen hin die schlafenden, unwissenden weckte. Natürlich wäre es leichter gewesen, sie einfach umzubringen, aber sie wollte ihnen die Chance geben, sich ihr anzuschließen. Wenn sie das nicht wollten, nun, dann mussten sie eben sterben. Sie stellte sich auf eine Kiste, alle gut im Blick, holte tief Luft und sprach dann. „Der Captain ist tot. Ich werde dieses Schiff übernehmen. Hat irgendjemand ein Problem damit?“ Und nach nur einem kurzen Augenblick brach die Hölle los.
Shanaya schluckte noch einmal trocken. Es war nach wie vor keine leichte Situation für sie, und auch Talin sah alles andere als glücklich aus. Auch wenn sie Shanayas Lächeln erwiderte. Sie selbst schmunzelte bei der Erwiderung der Blonden noch einmal, nickte dann aber in einer aufmunternden Geste. Sie hatten es angefangen, nun galt es wohl auch, das durch zu ziehen. Shanaya klammerte sich fester an die Waffe in ihrer Hand, verbarg so das leichte Zittern ihrer Hand, als Talin einen der Männer schickte, die anderen zu wecken. Einen Atemzug lang schoss Shanaya die Augen, lauschte auf ihren Herzschlag und als sie die blauen Seelenspiegel wieder aufschlug, erklang Talins Stimme. Sie trat einen Schritt näher zu der Blonden, unmissverständlich ein Zeichen dafür, dass sie auf ihrer Seite stand. Auch wenn sie sich damit auf dem Silbertablett servierte. Die Blonde wollte sie nicht in eine Falle locken... dann wäre sie in diesem Moment zu weit gegangen. Wenige Herzschläge vergingen nach Talins Anrede – ehe die Männer verstanden und deutlich machten, dass sie damit nicht zufrieden waren. Die Schwarzhaarige biss die Zähne fester aufeinander, hob das Schwert in ihrer Hand. Sie hatte einen Menschen getötet. Hatte an keinem wirklichen Kampf teil genommen. Und trotzdem stand sie nun hier, fasste einen der Männer fest ins Auge, der direkt auf sie zu gelaufen kam, schrie, die eigene Klinge anhob. Er würde sie töten, wenn sie Schwäche zeigte, wenn sie nur einen Moment unachtsam war, und so wartete sie, wartete, bis er bei ihr war, ehe sie seinen Angriff parierte, dem Druck entgegen stellte und ihrerseits selbst zum Schlag ausholte.
Talin hatte vielleicht ein wenig gehofft, es würde doch alles gut ausgehen. Die Männer würden akzeptieren, dass gemeutert wurde. Sie würden verstehen, warum Talin Captain sein musste. Aber nein. Das Meutern war kein Problem, vermutlich, nur die Tatsache, die nun mal niemand ändern konnte. Sie war ein Mädchen. Und das war, was hier keinem passte. Außer denen, die eh schon auf ihrer Seite waren. Sie sah Tajo und ein paar andere vorstürmen und schon einige noch geschockte, niederstrecken. Und dann die Schwarzhaarige, die ebenso tapfer war. Tja, dann hatte sie wohl keine andere Wahl, sie durfte nicht zurückstehen. Also sprang sie von ihrer Kiste, fasste den Degen fester und stürzte sich auf einen der Männer. Parierte, schlug selbst zurück und tötete. Es machte ihr kein Vergnügen, aber es musste sein. Für Lucien.
Shanaya klammerte sich mit aller Kraft an den Degen in ihrer Hand. Das, was sie vielleicht am Leben halten würde. Sie hätte Männer gesehen, denen die Waffe aus der Hand geschlagen worden war... sie wollte nicht genauso enden. Der Mann wich ihrem Hieb aus, schlug selbst noch einmal nach ihr, und diesen Moment nutzte die Schwarzhaarige. Sie warf sich in seine Richtung, als die Waffe an ihr vorbei geschnellt war, streckte den Degen vor und zielte auf den Bauch ihres Feindes. Die gegnerische Waffe fiel zu Boden, genau wie der sterbende Körper. Und durch Shanayas Körper ging ein wildes Zittern. Es war das selbe Gefühl wie bei ihrem Onkel. Keine Reue. Nur das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben... Genugtuung. Aber lange konnte sie nicht darüber nachdenken, als schon der nächste zu ihr sprang und sich das Schauspiel wiederholte. Einige Hiebe, hin und her, ehe Shanaya den Moment nutze, einen weiteren Mann zu Boden streckte, während ihr Körper verrückt spielte, zitterte und sie das Gefühl hatte, nicht genug Luft zu bekommen. Aber da war keine Angst mehr, keine Angst, diese Menschen zu töten. Nur der Wille, zu überleben. Kurz huschte der blaue Blick zu Talin.
Talin drehte sich gerade noch rechtzeitig um, als ein Messer von hinten auf sie zugerauscht kam. Natürlich wollten sie sie am liebsten töten. Sie war ganz offensichtlich ein Mädchen und hatte den Captain getötet. Ja, das würde ihr noch eine Weile im Kopf rumspuken. Doch es durfte sie nicht ablenken. Also wich sie gerade noch so aus, wurde nur an der Wange getroffen, und stach dann zurück. Diesmal mit einem tödlichen Ausgang. Sie sah sich um, drehte sich im Kreis, um einmal über das gesamte Schiff sehen zu können. Die meisten von ihnen lebten noch. Und sie schlugen sich tapfer. Selbst Shanaya konnte sich behaupten. Aber es blieb keine Verschnaufpause. Schnell rannte Talin zu ihr, wich einzelnen Kämpfern und angriffen aus, und blieb dann mit dem Rücken zu dem Mädchen stehen. „Ich gebe dir Rückendeckung, wenn du mir welche gibst. Dann muss ich keine Angst haben von hinten umgebracht zu werden.“
Shanaya ließ den blauen Blick von Talin über das Schiff schweifen, beobachtete kurz einige andere Kämpfe, ehe schnelle Schritte sie herum schnellen ließen. Den Degen fest im Griff erkannte sie gerade noch Talin, die mit dem Rücken zu ihr stehen blieb. Ihre Worte ließen ihren Kopf kurz zur Seite fallen, ehe auch sie sich ohne ein Zögern wieder herum wandte, Talin den Rücken zuwandte. „Ich lasse niemanden zu dir durch.“ Beinah belustigt klang ihre Stimme, aus der sie mit ein wenig Mühe das Zittern verbannen konnte. Ein tiefer Atemzug und schon kam der nächste zu ihnen hinüber, hob den Degen und versuchte sich zwischen die beiden Frauen zu werfen. Die Schwarzhaarige hob ihrerseits den Arm, parierte den Hieb des Mannes und hielt ihn ein wenig auf Abstand, wartend, ob Talin den Rest übernehmen würde.
Talin war froh dem Mädchen vertraut zu haben. Denn genau so gut, hätte sie ihr jetzt auch den Degen in den Rücken rammen können. Doch Shanaya tat es nicht und die Blonde war doch recht erleichtert darüber. Doch lange hielt es nicht an, denn schon sprang eine neuer Gegner zu ihnen. Die Schwarzhaarige parierte seinen Hieb und Talin stach ihm kurzerhand in die Brust, mitten ins Herz. Ein kurzes Geräusch, bevor er nach hinten umfiel. „Na das klappt doch ganz gut.“ Sie sah sich auf dem Schiff um, runzelte die Stirn. „Nur sollten sie langsam zur Vernunft kommen, denn sonst wird es schwierig zu einer neuen Insel zu kommen.“
Shanaya konnte sehen, wie Talin dem Kerl wie erwartet den Rest gab. Er hauchte sein Leben aus, fiel auf das Deck des Schiffes. Dennoch hielt Shanaya den Degen erhoben, ließ den hellen Blick aufmerksam schweifen. Auf Talins Worte legte sich ein sachtes Lächeln auf ihre Lippen, aber was die Blonde folgend sagte, wahr wohl oder übel ziemlich wahr. Dieses Schiff allein zu steuern war eine andere Geschichte. Sie senkte den Arm ein wenig, ließ den Blick noch einmal schweifen, ehe sie tief durchatmete, den Körper zur Ruhe ermahnte. „Mission erfüllt, Captain.“ Ein munterer Ton klang langsam in ihrer Stimme mit.
Talin sah sich finster um, bevor sich ihr Blick langsam immer weiter aufhellte. Kaum hatte sie das gesagt, geschah es auch schon. Langsam aber sicher ließen die Männer ihre Waffen fallen und ergaben sich den Meuterern. Sieh an. Wie wunderbar. Dann konnten sie es doch noch schaffen. Auf der nächsten Insel würden sie ausgesetzt und neue Männer angeheuert werden. Aber das war jetzt noch nicht so wichtig. Etwas irritiert sah sie zu der Schwarzhaarigen, bevor ein leichtes Schmunzeln über ihre Lippen strich. Daran Captain genannt zu werden, musste sie sich wohl erst noch gewöhnen. Immer noch mit einem leichten Lächeln, wandte sie sich an die Überlebenden.Mit lauter Stimme sprach sie sie an. „Werft die Toten über Bord, hier können wir nichts für sie tun. Alle Toten.“ Auch die Leiche des Captains musste entsorgt werden. Ihr wurde ein wenig übel bei dem Gedanken, aber noch durfte sie nicht zusammen brechen. Sie wandte sich an Shanaya, als die Männer sich langsam in Bewegung setzten.. „Du hilfst mir die Kajüte aufzuräumen. Dann wäre das auch schon mal erledigt.“ Und sie hätte dann einen Ort, wo sie zusammenbrechen konnte.
Shanaya ließ nun, da es ruhiger wurde, selbst die Waffe ganz sinken. Der Kampf war vorbei, gewonnen. Ein unbeschreibliches Gefühl breitete sich in ihr aus, eine Art Triumph. Auch über sich selbst. Sie trat einen Schritt vor, betrachtete Talin, die die anderen anhielt, die Leichen zu entledigen. Die Männer setzten sich in Bewegung, und als die Blonde sich wieder an Shanaya wandte, zog diese sich erst einmal mit einer erleichterten Miene den Hut vom Kopf. Viel besser. Sie nickte auf die Worte des neuen Captains hin, holte dann tief Luft, ehe sie der anderen Frau folgte, sie leicht von der Seite anblickte. „Alles in Ordnung?“
Talin musste sich ein Lachen verkneifen, als Shanaya sich den Hut vom Kopf zog, die langen Haare ihr den Rücken herunterfielen und die Männer sie erst einmal anstarren mussten. Noch ein Mädchen! Damit hatte hier wohl keiner gerechnet. Doch die Blonde lachte nicht, lächelte nicht einmal, als sie sich in Bewegung setzte. Neben der Befriedigung das Schiff übernommen zu haben, machte sich einfach nur noch Müdigkeit platz. Auf die Frage des Mädchens schüttelte sie nur kurz den Kopf. Nicht hier. Nicht jetzt. Sie warf einen Blick in die Kajüte, fand sie leer vor, der Tote war schon entfernt worden und ging hinein. Hinter Shanaya schloss sie die Tür und seufzte auf. „Nichts ist in Ordnung. Oder macht es dir Spaß Menschen zu töten?“
Shanaya erwiderte die verwirrten Blicke der Männer mit einem kurzen Zwinkern, versuchte so die eigenen Gedanken umzulenken, während sie Talin folgte. Das Schütteln der anderen Frau nahm sie hin, schwieg, bis die Kajütentier hinter ihr geschlossen wurde. Die Schwarzhaarige trat einige Schritte vor, lehnte sich dann mit dem Rücken an die Holzwand und schloss einige Herzschläge lang die hellen Augen. „Nein.“ Sie wandte die Aufmerksamkeit wieder auf Talin. „Deswegen frage ich ja.“ Ein leises Seufzen, ein aufmunternder Blick, ohne ein Lächeln auf den Lippen. „Das geht vorbei. Schlaf eine Nacht drüber und es geht dir besser... und mir hoffentlich auch.“ Zumindest hatte es bei ihrem Onkel damit funktioniert... auch wenn ihr dieser Tag immer wieder in ihre Träume folgte.
Talin sah die andere an und nickte. Ja, sie glaubte ihr sofort, dass es ihr genauso gut ging, wie der Blonden selbst. Nämlich gar nicht. Müde rieb sie sich über die Augen und lachte dann leise, freudlos auf. „Schlafen wäre schön, aber sicher nicht in diesem Bett. Ich will das Ding anzünden. Das einzige, was mich davon abhält ist die Angst, auch alles andere in Flammen aufgehen zu sehen.“ Sie schüttelte noch mal den Kopf. „Ruh du dich ruhig aus, ich werde diese Nacht kein Auge zu tun.“ Denn dann sah sie nicht den ehemaligen Captain, sondern ihren verdammten Ehemann, wie er sich auch über sie beugte, sie bestieg. Nur leider hatte sie bei ihm damals kein Messer gehabt. Sie schüttelte diese Gedanken ab, wollte nicht daran denken. „Und? Bist du froh auf meiner Seite gewesen zu sein?“
Shanaya betrachtete ruhig das Gesicht der Blonden, zumindest nach außen hin. Innerlich viel zu aufgewühlt spürte sie die Schwäche ihrer Beine, der sie jedoch nicht nachgab. So weit würde sie es gar nicht erst kommen lassen. Sie seufzte leise auf Talins Worte hin. „Wäre ein bisschen unglücklich, wenn du dein gerade gewonnenes Schiff direkt nieder brennst.“ Als sie eine schlaflose Nacht ansprach, versuchte Shanaya sich doch an einem sachten Lächeln. „Tröste dich doch ein wenig damit, dass du einem Bruder einen großen Schritt näher gekommen bist. Der Rest wird ein Klacks.“ Die letzte Frage der Blonden ließ Shanaya den Blick kurz auf den Boden senken, ehe sie den Kopf mit einem Schmunzeln wieder anhob. „Die beste Entscheidung, die ich seit langem getroffen habe.“
Talin musste nun doch ein wenig fröhlicher Lächeln. Dieses Mädchen war irgendwie erfrischend, auch wenn sie selbst genau so fertig war. Und da Talins müde Beine sie nicht mehr länger zu halten gedachten, ließ sie sich auf den Stuhl am Tisch plumbsen und schloss kurz die Augen. So schrecklich müde. „Ja, du hast recht, ich bin ihm einen großen Schritt näher. Ich brauche nur noch neue Leute. Ich weiß nicht wie viele unter einem weiblichen Captain bleiben wollen.“ Sie sah an die Decke und schmunzelte leicht. „Schön zu wissen, dass du so denkst. Ich bereue es auch nicht dich gefragt zu haben. Doch was nun?“ Etwas hilflos sah sie sich in der Kajüte um, sehnte sich ihren großen Bruder herbei, der ihr helfen konnte. Doch er war nicht hier und deshalb fragte sie das andere Mädchen.
Shanaya fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die dunklen Haare, während Talin sich auf dem Stuhl niederließ. Einen Moment betrachtete sie die Blonde, ehe sie selbst mit dem Rücken an der Wand herunter rutschte. Auf ihre Frage hin neigte sie leicht den Kopf, lachte dann leise auf. „Noch mehr Frauen? Was meinst du, wie dein Bruder guckt, wenn er von einem Haufen Frauen gerettet wird?“ Ihr Lächeln wurde ein wenig schräger, folgte dann Talins Blick, ehe sich bei ihren weiteren Worten doch ein ehrliches Lächeln auf ihre Lippen legte. Jetzt, wo sie saß, beruhigte sich ihr Körper ein wenig, auch wenn die Nachwirkungen wohl noch länger zu spüren sein würden. „Erst einmal auf die Beine kommen, ein bisschen Kräfte sammeln. So viel Zeit muss sein.“ Sie war unendlich froh darüber, dass sie in beinah jeder Situation irgendwie einen kühlen Kopf bewahren konnte. „Dann ist das nächste Ziel die Crew... hast du irgendwelche Anhaltspunkte, wo dein Bruder sein könnte?“
Talin schnaubte und schüttelte belustigt den Kopf. „Nein. Ich will kein Amazonenschiff. Es ist ganz nett, wenn wir die beiden einzigen Frauen hier sind. Was glaubst du wie viele Mädchen Pirat werden wollen?“ Sie kicherte leise und seufzte dann kurz darauf erschöpft. Shanayas Plan klang gut, genau das,was sie brauchten. „Erst einmal diese Nacht überstehen und die nächste Insel ansteuern. Ein bisschen was ausbessern und verändern lassen. In der Zeit kann man sich auch ausruhen. Und dann die Crew. Klingt gut. Kann ja nicht so schwer sein da ein paar Idioten zu finden.“ Sie hob den Kopf wieder ein wenig, schwer und langsam und blickte die Schwarzhaarige nachdenklich an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Das müsste wohl auch auf die Liste, was für zu tun haben, nicht wahr?“
Shanaya seufzte leise. „Vermutlich würde das eher in Mord und Totschlag enden als alles andere. Und... so viele würden das sich nicht wollen. Braucht eben ein bisschen Mumm.“ Sie lächelte schräg, lauschte dabei Talins Worten, während sie die Beine leicht anzog, einen Ellenbogen dagegen stützte und den Kopf auf die Hand sinken ließ. „So heuerst du sicher neue Leute an 'Ey, du Idiot! Komm in meine Crew!'“ Sie äffte eine männliche Stimme nach, atmete dann tief durch. Schließlich erwiderte sie Talins Blick, wog den Kopf grübelnd von einer zur anderen Seite. „Wohl wahr. Sonst kommen wir nicht weiter. Was ist denn das letzte, was du von ihm weißt? Wenn alle glauben, er wäre tot...“
Talin fand es eigentlich irgendwie seltsam. Wie konnte dieses Mädchen sie zum lachen bringen, wenn sie doch nur müde war und Ruhe brauchte. Stattdessen saß sie hier und konnte nicht anders, als über das gezeichnete Bild lachen. „Ja, genau so werde ich die Typen anheuern können. Das werden auch die reinsten Prachtkerle sein.“ Sie grinste leicht und schüttelte dann über das weibliche Geschlecht den Kopf. Die meisten waren dann doch so wie ihre Mutter oder die Mädchen auf ihrer Heimatinsel. Bloß nicht zu viel erleben. Und das brachte sie auch gleich dazu, über die gestellte Frage nach. „Das letzte mal als ihn sah, fuhr er aufs Meer hinaus. Später, als sie nicht mehr zurückkamen, wie sonst auch, habe ich erfahren, dass die Männer meiner Insel Schmuggler waren. Und da nahm man eben an, sie wurden vermutlich von der Marine erwischt und umgebracht. Doch ich glaube das irgendwie nicht. Zumindest nicht bei Lucien.“ Sie seufzte und rieb sich die Stirn, da sich Kopfschmerzen anmeldeten.
Shanaya war zufrieden, dass sie Talin vielleicht wenigstens ein wenig auf andere Gedanken bringen konnte. Sie hatte kein Helfersyndrom – wohl eher das Gegenteil – aber sie mochte die Blonde, und das eben erlebte schweißte wohl zusammen. „Stinkend, aber glücklich.“ Sie nickte, um ihre eigenen Worte noch einmal zu untermalen. Sie hörte Talin aufmerksam zu, versuchte die Informationen über Lucien – jetzt wusste sie seinen Namen, und woher Talin ihren falschen Namen hatte. Schmuggler also... bei denen er auf dem Schiff war. „Hm, aber Marine klingt doch gut... wenn sie Schmuggler waren... Schmeißen wir also ein Marinequartier auf.“ Sie lächelte etwas, ließ den Blick dann durch den Raum schweifen. „Du bist dir wirklich sicher, dass er lebt, hm?“
Talin sah sich in der Kajüte um und dachte daran, was sie alles anders machen würde, wenn sie erst einmal Captain war. Vor allem würde dieser Alkoholgeruch erst einmal verschwinden müssen. Und dieses hässliche Bett. Ihr wollte noch mehr einfallen, aber da kam der Kerl, den sie nun schon seit Stunden ertragen musste, näher. Schon wieder. Er schien wirklich entzückt zu sein, endlich eine Frau auf dem Schiff zu haben, auch wenn es als Gefahr galt. Es war nicht gut. Und an diesen Aberglauben hätte er besser denken sollen. Doch das tat er nicht, als er sich, nach Alkohol stinkend, auf sie legte und wieder versuchte sie zu begrabschen. Es war jetzt nachts und die meisten waren wohl langsam schlafen gegangen. Dann wurde es Zeit. Sie zückte das Messer, welches sie unter ihrer Kleidung versteckt hatte. Ihr Herz schlug jetzt wieder wie wild, aber noch durfte sie keine Gefühle zulassen, musste sich weiterhin verstecken, wenn sie nicht vor Panik erstarren wollte. Und ohne noch länger zu zögern, rammte sie ihm das Messer von hinten in seinen Hals. Blut spritzte ihr entgegen, genau so wie weit aufgerissene Augen sie anstarrten. Ungerührt sah sie zurück, schob den Mann mit Aufbietung all ihrer Kräfte von sich hinunter und stand dann auf. Ihr Blick fiel noch einmal auf den sterbenden, dann zog sie sich schnell an, ging zur Tür, öffnete sie leise und flitzte dann in die Kombüse. Sie hoffte das Shanaya und Tajo da waren. Einen Todesschrei hatte es leider nicht gegeben. Dann würde sie ihnen so Bescheid geben. Sie hielt sich im Schatten und kam ungesehen zur Küche. Also sie die Tür öffnen wollte, zitterte ihre Hand, doch sie schob diese Gefühle weg und trat ein. „Es ist so weit. Es kann los gehen.“
Shanaya hatte ihre Probleme damit gehabt, Talin und den Mann allein zu lassen. Aber es ging nicht anders. Sie kannte die andere Frau nicht, und im Prinzip konnte sie ihr egal sein... so wie jeder andere bisher. Aber sie hatte einen Pfad eingeschlagen, auf dem sie es eben nicht war. Und so hatte sie einige Momente gebraucht, bis sie sich der Crew hatte zuwenden können. Die unterschiedlichsten Blicke wurden ihr zu geworfen, manch einer klopfte ihr auf die Schulter. Und am liebsten hätte sie jedes Mal ausgeholt, wenn irgendwelche männlichen Andeutungen kamen. Ihr war nach kotzen. Einfach so. In ihrem Kopf herrschte Chaos, das so schnell wie möglich zu lösen galt. Es ging hier um das eigene, so wie um Talins Leben. So schnell es ihr möglich war, ging sie also durch, was sie brauchte. Was zu tun war. Talin würde einige Zeit ausfallen, sie wurde also quasi ins kalte Wasser geschubst. Eine Waffe... sie brauchte dringend eine Waffe. Sie machte sich also auf die Suche, hielt sich im Dunklen des Schiffes auf, bis sie ein paar verwaiste Degen, Schwerter und Dolche gefunden hatte. Einige Männer saßen in der Nähe, beachteten sie nicht. Schnell griff sie also nach den Waffen, verschwand damit wieder auf das Deck und bewegte sich ruhig zur Kombüse – als wäre Nichts gewesen. Tajo war da, wurde mit einem kurzen Lächeln bedacht, ehe sie sich auf einen Stuhl sinken ließ, die Klingen ruhig fest hielt. Sie sagte Nichts, blickte nur immer wieder aus dem Bullauge hinaus zur untergehenden Sonne. War sie nicht schon viel zu lange weg? Aber kaum war dieser Gedanke zu Ende gedacht, öffnete sich die Tür und Shanaya konnte das kurze Gefühl der Erleichterung nicht unterdrücken. Bei ihren Worten nickte die Schwarzhaarige kurz, klammerte sich fester an den Griff des Degens und erhob sich schließlich, ohne ein Lächeln auf den Lippen. Jetzt kam der richtige Test, und mit diesem Gedanken ließ sich ein kurzes Zittern ihrer Hände nicht unterdrücken.
Talin hatte das dringende Bedürfnis sich zu waschen, aber das würde warten müssen, bis alles geregelt war. Sie nickte Shanaya zu und sah dann zu Tajo, der sie entgeistert ansah. „Hol die anderen. Sie sollen sich bewaffnen. Es wird ziemlich ungemütlich hier, wenn sie den toten Captain entdecken und ich dann noch meine bewegende Rede halte.“ Der Smutje sagte nichts, sondern drückte sich an ihr vorbei und holte die anderen. Wieder wurde das Zittern stärker und sie musste sich an der Wand festhalten, bevor sie wieder zu dem Mädchen sah. Sie lächelte etwas schwach, zittrig. „Wie ich sehe hast du dir eine Waffe besorgt. Das ist gut. Wenn alles gut läuft müssen wir nicht so viele töten, also hab keine Angst. Du musst auch gar nicht töten. Hauptsache sie können keine Waffe mehr gegen jemanden erheben. Denn wir brauchen noch ein paar Leute um diesen Kahn zu bewegen.“ Dummerweise. Sonst wären die meisten schon längst tot gewesen.
Shanaya schloss einen Moment die blauen Augen, atmete ruhig ein, ehe sie sich wieder an Talin wandte, während Tajo sich an ihnen vorbei schob. Einen Moment legte sich Sorge in den hellen Blick der jungen Frau, aber sie schätzte Talin so ein, dass sie sich nicht davon unterkriegen lassen würde. Sie nickte nur ernst auf die Worte der Blonden hin, trat dann einen Schritt vor. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde ein wenig schräger. Die Angst versuchte sie herunter zu schlucken. „Ich bin bei dir.“ Egal, auf welche Art und Weise. Sie hatten das zusammen begonnen... also würde Shanaya das auch durchziehen. Sie umklammerte fest den Griff des Degens, blickte kurz zu ihrer leicht zitternden Hand hinunter, atmete dann noch einmal tief ein. „Dann ist jetzt Wohl die Zeit, Hals und Beinbruch zu wünschen.“ In einer versucht aufmunternden Geste legte sie der Blonden kurz die Hand auf die Schulter.
Talin wusste nicht, warum die Worte der Schwarzhaarigen sie beruhigten. Sie kannte dieses Mädchen erst seit heute, konnte ihr vermutlich gar nicht so sehr über den Weg trauen. Und nun stand sie hier, mit schaute auf das Gesicht der Jüngeren herunter und fühlte sich beruhigt. Sie war bei ihr. Irgendwie war das wirklich ein Trost. Etwas, was sie gebraucht hatte. Daher erwiderte sie das Lächeln und lachte dann auch schließlich, obwohl ihr eher danach war, sich zu übergeben. „Ja, jetzt darfst du es wünschen.“ Sie verkniff sich irgendwelche klugen, dummen Ratschläge, verkniff sich auch so einen Wunsch. Nein, sie würden das durchziehen und es überleben. Also nickte Talin noch einmal, drehte sich um und sah dann zu einem Mitverschwörer, der auf ihr Zeichen hin die schlafenden, unwissenden weckte. Natürlich wäre es leichter gewesen, sie einfach umzubringen, aber sie wollte ihnen die Chance geben, sich ihr anzuschließen. Wenn sie das nicht wollten, nun, dann mussten sie eben sterben. Sie stellte sich auf eine Kiste, alle gut im Blick, holte tief Luft und sprach dann. „Der Captain ist tot. Ich werde dieses Schiff übernehmen. Hat irgendjemand ein Problem damit?“ Und nach nur einem kurzen Augenblick brach die Hölle los.
Shanaya schluckte noch einmal trocken. Es war nach wie vor keine leichte Situation für sie, und auch Talin sah alles andere als glücklich aus. Auch wenn sie Shanayas Lächeln erwiderte. Sie selbst schmunzelte bei der Erwiderung der Blonden noch einmal, nickte dann aber in einer aufmunternden Geste. Sie hatten es angefangen, nun galt es wohl auch, das durch zu ziehen. Shanaya klammerte sich fester an die Waffe in ihrer Hand, verbarg so das leichte Zittern ihrer Hand, als Talin einen der Männer schickte, die anderen zu wecken. Einen Atemzug lang schoss Shanaya die Augen, lauschte auf ihren Herzschlag und als sie die blauen Seelenspiegel wieder aufschlug, erklang Talins Stimme. Sie trat einen Schritt näher zu der Blonden, unmissverständlich ein Zeichen dafür, dass sie auf ihrer Seite stand. Auch wenn sie sich damit auf dem Silbertablett servierte. Die Blonde wollte sie nicht in eine Falle locken... dann wäre sie in diesem Moment zu weit gegangen. Wenige Herzschläge vergingen nach Talins Anrede – ehe die Männer verstanden und deutlich machten, dass sie damit nicht zufrieden waren. Die Schwarzhaarige biss die Zähne fester aufeinander, hob das Schwert in ihrer Hand. Sie hatte einen Menschen getötet. Hatte an keinem wirklichen Kampf teil genommen. Und trotzdem stand sie nun hier, fasste einen der Männer fest ins Auge, der direkt auf sie zu gelaufen kam, schrie, die eigene Klinge anhob. Er würde sie töten, wenn sie Schwäche zeigte, wenn sie nur einen Moment unachtsam war, und so wartete sie, wartete, bis er bei ihr war, ehe sie seinen Angriff parierte, dem Druck entgegen stellte und ihrerseits selbst zum Schlag ausholte.
Talin hatte vielleicht ein wenig gehofft, es würde doch alles gut ausgehen. Die Männer würden akzeptieren, dass gemeutert wurde. Sie würden verstehen, warum Talin Captain sein musste. Aber nein. Das Meutern war kein Problem, vermutlich, nur die Tatsache, die nun mal niemand ändern konnte. Sie war ein Mädchen. Und das war, was hier keinem passte. Außer denen, die eh schon auf ihrer Seite waren. Sie sah Tajo und ein paar andere vorstürmen und schon einige noch geschockte, niederstrecken. Und dann die Schwarzhaarige, die ebenso tapfer war. Tja, dann hatte sie wohl keine andere Wahl, sie durfte nicht zurückstehen. Also sprang sie von ihrer Kiste, fasste den Degen fester und stürzte sich auf einen der Männer. Parierte, schlug selbst zurück und tötete. Es machte ihr kein Vergnügen, aber es musste sein. Für Lucien.
Shanaya klammerte sich mit aller Kraft an den Degen in ihrer Hand. Das, was sie vielleicht am Leben halten würde. Sie hätte Männer gesehen, denen die Waffe aus der Hand geschlagen worden war... sie wollte nicht genauso enden. Der Mann wich ihrem Hieb aus, schlug selbst noch einmal nach ihr, und diesen Moment nutzte die Schwarzhaarige. Sie warf sich in seine Richtung, als die Waffe an ihr vorbei geschnellt war, streckte den Degen vor und zielte auf den Bauch ihres Feindes. Die gegnerische Waffe fiel zu Boden, genau wie der sterbende Körper. Und durch Shanayas Körper ging ein wildes Zittern. Es war das selbe Gefühl wie bei ihrem Onkel. Keine Reue. Nur das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben... Genugtuung. Aber lange konnte sie nicht darüber nachdenken, als schon der nächste zu ihr sprang und sich das Schauspiel wiederholte. Einige Hiebe, hin und her, ehe Shanaya den Moment nutze, einen weiteren Mann zu Boden streckte, während ihr Körper verrückt spielte, zitterte und sie das Gefühl hatte, nicht genug Luft zu bekommen. Aber da war keine Angst mehr, keine Angst, diese Menschen zu töten. Nur der Wille, zu überleben. Kurz huschte der blaue Blick zu Talin.
Talin drehte sich gerade noch rechtzeitig um, als ein Messer von hinten auf sie zugerauscht kam. Natürlich wollten sie sie am liebsten töten. Sie war ganz offensichtlich ein Mädchen und hatte den Captain getötet. Ja, das würde ihr noch eine Weile im Kopf rumspuken. Doch es durfte sie nicht ablenken. Also wich sie gerade noch so aus, wurde nur an der Wange getroffen, und stach dann zurück. Diesmal mit einem tödlichen Ausgang. Sie sah sich um, drehte sich im Kreis, um einmal über das gesamte Schiff sehen zu können. Die meisten von ihnen lebten noch. Und sie schlugen sich tapfer. Selbst Shanaya konnte sich behaupten. Aber es blieb keine Verschnaufpause. Schnell rannte Talin zu ihr, wich einzelnen Kämpfern und angriffen aus, und blieb dann mit dem Rücken zu dem Mädchen stehen. „Ich gebe dir Rückendeckung, wenn du mir welche gibst. Dann muss ich keine Angst haben von hinten umgebracht zu werden.“
Shanaya ließ den blauen Blick von Talin über das Schiff schweifen, beobachtete kurz einige andere Kämpfe, ehe schnelle Schritte sie herum schnellen ließen. Den Degen fest im Griff erkannte sie gerade noch Talin, die mit dem Rücken zu ihr stehen blieb. Ihre Worte ließen ihren Kopf kurz zur Seite fallen, ehe auch sie sich ohne ein Zögern wieder herum wandte, Talin den Rücken zuwandte. „Ich lasse niemanden zu dir durch.“ Beinah belustigt klang ihre Stimme, aus der sie mit ein wenig Mühe das Zittern verbannen konnte. Ein tiefer Atemzug und schon kam der nächste zu ihnen hinüber, hob den Degen und versuchte sich zwischen die beiden Frauen zu werfen. Die Schwarzhaarige hob ihrerseits den Arm, parierte den Hieb des Mannes und hielt ihn ein wenig auf Abstand, wartend, ob Talin den Rest übernehmen würde.
Talin war froh dem Mädchen vertraut zu haben. Denn genau so gut, hätte sie ihr jetzt auch den Degen in den Rücken rammen können. Doch Shanaya tat es nicht und die Blonde war doch recht erleichtert darüber. Doch lange hielt es nicht an, denn schon sprang eine neuer Gegner zu ihnen. Die Schwarzhaarige parierte seinen Hieb und Talin stach ihm kurzerhand in die Brust, mitten ins Herz. Ein kurzes Geräusch, bevor er nach hinten umfiel. „Na das klappt doch ganz gut.“ Sie sah sich auf dem Schiff um, runzelte die Stirn. „Nur sollten sie langsam zur Vernunft kommen, denn sonst wird es schwierig zu einer neuen Insel zu kommen.“
Shanaya konnte sehen, wie Talin dem Kerl wie erwartet den Rest gab. Er hauchte sein Leben aus, fiel auf das Deck des Schiffes. Dennoch hielt Shanaya den Degen erhoben, ließ den hellen Blick aufmerksam schweifen. Auf Talins Worte legte sich ein sachtes Lächeln auf ihre Lippen, aber was die Blonde folgend sagte, wahr wohl oder übel ziemlich wahr. Dieses Schiff allein zu steuern war eine andere Geschichte. Sie senkte den Arm ein wenig, ließ den Blick noch einmal schweifen, ehe sie tief durchatmete, den Körper zur Ruhe ermahnte. „Mission erfüllt, Captain.“ Ein munterer Ton klang langsam in ihrer Stimme mit.
Talin sah sich finster um, bevor sich ihr Blick langsam immer weiter aufhellte. Kaum hatte sie das gesagt, geschah es auch schon. Langsam aber sicher ließen die Männer ihre Waffen fallen und ergaben sich den Meuterern. Sieh an. Wie wunderbar. Dann konnten sie es doch noch schaffen. Auf der nächsten Insel würden sie ausgesetzt und neue Männer angeheuert werden. Aber das war jetzt noch nicht so wichtig. Etwas irritiert sah sie zu der Schwarzhaarigen, bevor ein leichtes Schmunzeln über ihre Lippen strich. Daran Captain genannt zu werden, musste sie sich wohl erst noch gewöhnen. Immer noch mit einem leichten Lächeln, wandte sie sich an die Überlebenden.Mit lauter Stimme sprach sie sie an. „Werft die Toten über Bord, hier können wir nichts für sie tun. Alle Toten.“ Auch die Leiche des Captains musste entsorgt werden. Ihr wurde ein wenig übel bei dem Gedanken, aber noch durfte sie nicht zusammen brechen. Sie wandte sich an Shanaya, als die Männer sich langsam in Bewegung setzten.. „Du hilfst mir die Kajüte aufzuräumen. Dann wäre das auch schon mal erledigt.“ Und sie hätte dann einen Ort, wo sie zusammenbrechen konnte.
Shanaya ließ nun, da es ruhiger wurde, selbst die Waffe ganz sinken. Der Kampf war vorbei, gewonnen. Ein unbeschreibliches Gefühl breitete sich in ihr aus, eine Art Triumph. Auch über sich selbst. Sie trat einen Schritt vor, betrachtete Talin, die die anderen anhielt, die Leichen zu entledigen. Die Männer setzten sich in Bewegung, und als die Blonde sich wieder an Shanaya wandte, zog diese sich erst einmal mit einer erleichterten Miene den Hut vom Kopf. Viel besser. Sie nickte auf die Worte des neuen Captains hin, holte dann tief Luft, ehe sie der anderen Frau folgte, sie leicht von der Seite anblickte. „Alles in Ordnung?“
Talin musste sich ein Lachen verkneifen, als Shanaya sich den Hut vom Kopf zog, die langen Haare ihr den Rücken herunterfielen und die Männer sie erst einmal anstarren mussten. Noch ein Mädchen! Damit hatte hier wohl keiner gerechnet. Doch die Blonde lachte nicht, lächelte nicht einmal, als sie sich in Bewegung setzte. Neben der Befriedigung das Schiff übernommen zu haben, machte sich einfach nur noch Müdigkeit platz. Auf die Frage des Mädchens schüttelte sie nur kurz den Kopf. Nicht hier. Nicht jetzt. Sie warf einen Blick in die Kajüte, fand sie leer vor, der Tote war schon entfernt worden und ging hinein. Hinter Shanaya schloss sie die Tür und seufzte auf. „Nichts ist in Ordnung. Oder macht es dir Spaß Menschen zu töten?“
Shanaya erwiderte die verwirrten Blicke der Männer mit einem kurzen Zwinkern, versuchte so die eigenen Gedanken umzulenken, während sie Talin folgte. Das Schütteln der anderen Frau nahm sie hin, schwieg, bis die Kajütentier hinter ihr geschlossen wurde. Die Schwarzhaarige trat einige Schritte vor, lehnte sich dann mit dem Rücken an die Holzwand und schloss einige Herzschläge lang die hellen Augen. „Nein.“ Sie wandte die Aufmerksamkeit wieder auf Talin. „Deswegen frage ich ja.“ Ein leises Seufzen, ein aufmunternder Blick, ohne ein Lächeln auf den Lippen. „Das geht vorbei. Schlaf eine Nacht drüber und es geht dir besser... und mir hoffentlich auch.“ Zumindest hatte es bei ihrem Onkel damit funktioniert... auch wenn ihr dieser Tag immer wieder in ihre Träume folgte.
Talin sah die andere an und nickte. Ja, sie glaubte ihr sofort, dass es ihr genauso gut ging, wie der Blonden selbst. Nämlich gar nicht. Müde rieb sie sich über die Augen und lachte dann leise, freudlos auf. „Schlafen wäre schön, aber sicher nicht in diesem Bett. Ich will das Ding anzünden. Das einzige, was mich davon abhält ist die Angst, auch alles andere in Flammen aufgehen zu sehen.“ Sie schüttelte noch mal den Kopf. „Ruh du dich ruhig aus, ich werde diese Nacht kein Auge zu tun.“ Denn dann sah sie nicht den ehemaligen Captain, sondern ihren verdammten Ehemann, wie er sich auch über sie beugte, sie bestieg. Nur leider hatte sie bei ihm damals kein Messer gehabt. Sie schüttelte diese Gedanken ab, wollte nicht daran denken. „Und? Bist du froh auf meiner Seite gewesen zu sein?“
Shanaya betrachtete ruhig das Gesicht der Blonden, zumindest nach außen hin. Innerlich viel zu aufgewühlt spürte sie die Schwäche ihrer Beine, der sie jedoch nicht nachgab. So weit würde sie es gar nicht erst kommen lassen. Sie seufzte leise auf Talins Worte hin. „Wäre ein bisschen unglücklich, wenn du dein gerade gewonnenes Schiff direkt nieder brennst.“ Als sie eine schlaflose Nacht ansprach, versuchte Shanaya sich doch an einem sachten Lächeln. „Tröste dich doch ein wenig damit, dass du einem Bruder einen großen Schritt näher gekommen bist. Der Rest wird ein Klacks.“ Die letzte Frage der Blonden ließ Shanaya den Blick kurz auf den Boden senken, ehe sie den Kopf mit einem Schmunzeln wieder anhob. „Die beste Entscheidung, die ich seit langem getroffen habe.“
Talin musste nun doch ein wenig fröhlicher Lächeln. Dieses Mädchen war irgendwie erfrischend, auch wenn sie selbst genau so fertig war. Und da Talins müde Beine sie nicht mehr länger zu halten gedachten, ließ sie sich auf den Stuhl am Tisch plumbsen und schloss kurz die Augen. So schrecklich müde. „Ja, du hast recht, ich bin ihm einen großen Schritt näher. Ich brauche nur noch neue Leute. Ich weiß nicht wie viele unter einem weiblichen Captain bleiben wollen.“ Sie sah an die Decke und schmunzelte leicht. „Schön zu wissen, dass du so denkst. Ich bereue es auch nicht dich gefragt zu haben. Doch was nun?“ Etwas hilflos sah sie sich in der Kajüte um, sehnte sich ihren großen Bruder herbei, der ihr helfen konnte. Doch er war nicht hier und deshalb fragte sie das andere Mädchen.
Shanaya fuhr sich mit einer kurzen Bewegung durch die dunklen Haare, während Talin sich auf dem Stuhl niederließ. Einen Moment betrachtete sie die Blonde, ehe sie selbst mit dem Rücken an der Wand herunter rutschte. Auf ihre Frage hin neigte sie leicht den Kopf, lachte dann leise auf. „Noch mehr Frauen? Was meinst du, wie dein Bruder guckt, wenn er von einem Haufen Frauen gerettet wird?“ Ihr Lächeln wurde ein wenig schräger, folgte dann Talins Blick, ehe sich bei ihren weiteren Worten doch ein ehrliches Lächeln auf ihre Lippen legte. Jetzt, wo sie saß, beruhigte sich ihr Körper ein wenig, auch wenn die Nachwirkungen wohl noch länger zu spüren sein würden. „Erst einmal auf die Beine kommen, ein bisschen Kräfte sammeln. So viel Zeit muss sein.“ Sie war unendlich froh darüber, dass sie in beinah jeder Situation irgendwie einen kühlen Kopf bewahren konnte. „Dann ist das nächste Ziel die Crew... hast du irgendwelche Anhaltspunkte, wo dein Bruder sein könnte?“
Talin schnaubte und schüttelte belustigt den Kopf. „Nein. Ich will kein Amazonenschiff. Es ist ganz nett, wenn wir die beiden einzigen Frauen hier sind. Was glaubst du wie viele Mädchen Pirat werden wollen?“ Sie kicherte leise und seufzte dann kurz darauf erschöpft. Shanayas Plan klang gut, genau das,was sie brauchten. „Erst einmal diese Nacht überstehen und die nächste Insel ansteuern. Ein bisschen was ausbessern und verändern lassen. In der Zeit kann man sich auch ausruhen. Und dann die Crew. Klingt gut. Kann ja nicht so schwer sein da ein paar Idioten zu finden.“ Sie hob den Kopf wieder ein wenig, schwer und langsam und blickte die Schwarzhaarige nachdenklich an. „Ich habe nicht die geringste Ahnung. Das müsste wohl auch auf die Liste, was für zu tun haben, nicht wahr?“
Shanaya seufzte leise. „Vermutlich würde das eher in Mord und Totschlag enden als alles andere. Und... so viele würden das sich nicht wollen. Braucht eben ein bisschen Mumm.“ Sie lächelte schräg, lauschte dabei Talins Worten, während sie die Beine leicht anzog, einen Ellenbogen dagegen stützte und den Kopf auf die Hand sinken ließ. „So heuerst du sicher neue Leute an 'Ey, du Idiot! Komm in meine Crew!'“ Sie äffte eine männliche Stimme nach, atmete dann tief durch. Schließlich erwiderte sie Talins Blick, wog den Kopf grübelnd von einer zur anderen Seite. „Wohl wahr. Sonst kommen wir nicht weiter. Was ist denn das letzte, was du von ihm weißt? Wenn alle glauben, er wäre tot...“
Talin fand es eigentlich irgendwie seltsam. Wie konnte dieses Mädchen sie zum lachen bringen, wenn sie doch nur müde war und Ruhe brauchte. Stattdessen saß sie hier und konnte nicht anders, als über das gezeichnete Bild lachen. „Ja, genau so werde ich die Typen anheuern können. Das werden auch die reinsten Prachtkerle sein.“ Sie grinste leicht und schüttelte dann über das weibliche Geschlecht den Kopf. Die meisten waren dann doch so wie ihre Mutter oder die Mädchen auf ihrer Heimatinsel. Bloß nicht zu viel erleben. Und das brachte sie auch gleich dazu, über die gestellte Frage nach. „Das letzte mal als ihn sah, fuhr er aufs Meer hinaus. Später, als sie nicht mehr zurückkamen, wie sonst auch, habe ich erfahren, dass die Männer meiner Insel Schmuggler waren. Und da nahm man eben an, sie wurden vermutlich von der Marine erwischt und umgebracht. Doch ich glaube das irgendwie nicht. Zumindest nicht bei Lucien.“ Sie seufzte und rieb sich die Stirn, da sich Kopfschmerzen anmeldeten.
Shanaya war zufrieden, dass sie Talin vielleicht wenigstens ein wenig auf andere Gedanken bringen konnte. Sie hatte kein Helfersyndrom – wohl eher das Gegenteil – aber sie mochte die Blonde, und das eben erlebte schweißte wohl zusammen. „Stinkend, aber glücklich.“ Sie nickte, um ihre eigenen Worte noch einmal zu untermalen. Sie hörte Talin aufmerksam zu, versuchte die Informationen über Lucien – jetzt wusste sie seinen Namen, und woher Talin ihren falschen Namen hatte. Schmuggler also... bei denen er auf dem Schiff war. „Hm, aber Marine klingt doch gut... wenn sie Schmuggler waren... Schmeißen wir also ein Marinequartier auf.“ Sie lächelte etwas, ließ den Blick dann durch den Raum schweifen. „Du bist dir wirklich sicher, dass er lebt, hm?“