02.09.2017, 13:01
Shanayas blaue Augen beobachteten ein kleines Stück Treibgut, das langsam an ihr vorbei trieb. Einen Moment überlegte sie, ob sie wie eine Katze mit der Hand danach schlagen sollte. Nur, um beschäftigt zu sein, um nicht den Verstand unter dem steten Hämmern in ihrem Kopf zu verlieren. Aber die junge Frau riss sich zusammen, schloss nur kurz die Augen, atmete vorsichtig durch, fand jedoch auch keinen festen Punkt, als sie sie wieder aufschlug. So wie sie auf diesem Stück Holz hing hatte sie nicht viel Auswahl, wohin sie blicken konnte... also blieb es bei dem dunklen Horizont, während vor ihnen das Wasser im Schein des Feuer flackerte. Nur nicht schlapp machen, sich irgendwie wach halten. Talins Bruder rief ihnen noch etwas zu, die Bedeutung seiner Worte drang jedoch nicht zu ihr durch. Wie gut, dass er nicht neben ihr schwamm und so rum schrie. Sie hätte ihm die Ohren langziehen müssen. Aber auch Talins Seufzen ging in dem puckernden Schmerz und dem Rauschen des Meeres unter. Erst als die Blonde etwas sagte hob Shanaya leicht eine Augenbraue, wandte die blauen Augen skeptisch zur Seite, ohne den Kopf zu bewegen. Ihre Stimme gerade noch so laut, dass Talin sie verstehen konnte.
„Ich will einen Stuhl... mit rotem Faden.“
So viel dazu, dass sie den Mund halten sollte. Aber wenn die Blonde ihr solch eine Vorlage gab? Über das Motiv ließ sich streiten, aber das war das erste, was ihr eingefallen war. Und irgendwie musste sie sich wach halten, auch wenn die Blonde versuchte, sie zum schweigen zu bringen. Talin konnte froh sein, dass sie noch nicht angefangen hatte zu singen. Ihre sonst so engelsgleiche Stimme hätte in diesem Zustand vermutlich eher nach einem liebeskranken Seehund geklungen.
Und dieser Sehhund zuckte merklich zusammen, als es ohrenbetäubend knallte, Schmerz durch ihren ganzen Körper zuckte. Bevor die Schwarzhaarige realisieren konnte, woher dieser Knall gekommen war, sackte ihr Kopf unter pochendem Schmerz ein wenig tiefer, bis sie ihn auf ihrem Arm ablegen konnte, der sich krampfhaft an das Holz klammerte. Wann war ihr so kalt geworden? Vermutlich die ganze Zeit. Ein leises, schmerzerfülltes Brummen drang über ihre Lippen. Wie lange würde sie das noch durchhalten? Sie musste die Zähne zusammen beißen, sich durchkämpfen. Etwas leuchtendes, das in ihrem Augenwinkel auftauchte und wieder erlosch, ließ sie den Kopf leicht drehen, während sie das rote Tuch weiter gegen die Wunde drückte. Das Lächeln, das sich auf ihre Lippen schlich, wirkte unendlich müde. Aber sie fand ihre eigenen Gedanken viel zu belustigend, um weiter eine schmerzerfüllte Miene zu ziehen.
„Guck Mal... kleine Sternschnuppen.“
Sie war sich nicht einmal sicher, ob ihre Stimme laut genug war, damit Talin sie verstand. Wenn nicht, auch egal. Vielleicht sogar besser. Sie hatte ein bisschen Angst, dass die Blonde sie mit einer dieser Sternschnuppen erschlagen und anzünden würde. Was für eine hübsche, menschliche Fackel. Aber ihr gefiel der Gedanke von Sternschnuppen besser als irgendwelche brennenden Holzscheite, die bedrohlich nah und viele waren. Man musste sich die Welt nur drehen, wie es einem gefiel! Sie spürte Talins Bewegungen neben sich, versuchte es ihr gleich zu machen und bewegte irgendwie ungelenk die Beine. Der Wille war da – die Kraft ließ nur dummerweise nach.
Aber dann schien Talin eine neue Idee zu haben, sagte Worte, die die Schwarzhaarige normalerweise hätten aufschrecken lassen. So drehte sie nur leicht den Kopf, blinzelte und versuchte etwas zu erkennen. Sie erkannte kein Schiff, aber ihr Sichtfeld verschwamm auch zunehmend zu einer Masse. Sie wollte ihr Tuch? Bevor die junge Frau reagieren konnte, war ihre Hand schon leer, wurde nun so gegen die Wunde gedrückt. Wenn da wirklich die Sphinx war und die Blonde sich diese nicht nur einbildete... aber allmählich schwanden ihr wirklich die Kräfte, dass nicht einmal dazu ein Kommentar über ihre Lippen kam. Ihr Kopf sank nur langsam wieder auf ihren kalten Arm, das Zittern ihres Körpers versuchte sie mit aller Kraft zu verdrängen. Jetzt zu schlafen klang so verlockend, aber sie wusste viel zu gut, was damit auf dem Spiel stand. Stattdessen klammerte sie sich an dem Holz fest, lauschte nur darauf, ob Talin noch irgendwelche Anweisungen oder Informationen gab. Sonst war da da nur das so beruhigende Rauschen um sie herum, das sie irgendwie in den Schlaf locken wollte und dem sie mit jeder Faser zu widerstehen versuchte.